Blickt man auf Howard Shores Filmmusik zum Polizei-Thriller Copland von 1997 zurück, dann erstaunt, wie nah die Komposition in ihrer schwermütigen, brodelnden Atmosphäre stilistisch den Klangwelten ist, die Shore später für Peter Jacksons Herr der Ringe– und Hobbit-Filme schaffen sollte, Doch vor dieser Karierre-Zäsur, die ihm schließlich Weltruhm einbringen sollte, war sein Werk selten besonders eingängig. Waren einige von Shores Arbeiten in dieser Zeit wie etwa Looking for Richard oder Se7en bereits durchaus bemerkenswert, gibt es noch mehr Musiken von ihm, die kaum über die reine Filmdienlichkeit hinausgehen. Eine davon ist Copland, jener Film, mit dem Silvester Stallone damals versuchte, ins ernste Schauspielfach zu wechseln. Er spielt den Sheriff Freddy, der für die fiktive Stadt Garrison zuständig ist, in der viele Polizisten vom NYPD leben, nur einen Fluss und eine Brücke von der New Yorker Jurisdiktion entfernt. Dass die Cops hier in herrschaftlichen Anwesen wohnen, hat vor allem mit Korruption zu tun. Denn das Geld für die Grundstücke und Häuser stammt aus billigen Mafiakrediten im Gegenzug für das großzügige Wegsehen im gut florierenden Drogenhandel.
Alle haben sich mit der Situation arrangiert, Missetaten der Polizisten werden schnell unter den Teppich gekehrt. Freddys unter Alkoholeinfluss zu Schrott gefahrener Streifenwagen kam dem offiziellen Bericht nach bei einer Verfolgungsjagd zu Schaden. Und so geschieht es auch, als der junge Cop Babitch in einer vermeintlichen Bedrohungssituation zwei schwarze Jugendliche auf der George-Washington-Brücke erschießt. Weil seine Kollegen befürchten, er könne womöglich gegen sie in Sachen Korruption aussagen, lassen sie Babitch kurzerhand verschwinden und täuschen vor, er habe sich von der Brücke gestürzt. Weil aber keine Leiche gefunden wird, beginnt die Abteilung für innere Angelegenheiten an, den Fall zu untersuchen. Freddy, der eigentlich in seinem Leben längst resigniert hat, gerät zunehmend als potenzieller Zeuge in den Fokus der Ermittlungen. Stallone agiert eindrucksvoll in der Rolle des weichen Dorf-Sheriffs, der eigentlich selbst gerne beim NYPD wäre, aber aufgrund von Taubheit auf einem Ohr nicht durfte und nun den korrupten Kollegen teilnahmslos bei ihrem Tun zusehen muss.
Sein langsames Erwachen, bis er sich zuletzt im Showdown unerwartet zur Wehr setzt, trägt James Mangolds (Indiana Jones and the Dial of Destiny) Hollywood-Durchbruch. Mangold hat das Drehbuch selbst verfasst, wollte damit eine Art modernes Western-Szenario schaffen. Bemerkenswert ist, wie viele Stars er dabei vor der Kamera versammeln konnte: Neben Stallone sind Robert De Niro, Harvey Keitel, Ray Llotta und Annabella Sciorra zu sehen. Doch Cop Land gelingt leider kein besonders fesselndes Porträt dieses speziellen Milieus. Die Kriminalität und ihre Ursache, die Verstrickungen mit der Mafia, der zunehmende Druck der Öffentlichkeit, etwas gegen Rassismus und Korruption zu unternehmen, die handlungsunwillige Politik – all das kommt hier nur am Rande vor, in kurz auftauchenden Nebenfiguren, die nie größere Konturen erlangen. Die Erzählung von der Korruption bleibt deshalb eher oberflächlich und banal. Mangold interessiert sich nicht sonderlich für den größeren gesellschaftspolitischen Kontext. Das zeigt sich auch im versöhnlichen Happy End, welches alle Konflikte in Wohlgefallen auflöst und die Kriminellen hinter Gitter verschwinden lässt – als wäre Korruption nur ein singulärer Betriebsunfall, den man im Zweifelsfall schnell korrigieren kann.
Die Filmmusik von Howard Shore mag das so einfach nicht unterschreiben: Seine mit dem London Philharmonic Orchestra aufgenommene Komposition ist eine schwerblütige, düstere sinfonische Arbeit – eine Studie in Moll, die das ganze Moloch, den Sumpf aus Korruption, Lügen und Gewalt in Töne packt. Dabei verwendet Shore immer wieder musikalische Elemente, die man durchaus mit dem Polizeifilm assoziiert: kurze sich hinaufschraubende Motive in den Blechbläsern, Ansätze von Fanfaren, die an die Ideale der Polizeiarbeit erinnern, aber nie annähernd so etwas wie Glanz entfalten – wie auch keine der Figuren in Mangolds Film sich moralisch einwandfrei verhält. Ein heroisches Gefährten-Thema aus dem Herr der Ringe hat hier keinen Platz. Selbst der Einsatz des Dudelsacks in zwei Stücken wirkt beinahe farblos – ein blasses Imitat feierlichen Gedenkens.
Es ist der Versiertheit Howard Shores als Komponist zu verdanken, dass er die Musik so subtil ausgestaltet, dass sie zu keinem Zeitpunkt ihre Binnenspannung verliert. In einer Zeit, in der sich elektronische Beats in Suspense-Musiken bereits immer mehr durchsetzten, blieb Shores Arbeit rein orchestral – heute wäre das beinahe undenkbar. Abseits der Bilder steht die rund 40-minütige Cop Land-Musik allerdings in einer langen Reihe vieler ähnlich gelagerter Shore-Werke. Man denke nur an The Yards, The Game oder Panic Room. Auch wenn die Spannungsmotive durchaus markant sind, fehlt es an Abwechslung und Entwicklung, um Cop Land aus dieser Masse herausragen zu lassen. Die konsequent durchgehaltene Gleichförmigkeit besitzt aber möglicherweise einen filmisch motivierten Hintergedanken: Wenn nämlich am Ende von Cop Land die Gerechtigkeit siegt, könnte Shore Streicher-Romantik und strahlende Fanfaren auffahren. Doch er tut dies erstaunlicherweise nicht. Tatsächlich wirkt das so, als würde er hinter den Kitsch dieser Hollywood-Auflösung anders als James Mangold ein dickes Fragezeichen setzen wollen.