Elemental – Thomas Newman: „Beruhigendes New Age“

In den Untertiteln fĂŒr HörgeschĂ€digte der deutschen Blu-Ray wird Thomas Newmans Musik zu Elemental mit „beruhigende New Age“-KlĂ€nge umschrieben. Und wenn man so möchte, ist seine Arbeit fĂŒr den Oscar-nominierten Pixar-Animationsfilm damit eigentlich schon ausreichend umrissen. Denn tatsĂ€chlich bietet er hier vorwiegend leichtgewichtige, verspielte Sounds, die Hoffnung und Lebensfreude ausstrahlen. Zugleich frönt er hier zum wiederholten Male nach The Best Exotic Marigold Hotel, Victoria & Abdul und He Named Me Malala seinem Indien-Faible. Die indische Musik steht in Elemental aber fĂŒr eine ganz spezielle Einwanderfamilie: die der Lumens, stetig brennende Feuerwesen, die ihre Heimat verlassen haben, um sich in der „Stadt der Elemente“, eine neue Existenz aufzubauen. Doch in der fremden Metropole erfahren die Neuankömmlinge, wie schwer es ist, frisch zu starten. Fremdenfeindlichkeit und Ausgrenzung gehören hier nĂ€mlich zur Tagesordnung, machen der Familie das Leben schwer. Allen HĂŒrden zum Trotz gelingt es den Lumens, erfolgreich Fuß zu fassen und ĂŒber viele Jahre einen beliebten „Feuerladen“ aufzubauen. Eines Tages ist aber der Zeitpunkt gekommen, an dem die temperamentvolle Tochter Ember den Shop des Vaters ĂŒbernehmen soll. Doch bei einem ihrer WutausbrĂŒche flutet diese Papas Laden und trifft im Keller auf den Leitungs-Inspekteur Wade, ein Wasserwesen. Es kommt wie es kommen muss. Beide verlieben sich einander. Doch kann eine Beziehung zwischen zwei so unterschiedlichen Elementen wie Feuer und Wasser gut gehen?

Das bleibt bei Disney natĂŒrlich eine rein rhetorische Frage. Allerdings ging Elemental an den Kinokassen zunĂ€chst völlig unter und floppte kolossal. Das mag auch an den grĂ¶ĂŸtenteils vernichtenden Kritiken liegen, die eine angeblich wenig schlĂŒssige ErzĂ€hlung und einen Mangel an OriginalitĂ€t attestierten. Doch wie unberechenbar der Filmmarkt sein kann, zeigte die Zweitauswertung bei Disney+: Im Streaming avancierte Elemental plötzlich zum riesigen Publikumshit. Dieser Erfolg ist Peter Sohns Film nur zu gönnen, denn sein Pixar-Abenteuer ist bei weitem nicht so schlecht wie der ihm vorauseilende Ruf. Die Idee, die klassische Einwanderer-Geschichte anhand der vier Elemente zu erzĂ€hlen, ist großartig. Nicht nur als fĂŒr Kinder leicht verstĂ€ndliche Metapher, sondern auch weil die Inszenierung daraus immer wieder drollige Detail-EinfĂ€lle generiert: Wenn ein „Feuer-Baby“ auf dem Grill sitzt und FeuerzeugflĂŒssigkeit zu trinken bekommt, Ember in der Bahn mal eben ein Baumwesen abfackelt oder auch sonst im Umgang zwischen Feuer und Wasser so einiges schiefgeht, dann macht das sehr viel Spaß und ist beseelt von dem sympathischen Grundgedanken, dass Unterschiede zwischen Menschen dazugehören und sich ĂŒberwinden lassen.

Im Kern steht von Elemental steht zudem eine wunderschöne, „Element-ĂŒberschreitende“ Liebesgeschichte. NatĂŒrlich hat man eine solche Kultur-Clash-Love-Story in Realfilmen schon hĂ€ufiger gesehen. Doch es beeindruckt, wie konsequent die Autoren diese in das Zentrum eines Animationsfilms stellen und es dabei sogar schaffen, auf einen klassischen Disney-Bösewicht zu verzichten. Die Abstraktion durch die vier Elemente erlaubt es ihnen zudem, altbekannte Plotmuster auf erfrischende Weise neu durchzuspielen: Besonders gelungen ist etwa der erste Besuch Embers bei Wades Eltern, eine Poolparty, bei der die reale Angst des FeuermĂ€dchens, ins Wasser zu fallen, zu einem perfekten Spiegelbild ihrer NervositĂ€t und Unsicherheit wird.

Die Filmmusik von Thomas Newman trĂ€gt ihren Teil zum entwaffnenden Charme von Elemental bei. Allerdings speist sie sich abermals aus den VersatzstĂŒcken unzĂ€hliger vorangegangener Werke des Komponisten, von Findet Nemo ĂŒber Wall-E bis hin zu den bereits genannten „Indien-Musiken“. Wer sich also etwas im Newmanschen Werk auskennt, wird hier sehr viel Vertrautes hören: Die mal rasanten, mal sphĂ€risch oder perkussiv geprĂ€gten Miniaturen, das Spiel auf allerhand exotischem Instrumentarium. Dazu der typisch warmherzige Newmansche Streicher-Sound in den gefĂŒhligen Momenten. Das ist natĂŒrlich alles hinlĂ€nglich bekannt. Vor allem die Bollywood-Elemente bringen aber trotzdem frischen Wind und beugen etwaigen ErmĂŒdungserscheinungen vor: das Spiel von Sitar und Tablas oder die vielfĂ€ltigen Gesangselemente zwischen Rap (Stop Wade!) und Ă€therischer Vokalise. Besonders schön: der eingĂ€ngige, von Newman mitgeschriebene, Mittempo-Song Steal the Show von Lauv.

Im Grunde erstaunt es, wie gut dieses abgedroschene Musik-Konzept auch in der x-ten Variation noch funktioniert. Das liegt natĂŒrlich auch daran, dass es immer wieder reizvolle Kabinett-StĂŒckchen gibt wie den Jazz-Ausflug in Meet the Ripples, die sentimentalen Streicher fĂŒr den Heulwettbewerb in Crying Games oder die entspannten Gitarren-KlĂ€nge in Hot Air Balloon. Dazu begeistert einmal mehr die liebevolle, detailverliebte Instrumentierung. Dass es eigentlich keinen starken thematischen Überbau ĂŒbergibt, fĂ€llt gar nicht so sehr ins Gewicht, wie man denken könnte, weil das Episodenhafte, stilistisch Überbordende ausgezeichnet zum kunterbunten Schmelztiegel der Kulturen in der Metropole „Element City“ passt. So mag Elemental im Grunde eine Thomas-Newman-Musik wie viele andere sein, mit allen Nachteilen, bereitet darin aber ĂŒberraschend viel Hörspaß.

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