Stargate – David Arnold: „Am Übergang zu einer anderen Welt“

Als Stargate im März 1995 in die deutschen Kinos kam, befand sich das Zeitalter der Multiplexe in seiner ersten großen Blütezeit. Roland Emmerichs Science-Fiction-Abenteuer-Spektakel war mit seinen epischen Wüstenpanoramen, kolossalen Bauten und cleverer Verwendung von CGI-Effekten geradezu wie geschaffen für die großen Leinwände von CinemaxX, UCI & anderen Ketten. Und in einer Zeit, in der groß-budgetierte Fantasy- und Science-Fiction-Stoffe nicht an der Tagesordnung standen, hatte raffiniertes Marketing hohe Erwartungen an den Film geschürt. Die Vorstellung, mit einem Sternentor zu anderen Galaxien zu reisen, mutete so faszinierend an, dass das Interesse vieler Zuschauer geweckt war. Am Startwochenende brach Stargate alle Rekorde. Doch was letztendlich auf der Leinwand zu sehen war, führte leider bei vielen schnell zu großer Ernüchterung: Zwar baut Emmerichs Film in der ersten Hälfte, in der die Forscher die Inschriften des altägyptischen Portals zu entschlüsseln versuchen, äußerst geschickt Spannung auf. Die verpufft dann aber zunehmend, weil der Erkundungstrupp auf der anderen Seite nichts anderes vorfindet, als ein primitiv lebendes Wüstenvolk, das von einer menschlichen Reinkarnation des Sonnengotts Ra unterjocht wird. Irgendwie wirkte das billig: Die spektakuläre Reise ins All führt zurück ins alte Ägypten.

Retrospektiv betrachtet fällt eine Einordnung leichter: Stargate war seinerzeit eine der ersten Produktionen, die in der Tradition der fantastischen Universal-Filme der 30er- und 40er-Jahre standen. Die Handlung ist trivial und greift die kruden pseudowissenschaftlichen Thesen eines Erich von Däniken auf, nach denen die Pyramiden von Gizeh viel älter sind als gedacht und von Außerirdischen erbaut wurden. Entsprechend banal ist der Plot, den Emmerich mit grobem Pinselstrich und vielen Klischees inszeniert: Das beginnt bei der eindimensionalen Figurenzeichnung: Der nerdige Wissenschaftler Daniel Jackson (James Spader), der innerhalb kurzer Zeit eine ihm fremde antike Sprache lernt, ohne Probleme Hieroglyphen entziffert, an denen andere über Jahrzehnte verzweifelten. Nicht weniger plump wirkt der reaktivierte Militär Jack O’Neill (Kurt Russell), der seinerseits eine geheime Agenda verfolgt. Und Mili Avital als exotische Schönheit Sha’uri, die Jackson als Gastgeschenk zur Seite gestellt wird, darf vor allem nur eines: hübsch aussehen.

Stargate bietet Kino der Oberflächenreize, das dank seines naiven Charmes aber dennoch überraschend gut unterhält. Emmerich beschwört hier noch einmal den Geist des klassischen Abenteuerkinos, was auch deshalb so gut funktioniert, weil die CGI-Effekte wohldosiert eingesetzt werden und viele Sets tatsächlich im Wüstensand gebaut wurden. Ein wichtiger Faktor ist dabei auch die Filmmusik von David Arnold, der in seinem (nach dem Copthriller The Young Americans) gerade einmal zweiten Engagement gleich für großes Orchester und Chor komponieren durfte. Seine Musik spiegelt die filmischen Vorbilder von Stargate: Gleich die Ouvertüre präsentiert mit dem prachtvollen Hauptthema eine Melodie, die in ihrem Exotismus an Lawrence von Arabien denken lässt. Und wenn sich das Sternentor zum ersten Mal öffnet, erklingt eine Hommage an E.T. von John Williams (The Stargate Opens/Entering the Stargate), dem in nahezu jedem Stück omnipräsenten Vorbild der Musik. Arnold begeistert hier mit dem unverbrauchten Enthusiasmus des filmmusikalischen Newcomers. Das passt ganz wunderbar, denn so gelingt es ihm, das kindliche Staunen und den Abenteuergeist in epische Töne zu fassen. Klar setzt die Musik wie der Film primär auf üppigen Oberflächenglanz. Doch man hört, wie wichtig es ihm dabei war, die einmalige Chance bei einer derartigen Großproduktion zu nutzen. Die melodischen Einfälle der leitmotivisch organisierten Komposition sind markant, wie das zarte, von Streichern und Holzbläsern gespielte Liebesthema (Daniel and Sha’uri), die in einer Fantasie-Sprache mit kurzen Silben gesungenen Choräle für den Oberschurken oder das marschartige Motiv für den Militär O’Neill. Die Komposition begeistert dazu mit ihrem Abwechslungsreichtum, der von lyrischen Oasen, prachtvollen Orientalismen (z.B. Giza 1928 mit Vokalise von Natacha Atlas) bis zu furiosen Action-Piecen wie dem Battle for the Pyramid reicht, das bereits Arnolds Independence Day vorwegnimmt. Großen Anteil an der effektvollen Vertonung hat auch die funkelnde Orchestrierung von Nicholas Dodd, der mit Stargate parallel zu Arnolds ebenfalls eine lange Hollywood-Karriere startete.

Rückblickend ist es bemerkenswert, wie sehr Stargate zu einem Start- und Endpunkt wurde, den endgültigen Durchbruch für Roland Emmerich, David Arnold und Nicholas Dodd brachte. Zugleich bot der Film eine clevere Mischung aus traditionellen Kulissen und Massenszenen mit wohldosierten Computer-generierten Effekten. Der Siegeszug des CGI-Kinos war in Folge von Jurassic Park zu diesem Zeitpunkt längst nicht mehr aufzuhalten. David Arnolds breitorchestrale Tour de Force verortet den Film mit einer gewissen Rückwärts-Gewandtheit aber noch eindeutig auf der traditionellen Seite (wenngleich er damals bereits oder noch auf einem Atari-Computer arbeitete). Doch nur ein paar Jahre später sollten bei Die Mumie (1999) die monumentalen Bauten fast ausschließlich virtuell entstehen. Zu diesem Zeitpunkt war David Arnold längst schon in anderen Fahrwassern unterwegs: nämlich in Sachen James Bond. Der Kontakt zum MGM war im Zuge von Stargate entstanden, weil das Studio die Verleihrechte für den Film erworben hatte. Noch ein weiterer erstaunlicher Startpunkt.

Diskografische Notizen

Stargate wurde über die Jahre mehrfach veröffentlicht: Zum Kinostart brachte Milan bereits eine 63-minütige Album-Fassung der Musik heraus. Diese wurde 2006 von Colosseum in einer Deluxe Edition auf 72 Minuten verlängert. Das vorläufig letzte Wort zur Filmmusik sprach das US-Label La-La-Land Records 2019 zum 25. Filmgeburtstag mit einer auf 2CDs expandierten Edition, die inklusive Bonustücke 108 Minuten lang ist und bei der circa 78 Minuten auf die Filmmusik, wie sie im Film zu hören ist, entfallen. Dies ist zugleich die einzige aktuell noch verfügbare Version.

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