Die lange Karriere von Ennio Morricone mit über 400 Filmmusiken ist immer wieder für Überraschungen gut. Das liegt wohl auch daran, dass es nur wenige Menschen gibt, die einen vollständigen Überblick über sein Schaffen besitzen. Eine der Vertonungen des Komponisten, die eher ein Schattendasein fristet, ist die zur launigen Westernkomödie Die 7 Pistolen des Mac Gregor von 1966, in Italien seinerzeit ein großer Kassenhit, der sogar eine Fortsetzung (Eine Kugel für MacGregor) nach sich zog. Dass Morricones Beitrag kaum jemand kennt, lässt sich schnell erklären. Denn es handelt sich um einen der wenigen Fälle in seiner langen Karriere, bei der die Musik bis heute unveröffentlicht geblieben ist. Zum Filmstart 1966 erschien lediglich eine Vinyl-Single mit zwei Stücken (Marcia Dei MacGregor/Santa Fé Express), die dann später auf dem ein oder anderen Morricone-Sampler zu hören waren. Doch mehr als diese viereinhalb Minuten gab es abseits des Filmes nicht und so lohnt es sich bei der 2023 erschienen Blu-Ray von Explosive Media mit einer neuen Abtastung in 2K einmal genauer hinzuhören.
Und das bereitet viel Spaß: Denn der den Film eröffnende Choral, der in seiner fröhlichen Euphorie direkt Bezug auf den klassischen Hollywood-Western nimmt, ist ein richtiger Ohrwurm. Fans der New Wave-Band Adam and the Ants dürfte die Melodie allerdings verdächtig bekannt vorkommen, denn diese bediente sich 1980 für ihren Song Jolly Roger 1980 recht unverhohlen bei Morricones Marsch. Das Thema steht im Film für die schottische Familie der Mac Gregors (Marcia Dei MacGregor), die es in dem Italowestern an der Grenze zu Mexiko mit dem Schurken Santillana und seiner Bande von Pferdedieben aufnimmt. Im Stile eines Trinklieds wird es von dem Cantori Moderni di Alessandro Alessandroni gesungen und drückt dem Film von Anfang an seinen Stempel auf: Es sorgt bereits für fröhliche Stimmung, wenn die Senioren der Mac Gregor-Sippe in Abwesenheit der sieben Söhne die Familienranch mit viel Humor und noch mehr Pistolenkugeln gegen die angreifenden Banditen verteidigen. Der Rest der Handlung ist schnell erzählt: Nach einer Schlägerei in Las Mesas landen die Brüder im Gefängnis. Als sie entkommen können, stellen sie fest, dass die Pferde, die sie eigentlich verkaufen wollten, gestohlen wurden. Einer der Söhne, Gregor (Robert Woods), schleust sich deshalb inkognito bei Santillanas Leuten ein und kann so seinen Brüdern immer wieder wertvolle Hinweise geben, um die Pläne der kriminellen Bande zu durchkreuzen. Als seine Identität irgendwann auffliegt, werden die Brüder gefangen genommen. Gregor kann zusammen mit seiner unterwegs aufgegabelten Flamme Rosita fliehen und in letzter Sekunde verhindern, dass die anderen auf dem Scheiterhaufen verbrennen. Dass die Munition dabei selten ausgeht, die Schüsse der Bösen nie ihr Ziel treffen und jeder Fausthieb im Stile des Duos Bud Spencer & Terence Hill fast immer den richtigen trifft, versteht sich bei einem leichtgewichtigen Genrefilm wie diesen fast von selbst.
Die Blu-Ray von Explosive Media präsentiert den mit 96 Minuten Lauflänge ungekürzten Film in einem überaus soliden Transfer, bei dem trotz neuer 2K-Abtastung eine umfassende Restaurierung natürlich nicht zu erwarten war. Dennoch sieht der Film abseits kleiner Schwächen hinsichtlich der Farbgebung äußerst ansehnlich aus. Wunderdinge oder ein Referenzbild sollte man allerdings nicht erwarten. Erfreulich: In einer kleinen Featurette erzählt Hauptdarsteller Robert Woods über seine Erfahrungen beim Italowestern.
Richtige Spannung kommt dabei natürlich nicht auf und so fällt es der Musik von Ennio Morricone zu, die triviale Handlung über so manche Unebenheit zu tragen. Und der Maestro löst diese Aufgabe mit Bravour, liefert eine ganze Reihe hörenswerter Momente: neben dem begeisternden Marsch, der im zweiten Teil in einen irischen Jig übergeht, findet er zarte Töne für die Liebe zwischen David und Barbara, betrauert mit einer wehmütigen Melodie die Beerdigung von Rositas Vater und packt für die MacGregors auch schon mal den Dudelsack aus. Das zweite, bereits auf der genannten Single als B-Seite veröffentlichte Stück, ist das für den goldbeladenen Santa Fé Express, eine furiose heroische Hymne, die zunächst den fahrenden Zug, später den zur Rettung reitenden Mac Gregor-Clan begleitet. Eines kleines Gimmick liefert die Musik zur obligatorischen Schlägerei im Saloon: Statt die übliche Unterhaltungsmusik zu spielen, beginnt der Pianist plötzlich, die Werke zu spielen, die er nach eigenen Angaben verehrt, etwa Chopins Nocturne Op.9 No.2 – ein scharfer Kontrast zur derben Prügelei.
Wenngleich Morricone vielfältige musikalische Akzente setzt, die sich nicht nur auf die erwähnte Single reduzieren lassen, sind es dennoch genau die beiden dort präsentierten Hauptthemen, die besonders mitreißen, sodass man schnell vergisst, was für eine schlichte Geschichte das Regiedebüt von Franco Giraldi – zuvor Regieassistent unter Sergio Corbucci und Sergio Leone – erzählt. Doch die Inszenierung ist flott, einige Actionszenen wie der Zugüberfall sind spektakulär in Szene gesetzt. Und nicht zuletzt kontert der Film jeglichen Anflug von Kritik mit einer augenzwinkernden Haudruff-Mentalität, die so absurd überzeichnet ist, dass man ihm fast alles verzeiht. Natürlich ist 7 Pistolen des Mac Gregor kein wirklich guter Italowestern, nicht einmal als Komödie. Doch dem filmischen Vergnügen tut das keinerlei Abbruch. Dafür sorgt allein schon Ennio Morricones markige Filmmusik, die hier vieles rettet und die eine Veröffentlichung nach über einem halben Jahrhundert mehr als verdient hätte.