Nichts ist mehr so wie es war im Land der Zauberer: Harry Potter und seine Freunde müssen aus Hogwarts fliehen, die Eule Hedwig ist tot und der bevorstehende finale Kampf gegen den Oberbösewicht Voldemort zeichnet sich am Horizont ab. Zeiten der Unruhe und Haltlosigkeit für die beliebten Helden. Das ist die erste Hälfte des letzten, knapp 800 Seiten umfassenden Potter-Buches, das Hollywood in einem cleveren Marketing-Schachzug in zwei Filme unterteilt hat. So lässt sich gleich doppelt Kasse machen, zumindest aber auch eine werkgetreue Verfilmung realisieren. Filmmusikalisch gab es einen erneuten Wechsel bei der Wahl des Komponisten: Nach John Williams, Patrick Doyle und Nicholas Hooper ist der vielbeschäftigte Franzose Alexandre Desplat angetreten, die beiden letzten Potter-Folgen im Kino zu vertonen. Damit ist die von manchem Fan heiß ersehnte Rückkehr von John Williams nach Hogwarts wohl endgültig ausgeschlossen. Das ist durchaus ein wenig schade, da die Musik Desplats zu Harry Potter und die Heiligtümer des Todes – Teil 1 einen durchwachsenen Eindruck hinterlässt. Natürlich kann sie zwangsläufig nicht so klingen wie die melodisch reichen, üppig instrumentierten Arbeiten von John Williams der ersten drei Potter-Episoden. Dafür ist die Grundstimmung zu düster: Die Helden sind schließlich erwachsen geworden und Voldemort zum übermächtig erscheinenden Feind aufgestiegen. Und das gibt dann folgerichtig nur noch wenig Raum für märchenhaft-funkelnde Kinosinfonik.
Dementsprechend verwundert es auch nicht, dass Desplat weitgehend auf die Grundthemen der Harry Potter-Reihe von John Williams verzichtet. Auf CD erklingt eingangs statt des Hedwig-Themas (das im Verlauf der Komposition nur kurz zitiert wird) allein ein dumpfes atmosphärisches Grollen. Auch tragende neue musikalische Einfälle fehlen praktisch völlig. Desplat spinnt zwar hier und da reizvolle melodische Bögen, die die Musik für Momentaufnahmen aufblühen lassen. Diese sind jedoch in der Regel allein einzelnen Episoden der Geschichte zugeordnet und kehren darum selten wieder. Lediglich ein, zwei Spannungsmotive werden mehrfach aufgegriffen, eignen sich aber in keiner Weise dazu, die Partitur zu tragen. So entsteht schnell ein wechselhafter Eindruck. Stilistisch erweist sich die Musik zu Harry Potter and the Deathly Hollows als typische Desplat-Komposition, die sich – wüsste man es nicht besser – wohl kaum im Harry Potter-Universum verorten ließe. Zu sehr klingt sie dafür nach anderen Arbeiten des Komponisten. So vermeint man mitunter in den Spannungs-Piecen Parallelen zu The Ghost Writer zu hören. Und in den lyrisch-elegischen Streichermelodien ist der melancholische Gestus eines Benjamin Button nicht weit.
Desplat tut sich erstaunlich schwer damit, eine geeignete Tonsprache zu finden, die die vorangegangen Musiken der Serie überzeugend mit den dramaturgischen Notwendigkeiten der ihrem Finale zusteuernden Handlung verbindet. Der anvisierte Brückenschlag misslingt nicht zuletzt auch deshalb, weil Desplat viel zu oft auf rein funktionale bzw. im eigenen Werk etablierte Vertonungsschablonen vertraut, ohne aber markante thematischen Einfälle zu kreieren, die der Musik Zugkraft verleihen könnten. Das mag zwar den Wünschen der Produzenten bzw. den Bedürfnissen der düsteren Vorlage geschuldet sein, wirkt aber abseits der Bilder unbefriedigend. Man hört zwar auch Desplats Potter-Variante an, dass hier ein filmmusikalischer Könner und Routinier am Werk war. Wenn der Franzose das Actionstück Sky Battle quasi als Hommage an John Williams gestaltet oder aber mit hübschen Klangwirkungen des Orchesters (das London Symphony Orchestra) spielt, weiß seine Vertonung durchaus zu gefallen. Doch über lange 75 Minuten Laufzeit ist das zu wenig. Ernüchterung stellt sich nicht zuletzt auch am Ende der CD ein: Die Zweiteilung des siebten Potter-Films führt dazu, dass die Vertonung ohne dramaturgischen Abschluss mit einem atmosphärischen Stück Spannungsmusik auf geradezu enttäuschende Weise in die Leere läuft.