Harry Potter and the deathly Hallows, Pt. 2 – Alexandre Desplat: „Eine schwere Last“

Zehn Jahre und acht Kinofilme lang konnte man den Helden der Harry Potter-Reihe beim Erwachsenwerden zusehen, beobachten wie aus mitunter ungelenken Jungschauspielern Erwachsene wurden. Mit jedem neuen Film veränderte sich die Atmosphäre, wurde die Stimmung düsterer. Im Gleichschritt mit dem Alter von Harry, Ron und Hermione wuchs die drohende Gefahr. Der unaussprechliche Voldemort gewann fortlaufend an Kraft hinzu. Immer mehr stand für die zaubernden Helden auf dem Spiel. Mit dem zweiten Teil von Harry Potter and the deathly Hallows endete diese Reise schließlich 2011. Das große Finale steht ganz im Zeichen des Endgegners: Voldemort steht Harry Potter ein letztes Mal zum Duell der Zauberer gegenüber, das Schicksal von Hogwarts wird entschieden. Es war ein vorläufiger Endpunkt des Franchise und gleichzeitig einer gigantischen kommerziellen Kino-Maschinerie, die über viele Jahre zuverlässig Unmengen an Dollars in die Kassen von Warner und der Autorin J.K. Rowling gespült hatte.

Aus heutiger Sicht fällt es schwer, den Globus-umspannenden Kino-Erfolg von Harry Potter zu begreifen, zumal die Filmreihe retrospektiv doch erstaunlich inkonsistent wirkt. Die Adaption des letzten Romans erscheint dafür geradezu symptomatisch. Die kreative Entscheidung, das 800-Seiten starke Buch auf zwei Filme aufzuteilen, erlaubte dem Drehbuchautor Steve Kloves zwar eine weitgehend werkgetreue Adaption. Doch eine gute Entscheidung ist das nur bedingt, denn die daraus resultierende Detailverliebtheit bricht merklich mit dem Erzähltempo der vorangegangenen Filme. Rechnet man beide Teile zusammen, verbringen die drei Freunde in Harry Potter and the deathly Hallows vor dem Showdown mehr als drei Stunden damit, Horocruxe zu jagen. Das sind verstreute Teile der Seele Voldemorts, deren Zerstörung verspricht, die Kraft des Bösen auf ein bekämpfbares Normalmaß zurechtzustutzen. So verlief bereits Teil 1 nach dem sich wiederholenden Muster, „Horocrux suchen, Horocrux zerstören, nächstes Horocrux suchen… „, ab. Und in der Fortsetzung geht es im Grunde bis zur großen Schlacht nach dem gleichen Prinzip weiter.

Besonders spannend oder interessant ist das eigentlich nicht, zumal die mysteriöse Verbindung Harry Potters mit seinem Erzfeind stets die richtigen Hinweise auf den jeweils anzusteuernden Fundort mitliefert. Doch eine Straffung der Handlung aus dramaturgischen Gründen war natürlich undenkbar. Allein aus kommerziellen Gesichtspunkten durfte zu keinem Zeitpunkt ein Shitstorm durch zu große Abweichung von der Vorlage riskiert werden. So erscheint Harry Potter and the deathly Hallows unerwartet schwerfällig inszeniert. Der übermäßige Einsatz von Farbfiltern erzeugt vor allem triste Bilder. Das passt zwar zur immer aussichtsloser erscheinenden Lage der Helden. Doch ruft man sich in Erinnerung, dass Harry Potter im Kern eigentlich eine sehr spleenige Märchenwelt voller absonderlicher Fabelwesen und verzauberter Orte ist, wirkt diese visuelle Entsättigung und der damit verbundene Nihilismus reichlich überzogen. Das gilt insbesondere, als dass die Adaption des letzten Buches erstaunlich wenig zu erzählen hat und auch keine überzeugende Binnenlogik besitzt. In Textform mag es anders sein, aber im Film wirkt es so, als würden die Grenzen und Möglichkeiten eines Zauberspruchs stets davon bestimmt, was das Drehbuch gerade braucht, um die Handlung voranzutreiben. Wenn sich die Guten und die Bösen dann schließlich in der finalen Schlacht gegenüberstehen, dann ist die Leinwand voll von einem Leinwandgewitter zischender Zauberformeln, deren Wirksamkeit geradezu beliebig erscheint. Da stellt sich schnell die Frage, ob man als Zuschauer es nicht auch akzeptiert hätte, wenn Harry Potter und Freunde im Finale als bessere Zauberer ganz ohne zerstörte Horocruxe Voldemort besiegt hätten.

Die Filmmusik von Alexandre Desplat schließt sich der anonym wirkenden Inszenierung beinahe bruchlos an. Wie schon in seiner Arbeit zum ersten Teil verzichtet er weitgehend auf die Leitmotive der vorangegangenen Filmmusiken von Nicolas Hopper, Patrick Doyle und John Williams. Zwar taucht das Hedwig-Thema dieses Mal häufiger auf, doch es bleibt meist beim kurzatmigen Zitat und klingt wie schon bei Nicolas Hoopers Potter-Musiken so, als wäre es mehr eine lästige Pflichtübung als ein organischer Bestandteil der Komposition. Dabei hätte gerade der Abschluss der Reihe sich dazu angeboten, einen musikalischen Bogen zum Beginn zu spannen, die Helden und den langen Weg, den sie zurückgelegt haben, zu zelebrieren. Die Freunde besuchen zum Abschluss noch einmal viele bekannte Orte und treffen auf alte Weggefährten, sodass ein Rückgriff auf bewährte Leitmotive durchaus denkbar gewesen wäre. Doch daran scheint Desplat wenig Interesse zu haben. Selbst zum obligatorischen Happy End bleibt die Musik erstaunlich blass. Stattdessen drängen sich zwei neue Ideen in den Vordergrund: Das zentrale Hauptthema von Part 2 ist Lily’s Theme, eine zunächst unscheinbare Vokalise (gesungen von Jo Hisaishis Tochter Mai Fujisawa), die aber in Dragon Flight zu einem elegischen Heldenthema heranwächst. Das Thema steht im Film für die Mutter Harry Potters, die einst im Kampf mit Voldemort ihr Leben ließ, aber deren besondere Beziehung zum Lehrer Snape eine wichtige Rolle spielt. In Statues erklingt ein zweites neues Thema, eine noble Streichermelodie über Schlagwerk, die für die heldenhafte Verteidigung der Zauberschule steht. Dazu zitiert Desplat einige Themen seiner ersten Musik, etwa in Neville das attraktive Hoffnungs-Thema aus Polyjuice Potion, das Obliviate-Thema in Harry’s Sacrifice/Harry Surrenders oder in Underworld das Spannungs-Motiv für die Todesesser (aus Locket).

An Leitmotivik und starken melodischen Momenten mangelt es grundsätzlich also nicht. Wie bereits im ersten Teil gelingt Desplat der ein oder andere überzeugende, prägnante musikalische Moment. Doch irgendwie fehlt das gewisse Etwas. Ihm gelingt es viel zu selten, eine enge Verbindung zur Zauberwelt Harry Potters und den Vorgänger-Filmen herzustellen. So wie David Yates zu gewollt düster inszeniert, erscheint auch die Musik des Franzosen eine Spur zu unheilschwanger und bombastisch. Desplat sprach zum Kinostart vom immensen Erwartungsdruck, den er angesichts des Engagements verspürt habe. Und tatsächlich ist man sich beim Hören der Musik nicht ganz sicher, ob das Schwergewichtige der Komposition wirklich allein der literarischen Vorlage geschuldet ist und nicht vielleicht auch mit dieser Last zu tun hat. Symptomatisch dafür erscheint auch das Filmende: Der Sieg über Voldemort wird nicht zelebriert. Es gibt kein rauschendes Fest, kein fröhliches Feuerwerk, kein feierliches Gedenken. Ebenso auch auf der Tonspur: Keine breit aufschwingende Fanfare, kein fröhliches Scherzo, nichts, was die abgefallene Last musikalisch spiegeln würde. Und das fühlt sich dann beinahe so an, als wären alle Beteiligten damals froh gewesen, dass Harrys Heldenreise endlich vorbei ist.

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