The November Man – Marco Beltrami: „Verloren in Belgrad“

Der klassische Agenten-Thriller ist seit einigen Jahren in der Krise. Abseits von James Bond gab es zuletzt nur wenige Filme, die sonderliches Aufsehen erregten. Dabei mangelte es nicht an einschlägigen Produktionen. Sie fielen nur meist bei Kritik und Publikum durch, weil sie eklatante Schwächen zeigten und dem Genre nur wenig Neues hinzufügen konnten. In diese Kategorie fällt leider auch The November Man (2014) von Action-Veteran Roger Donaldson, mit dem dieser Pierce Brosnan viele Jahre nach seinem letzten 007-Auftritt noch einmal vor die Kamera locken konnte, um einen Agenten zu spielen: den Ex-CIA-Killer Peter Devereaux. Doch für ein simples Bond-Revival ist die Rolle zu zynisch angelegt: Deveraux, der von einem befreundeten Kollegen aus dem Ruhestand reaktiviert wird, kennt die Spielregeln des Geschäfts und ist mit allen Wassern gewaschen. Seine Mission: er soll eine US-Agentin aus Moskau herausholen, die wichtige Informationen über einen aufstrebenden Politiker mit dunkler Vergangenheit im Tschetschenien-Konflikt gesammelt hat und nun Gefahr läuft, aufzufliegen. Doch der Einsatz gerät zum Fiasko: Die Agentin stirbt und kann nur noch kurz vor ihrer Ermordung Deveraux den Namen der jungen serbischen Prostituierten Mira verraten. Die einst aus Tschetschenien Geflüchtete verfügt offenbar über Wissen, das den rücksichtslosen Politiker zu Fall bringen könnte. Mit der Flüchtlingshelferin Alice (Olga Kurylenko) an der Seite macht sich der „November-Mann“ Deveraux auf, Mira zu suchen, die sich in großer Gefahr befindet.

Obwohl alle Ingredienzien für einen spannenden Agenten-Thriller vorhanden sind, leidet der Film unter einem oberflächlichen Drehbuch, das sich jenseits der vordergründigen Plot-Motorik nie wirklich für seine Figuren oder den historischen Hintergrund zu interessieren scheint. Themen wie der Tschetschenien-Konflikt, Zwangsprostitution, oder auch der ungewöhnliche Schauplatz Belgrad bleiben lediglich Staffage für eine Aneinanderreihung handelsüblicher Actionszenen. Immerhin gibt es im letzten Drittel aber ein paar kleine Plot-Twists, die sogar durchaus überraschend daherkommen – allerdings nur mit der Einschränkung, dass sie manche Szenen im Rückblick (z.B. die beim Zuhälter) wenig plausibel erscheinen lassen.

Große Langeweile kommt bei The November Man trotz der inhaltlichen Schwächen dennoch nicht auf. Und das liegt zum einen daran, dass der Routinier Donaldson die Geschichte flott und routiniert erzählt, zum anderen an der Filmmusik von Marco Beltrami. Der treibt die Handlung mit viel rhythmischem Drive unermüdlich voran und schafft es so, vordergründig die ein oder andere Unebenheit des Drehbuchs zu kaschieren. Der monothematische Score gehört zwar konzeptuell wie melodisch nicht zu seinen stärksten Kompositionen, tut aber, was er soll. Denn auch wenn das Hauptthema, ein Fünfnoten-Motiv, nicht das Zeug zum Evergreen besitzt, ist es trotzdem prägnant genug, um die Musik zu tragen. Eingeführt wird das Thema auf der Sologitarre in Taking Orders. Danach tut Beltrami, was er gerne mit solcherlei Motiven tut: Er dekonstruiert es in seine Einzelteile, um es ganz am Ende in den End Credits in fulminanter Weise wieder zusammenzufügen. Dazwischen liegt allerdings sehr viel generische Action- und Spannungsmusik, in der das Hauptthema immer wieder mal erscheint, die ansonsten aber sehr viel Leerlauf produziert. Selten einmal lässt die Musik etwas aufhorchen, wie im hübschen Gitarrenspiel in Mason Scores oder wenn der Einsatz des Hackbretts versucht, etwas Balkan-Kolorit zu erzeugen. Doch über weite Strecken reihen sich elektronische Beats und brodelnde Klangflächen aneinander, bei denen auch das Orchester oft nur eine untergeordnete Rolle einnimmt. Diese rein funktionalen Stücke sind möglicherweise auch dem ein oder anderen Helfer Beltramis geschuldet. Liest man das Kleingedruckte, erfährt man nämlich, dass mehrere Co-Komponisten beteiligt waren, um die rund 90 Minuten an benötigter Musik zu stemmen.

Das mag erklären, warum die im Grunde passable Themenarbeit mitunter wie verbuddelt wirkt unter den typischen Ingredienzien der Spannungsmusik. Eine faszinierende konzeptuelle Idee wie bei In the Electric Mist fehlt hier leider und so vertont Beltrami die Leinwand-Action doch eher grobschlächtig und verstärkt damit nur den beschriebenen Eindruck, dass The November Man seine Inhalte eher oberflächlich abhandelt. Und das ist dann doch schade bis ärgerlich, weil der Film in seinem bitterbösen Blick auf Agenten, in dem sich auch der US-Geheimdienst schlimme Verfehlungen leistet, erstaunlich kritisch anmutet. So steckt in Donaldsons Film und damit enttäuschenderweise auch in der Musik Beltramis viel verschenktes Potenzial. Was hätte das für tolles Kino sein können, wenn man auf den Hollywood-Oberflächenglanz verzichtet und stärker in den geschichtlichen Hintergrund und den ungewöhnlichen Schauplatz Belgrad eingetaucht wäre? Und wer weiß? Vielleicht hätte das dann auch Beltrami zu einer ambitionierten Musik jenseits eines bestenfalls soliden Routine-Jobs inspiriert.


Empfohlene Tracklist: 1. Taking Orders / 3. Natalia / 7. Run from Mason / 9. Mason Scores / 11. Mason Finds Lucy / 16. Mason saves Lucy / 17. Reunited / 18. End Credits

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