Trotz seiner Inhaftierung im September 2009 gelang es Roman Polański, den Politthriller Der Ghostwriter (nach dem Bestseller von Robert Harris) fristgerecht für die Weltpremiere auf der Berlinale 2010 fertigzustellen. Noch aus dem Gefängnis heraus hatte der Regisseur per Telefon letzte Anweisungen für den Feinschliff des Filmes gegeben. Die eigentlichen Dreharbeiten waren zu diesem Zeitpunkt zwar längst abgeschlossen. Dennoch natürlich schwierige Umstände für alle Beteiligten, nicht zuletzt den Filmkomponisten Alexandre Desplat, der vor allem in der Post-Production-Phase eng mit dem Regisseur hätte zusammenarbeiten sollen. Das Ergebnis kann sich dennoch trotz aller widriger Gegebenheiten sowohl filmisch als auch filmmusikalisch sehen respektive hören lassen: Polański gelingt mit der Geschichte um einen Ghostwriter, der bei den Memoiren eines ehemaligen britischen Premiers aushelfen soll und dabei in eine brisante politische Affäre gerät, ein ironisch-cleveres Stück Spannungskino. Der stilsicher inszenierte Film erweist sich als in den Hauptrollen mit Ewan McGregor, Pierce Brosnan und Olivia Williams exzellent besetzt und zugleich stimmungsvoll fotografiert. Wunderbar etwa die düsteren Einstellungen des Fähranlegers bei Nacht oder besonders die originelle Schlusseinstellung des Thrillers, wenn auf der Straße mitten in New York die Blätter des so wichtigen Buch-Manuskripts durch die Luft gewirbelt werden.
Der Hauch von Hitchcock, der Polańskis Ghost Writer umweht, spiegelt sich in der hypnotischen Filmmusik Desplats in stilistischen Verweisen auf Bernard Herrmann wider. Doch auch Desplats Oscar-nominierte Eigenkomposition für The Queen, wo ebenfalls die Isolation politischer Machthaber in Krisenzeiten eine Rolle spielt, stand Pate. Ein Plagiat ist die Musik des Franzosen, dessen immenses Arbeitspensum in den vorangegangenen Jahren bereits manche blasse Vertonung zur Folge hatte, aber nicht. Auch wenn seine typische Handschrift quasi in jedem Takt der Komposition durchscheint und sich zahlreiche stilistische Parallelen zu früheren Arbeiten ergeben: Desplat gelingt eine prägnante, präzise auskomponierte Spannungsvertonung, die aufhorchen lässt. Diese agiert wie schon in The Queen immer wieder losgelöst vom Leinwandgeschehen. Einerseits zieht sie in ihrer rhythmischen Gestaltung den Zuschauer in den Film hinein, andererseits wirkt sie oftmals – wie zum Beispiel im markanten Main Title mit dem schnoddrigen Zusammenspiel von Fagott und verfremdeten, geradezu kehlig klingenden Flöten – wie ein spöttisch-lakonischer Kommentar, der eine ironische Distanz zum Gezeigten ermöglicht.
Das im genannten Main Title eingeführte Hauptthema dient als roter Faden, wird aber nicht überstrapaziert. Desplat entwickelt interessante musikalische Kontraste, spielt in Soli von Saxofon und Trompete mit Elementen des Jazz, lässt immer wieder aber auch Orchestertutti über den rhythmischen Grundmustern aus meist Schlagwerk- und Streicherostinati aufblühen. Das ist natürlich nicht neuartig. Aber der transparente Orchestersatz und die abwechslungsreiche Gestaltung machen die ein oder andere vertraute Phrase aus Desplats früheren Musiken vergessen, etwa wenn Streicher, Harfe und Celesta in allzu gewohnter Manier aufspielen. So hat sich Alexandre Desplat mit dem Ghost Writer vielleicht nicht gerade neu erfunden, aber doch von Roman Polański zu einem kompakten, in sich schlüssigen Stück Filmmusik inspirieren lassen. Eines, welches auch abseits der Bilder zu überzeugen weiß.