D’après une histoire vraie – Alexandre Desplat: „Nur spannend reicht nicht“

Die Zeit zwischen der Veröffentlichung eines Buches und dem Beginn der Arbeit am nächsten ist für erfolgreiche Schriftsteller oft die schwierigste Phase. Unzählige Medientermine, der Druck, den Erfolg mit dem nächsten Werk bestätigen zu müssen – das hinterlässt Spuren: Selbstzweifel, Schreibblockade und das quälende Ringen um jede Zeile. Roman Polanski hat diesem speziellen Thema mit seiner Romanverfilmung Nach einer wahren Geschichte 2017 einen eigenen Film gewidmet. Emmanuelle Seigner spielt die Bestseller-Autorin Delphine, die in ihrem letzten Werk den Tod der eigenen Mutter verarbeitet hat und bei einer Signierstunde auf die mondäne Bewunderin Elle (Eva Green) trifft. Beide freunden sich an und schließlich zieht die wohnungssuchende Elle sogar bei Delphine ein. Doch die neue Mitbewohnerin beginnt, immer mehr Einfluss auf die Schriftstellerin auszuüben, übernimmt deren email-Account und schottet sie immer weiter von der Außenwelt ab. Als Delphine nach einem Unfall mit Elle zur Erholung in einem Landhaus zieht und krank wird, eskaliert die Situation auf dramatische Weise.

Für Roman Polanski ist das ein klassisches Setting: Ein kammerspielartiges Psychoduell zwischen zwei charismatischen Figuren in der Tradition von Der Tod und das Mädchen und Venus im Pelz, bei dem bis zum Ende nicht ganz klar ist, wer welche Absichten verfolgt, wer wen manipuliert und wer letztendlich die Oberhand behalten wird. Raffiniert spielt der Altmeister mit den Erwartungen seiner Zuschauer und erzeugt einen doppelten Boden, der das Gesehene auf einer Metaebene völlig neu interpretieren lässt. Eva Green agiert großartig zwischen entwaffnendem Charme und empathieloser Härte. Doch obwohl alle Ingredienzien da sind, die einen starken Film ausmachen, fiel Nach einer wahren Geschichte in der Kritik durch und floppte an den Kinokassen. Tatsächlich ist der abgründige Psychothriller aber besser als sein Ruf und bietet spannendes und durchaus intelligentes Schauspielkino. Schwächen gibt es aber dennoch: So faszinierend das Drehbuch sein Grundthema auch umsetzt, gewinnt es ihm nämlich kaum neue Erkenntnisse ab. Verhandelten Der Tod und das Mädchen und Venus im Pelz wichtige gesellschaftspolitische Diskurse, kreist Nach einer wahren Geschichte doch etwas zu sehr um sich selbst. Zum anderen wirkt Polanskis Inszenierung hier doch seltsam nüchtern und reduziert, ohne die visuelle Einfallskraft früherer Werke.

Auch die bislang unveröffentlichte Filmmusik von Alexandre Desplat enttäuscht: Statt den filmischen Sog zu unterstützen und dem Film durch eine charismatische, psychologisierende Vertonung eine neue Dimension zu verleihen, bleibt sein kammermusikalischer Beitrag äußerst zurückhaltend. Er konzentriert sich ganz darauf, Spannung zu erzeugen: Ein unscheinbares Klavierthema erfüllt genau diesen Zweck, wird hier und da von Klarinetten und Flöten umspielt, doch mehr passiert im Grunde nicht. Natürlich verwendet Desplat erneut seine Standard-Technik der „kreisenden“ Motive, wie in der Abspannmusik mit ihrem elektronischen Vier-Noten-Motiv (Générique, das reichhaltigste Musikstück der Komposition). Doch besonders interessant ist das nicht. Das liegt auch daran, dass sich der Film – was eigentlich lobenswert ist – einem klassischen Showdown zwischen den beiden Hauptfiguren verweigert. Eine Entwicklung hin zu einem wie auch immer gearteten Höhepunkt bleibt deshalb zwangsläufig aus. Desplat erzeugt zwar eine latent bedrohliche Grundstimmung. Doch der Rückfall auf konventionelle Suspense-Klischees bei einem ohnehin sehr sparsamen Musikeinsatz trägt viel zur wahrgenommenen Statik der Erzählung bei. Wenn man daran zurückdenkt, welche schillernd-brodelnden Vertonungen Wojciech Kilar seinerzeit zu Der Tod und das Mädchen und The Ninth Gate beitrug und welchen fesselnden Spannungs-Score Desplat selbst einst für The Ghost Writer schuf, ist diese musikalische Leerstelle doch sehr ernüchternd. Ob das enorme Arbeitspensum des Franzosen für diese allein funktionale Musik verantwortlich war oder Polanski diese Herangehensweise genauso wollte – um etwa die Isolation der Hauptfigur zu unterstreichen – lässt sich am Ende nur mutmaßen. In beiden Fällen gilt aber, dass die Musik das Potenzial des an sich soliden Thrillers kaum ausschöpft und ihn weniger überzeugend wirken lässt.

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