Wallace & Gromit: Vengeance Most Fowl – Lorne Balfe, Julian Nott: „Ein Köder für den Pinguin“

Einer der verschlagensten, gemeinsten und skrupellosesten Bösewichter der Filmgeschichte ist wieder da: Die Rede ist von Feathers McGraw, seines Zeichens Pinguin, der oft in Tarnung als Huhn auftritt und im Kurzfilm Die Techno-Hose (1993) aufgrund des Diebstahls des blauen Diamanten hinter Gittern landete. Dort sitzt er nun in Wallace & Gromit: Vergeltung mit Flügeln und schmiedet Pläne für seinen Ausbruch. Sein Objekt der kriminellen Begierde: Das berühmte Juwel soll bei einer Museumsausstellung der staunenden Weltöffentlichkeit präsentiert werden. Da kommt es dem bösen Pinguin gerade recht, dass im Hause Wallace & Gromit eine neue Erfindung Einzug enthält: der „Smart-Gnom“, ein enervierender KI-Gartenzwerg, der wie einst Edward mit den Scherenhänden den Garten des Duos in ein grünes Kunstwerk verwandelt und sich durch seine Fähigkeiten anschickt, den armen Gromit nicht nur als Hobby-Gärtner zu ersetzen. Kurzerhand hackt sich der umtriebige Feathers auf den Server von Wallace ein und übernimmt das Kommando des Roboters. Mit gravierenden Folgen: Plötzlich schikaniert eine ganze Armee von KI-Gartenzwergen die Stadt.

Das, was Nick Park und Peter Lord und ihr Team da aus Plastilin auf Drahtgestellen in jahrelanger Kleinarbeit per Stop & Motion-Technik auf die Leinwand zaubern, ist absolut beeindruckend. Mimik und Bewegungsabläufe sind so perfekt gestaltet, dass man als Zuschauer schnell vergisst, dass hier echte Figuren gefilmt wurden. Im besten Sinne kombiniert Wallace & Gromit: Vergeltung mit Flügeln altmodischen britischen Charme mit einer temporeichen, zeitgemäßen Handlung, die nebenbei, auch für Kinder verständlich, vor blinder Fortschrittsgläubigkeit warnt. Gleichzeitig muss man aber auch konstatieren, dass das neue Kinoabenteuer vor allem Altbekanntes aufwärmt. Einmal mehr läuft eine Erfindung von Wallace völlig aus dem Ruder und einmal mehr fällt es dem smarten Gromit zu, den Tag zu retten. Vom Grundprinzip her tut Vergeltung mit Flügeln damit, abgesehen von einigen zeitgemäßen Anpassungen, kaum mehr, als die Handlung von Wallace & Gromit – Die Techno-Hose (1993) auf Kinolänge zu strecken. Das bereitet zwar immer noch großes Vergnügen und dürfte nicht zuletzt auch jüngere Zuschauer begeistern. Doch die Frische und Kreativität der frühen Kurzfilme wird hier nicht mehr ganz erreicht, was allerdings einem Klagen auf relativ hohem Niveau gleichkommt.

Ähnliches gilt auch für die Filmmusik von Julian Nott und Lorne Balfe. Nott begleitet Wallace & Gromit bereits seit dem ersten Kurzfilm Alles Käse von 1989 und zeichnete seinerzeit auch für das erste Kinoabenteuer Wallace & Gromit – The Curse of the Were-Rabbit verantwortlich. Bereits damals war Lorne Balfe neben anderen Co-Komponisten mit an Bord, und Hans Zimmer produzierte seinerzeit. Beim neuen Abenteuer treten Balfe & Nott nun als Duo auf. Erfreulicherweise gelingt es den beiden, durch eine rein orchestrale Komposition den altmodischen Charme von früher zu bewahren. Wie schon beim Vorgänger bleibt die beliebte Titelmelodie der Kurzfilme erhalten und wird einmal mehr zum zentralen Hauptthema. Selten klang es dabei so kraftvoll wie im die Filmmusik eröffnenden Wallace & Gromit: Vengeance Most Fowl (im Film die Abspannmusik). Doch dabei bleibt es nicht: In March of Norbots verwandelt es sich sogar in einen düsteren Marsch – ein perfektes Sinnbild für das drohende Ungemach durch die Roboter-Armee. Filmisch durchaus passend, aber abseits der Bilder eher nervtötend ist dagegen das Norbots-Lied, ein Zwergengesang mit Piepsstimme, der schlimme Erinnerungen an Alvin & the Chipmunks heraufbeschwört. Doch davon abgesehen gerät die Musik erstaunlich abwechslungsreich. Reizvolle Orchesterscherzi wie das großartige Neat and Tidy wechseln hier mit sinistrer Spannungs-Musik ab, bei der auch Bernard Herrmann als Vorbild nicht fehlen darf. So gibt es in mehreren Stücken (z.B. in Guilty as Charged ab 1:27) einen direkten Verweis auf das Hauptthema aus Köder für die Bestie (Cape Fear) zu hören. Und in The Zoo wird pflichtgemäß das Pinguin-Motiv aus dem originalen Kurzfilm The Techno Trousers zitiert. Wirklich viel Neues gibt es davon abgesehen aber leider nicht. Einer der wenigen frischen Elemente abseits des Zwergenlieds ist das verführerisch-abgründige Chorthema in The Blue Diamond.

Doch diese wenigen Bauteile reichen aus, um den Animationsspaß effektvoll zu illustrieren. Dass das über weite Strecken so gut funktioniert, liegt auch an den vielen pfiffigen Variationen der bekannten Themen und Motive. Dazu gesellt sich eine liebevolle Orchestrierung, die den britischen Charme geschickt auf Hollywood-Größe aufplustert, ohne ihn dabei allzu sehr zu verwässern. Vorwerfen kann man dem Komponisten-Duo deshalb eigentlich nicht viel. Seltsamerweise will der rechte Funke am Ende trotzdem nicht überspringen. Das mag zum einen an der Kurzatmigkeit vieler Musikstücke liegen und daran, dass Balfe und Nott die Handlung mit einigen Mickey-Mousing-Effekten mitunter sehr bildbezogen nachzeichnen. Doch es gibt noch einen anderen Grund: Die Musik lebt dermaßen im Gestern, dass man mehr von einem gut gemachten Pastiche, als einer wirklich eigenständigen Filmmusik sprechen kann. Selbst wenn die Komposition größer klingt als jemals zuvor im Franchise, hat man das doch alles im Grunde schon mehrfach in der Vergangenheit gehört. Es mangelt bei aller Liebe zum Detail an einer zündenden neuen Idee, um eine Musik zu schaffen, die so sehr fesselt und begeistert, dass man sie wirklich abseits der Bilder häufiger wiederhören möchte.

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