The Creator – Hans Zimmer: „Im Herzen des Künstlichen“

Die Filmmusiken von Hans Zimmer waren in den letzten Jahren immer dann am stärksten, wenn in ihnen ein akustischer Weltenbau stattfand, in dem die monumentalen Klangschichten Zeit und Raum durchdringen konnten. Das war in den Traum- und Science-Fiction-Welten von Inception und Interstellar der Fall oder wenn der Deutsche die Mysterien archaischer Architekturen in den Dune-Filmen auslotete. In den schönsten Momenten dieser oft im Fundament kühl wirkenden Sound-Designs gelang es Zimmer immer wieder auf kunstvolle Weise, durch Instrumentsoli oder warme Orchesterklänge die Figuren menschlicher und nahbarer zu machen, wie im sehnsuchtsvollen Liebesthema, A Time of Quiet Between the Storms aus Dune 2. Angesichts des riesigen Erfolgs dieser Filme und Musiken, überrascht es kaum, dass Zimmer mittlerweile auch bei anderen Projekten angefragt wird, in eine ähnliche Kerbe zu schlagen. So geschehen bei der opulenten Science-Fiction-Dystopie The Creator von Gareth Edwards. Darin erzählt der für das Star-Wars-Prequel Rogue One gefeierte Regisseur von der Zukunft künstlicher Intelligenz: Nach der Explosion einer Atombombe in Los Angeles, angeblich von KI verursacht, kämpft die US-Regierung im Jahr 2065 mit allen Mitteln gegen eine potenzielle Herrschaft der Roboter. In „Südasien“ leben diese allerdings längst friedlich Seite an Seite mit den Menschen. Der Special-Forces-Agent Joshua (John David Washington) wird eingesetzt, um inkognito Informationen über den „Creator“, den Erfinder der künstlichen Intelligenzen, zu beschaffen. Während des Einsatzes verliebt er sich in die Aktivistin Maya, die schließlich von ihm schwanger wird. Doch bei einem brutalen Angriff der amerikanischen Streitkräfte wird die junge Frau brutal aus dem Leben gerissen. Joshua verliert Arm und Bein. Einige Jahre später wird er noch mal in das Feindgebiet geschickt. Angeblich soll Maya doch überlebt und die künstlichen Intelligenzen inzwischen eine Wunderwaffe entwickelt haben, um sich gegen die Angreifer zu wehren. Doch als Joshua das Geheimnis lüftet, steht er einem kleinen KI-Mädchen mit besonderen Fähigkeiten gegenüber. Beide fliehen und es entwickelt sich eine eigenwillige Freundschaft zwischen dem Soldaten und dem sensiblen Roboter-Kind, dem er den Namen Alfie gibt.

Spätestens ab diesem Zeitpunkt entwickelt sich The Creator immer mehr zu einem eigenwilligen Action-Roadmovie durch ein kriegsgebeuteltes Land. Zugute kommt der Inszenierung, dass an Originalschauplätzen in Thailand, Vietnam und Kambodscha gedreht wurde und alle technischen Effekte nachträglich via CGI eingefügt wurden. So vermittelt die Kameraarbeit von Greig Fraser und Oren Soffer ein Gefühl von Unmittelbarkeit und schafft zugleich eindringliche Bilder von bisweilen betörender Schönheit. Die Sympathien sind dabei klar verteilt. Die USA sind hier die Aggressoren, die einen Feind bekämpfen, den sie nicht verstehen. Diese regierungskritische Haltung, die dazu auffordert, auch andere Perspektiven in der Weltpolitik stärker wahrzunehmen, ist durchaus interessant. Doch leider geht der Film zu keinem Zeitpunkt in die Tiefe und verleiht dem zentralen Konflikt mehr Hintergründe. Dass von künstlicher Intelligenz durchaus ein Bedrohungspotenzial ausgeht und mit ihr auch dringende ethisch-moralische Fragestellungen verbunden sind, fällt in der plakativen Inszenierung völlig unter den Tisch. Für solche Diskurse, wie sie beispielsweise zuletzt die erste Staffel von Westworld oder Ex Machina intelligent durchgespielt haben, zeigt The Creator keinerlei Interesse. Stattdessen konzentriert sich Gareth Edwards ganz auf die Spannungsdramaturgie und die unbestreitbaren audiovisuellen Qualitäten, zitiert von Apocalypse Now bis Blade Runner zahlreiche Vorbilder und vereint alle Elemente zu einer zwar oberflächlichen, aber doch faszinierenden Zukunftsvision.

Am stärksten ist The Creator in der zweiten Hälfte, wenn es gelingt, durch den Blick in die Gesichter den wütenden Schmerz und die resignierte Müdigkeit angesichts des nicht enden wollenden Krieges spürbar zu machen – womit der Film geschickt die Brücke zu realen Konflikten rund um den Globus schlägt. Dass dies so gut gelingt, liegt auch an der einfühlsamen Filmmusik von Hans Zimmer, der mit sphärischen Klangflächen, den Flötensoli (erneut von Pedro Eustache gespielt) und subtil eingeflochtener Percussion im Stil von Beyond Rangoon das Gefühl von meditativer Gleichmut und schwebender Zeitlosigkeit einfängt. Dabei hat die Komposition des Deutschen zu Beginn des Filmes einen schweren Stand. Als Kontrapunkt zur nuklearen Katastrophe erklingt Debussys Clair de Lune und der Angriff auf den Bunker im ersten Drittel wird von Radioheads Everything in Its Right Place begleitet – das erste eine abgedroschene und das zweite eine angesichts des dystopischen Settings eher seltsame Wahl. Das irritiert auch deshalb, weil Zimmer in seiner Musik durchaus den richtigen Tonfall findet und das wohl auch durchgängig von Beginn an hinbekommen hätte. Abseits einiger sehr kurzer Einsätze (wie in der Szene, in der Maya Joshuas Identität aufdeckt) , bekommt seine Musik aber kaum die Möglichkeit, die für den Film so elementare Transition von der hegemonialen US-Sicht hin zur Perspektive der Aktivisten und Rebellen musikalisch nachzuzeichnen.

Nachdrücklich tritt Zimmers Musik erstmals nach rund 50 Minuten so richtig in Erscheinung, wenn Joshua und Alfie auf ihrer Busfahrt traurig reflektieren, dass sie nicht in den Himmel kommen werden – Joshua, weil er sich nicht als guten Menschen sieht, und Alfie, weil er kein Mensch ist. A Place in the Sky, das vielleicht schönste Stück aus The Creator begleitet diese anrührende Szene mit asiatischen Schlaginstrumenten im bereits erwähnten Beyond-Rangoon-Stil. Doch auch danach bleibt der Musikeinsatz äußerst ökonomisch, Zimmer verwendet vorwiegen filmdienliche Klangtexturen, um einzelne Momente zu betonen. Die Schaustücke seiner Musik bleiben den besonders emotionalen Szenen vorbehalten, wenn Joshua Maya tatsächlich wiederfindet oder mit Alfie verzweifelt gegen den Raketenstart ankämpft. Da überhöht er die spirituelle Komponente, lässt in Prayer sakrales Chorraunen auf Orgelspiel irgendwo zwischen Bach und den Minimalismen eines Philip Glass stoßen. Natürlich ist da auch Zimmers eigener Interstellar-Score nicht weit. Der Wendepunkt der Handlung in Standbye bietet eine Art heroisches Hauptthema, das nochmals einen markanten Akzent setzt. Und wenn zum Schluss alle Gefühlsdämme brechen, legt auch Zimmer in True Love alle Hemmungen ab. Das gleichermaßen durch Posaunenläufe und Schlagwerk kraftvolle wie durch die rührseligen Streicher kitschige Crescendo setzt einen furiosen Schlusspunkt, der die sonst über weite Strecken zurückhaltend agierende Komposition zu einem markanten Abschluss führt.

Eigentlich wollte Gareth Edwards die Musik zu The Creator von einer KI erzeugen lassen. Doch das Ergebnis überzeugte ihn nach eigenen Aussagen nur zu 70 %. Da wollte er dann doch lieber „echte 100 %“ von Hans Zimmer. Die hat er mehr oder weniger bekommen. Denn die mit 43 Minuten überraschend kurze Vertonung ist ein rundum gelungenes Stück Filmmusik. Doch so effekt- und stimmungsvoll dieses ist, fehlt dennoch eine besondere konzeptuelle Idee, als dass sie in der gleichen Liga wie Inception, Interstellar oder Dune spielen könnte. Denn bei aller Klangschönheit zitiert sich Hans Zimmer hier nämlich vor allem selbst und greift fast ausschließlich auf Bewährtes aus der Vergangenheit zurück. Dazu passt im Grunde auch die Verwendung von Debussys Clair de Lune, das sogar noch ein zweites Mal über dem Abspann zu hören ist. Vielleicht ist der Soundtrack zu The Creator am Ende deshalb doch gar nicht so weit von einem künftigen „KI-Hans Zimmer“ entfernt, wie man momentan noch denken möchte. Der Komponist scheint sich davor bislang nicht zu fürchten. Denn als Gareth Edwards dem Deutschen den künstlich erzeugten Test-Track zum Hören gab, habe dieser ihn lediglich „amüsant“ gefunden.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.