Die Elektronik-Pioniere Bebe & Louis Barron sind heutzutage kaum noch bekannt. Dabei schrieben sie 1956 mit ihrer Filmmusik zu Alarm im Weltall – Forbidden Planet Kinogeschichte: Sie schufen nämlich die erste vollständig elektronische Filmmusik überhaupt. Die experimentellen Klänge des Ehepaares fassten die fremdartige Welt des exotischen Planeten Altair-4 kongenial in Töne und vermittelten dem Zuschauer so auf vorher nie dagewesene Weise das Gefühl des „Andersartigen“. Doch trotz begeisterter Publikumsreaktionen sollte diese Form der Filmmusik für viele Jahre eine einmalige Erscheinung bleiben. Den Barrons gelang es nämlich nicht, in Hollywood Fuß zu fassen. Zum einen, weil die amerikanische Filmmusik-Gewerkschaft, der sie nicht angehörten, per Anwalt durchsetzen ließ, dass ihre Arbeit im Vorspann nicht als Musik, sondern unter dem Begriff „elektronische Tonalitäten“ gelistet wurde. Zum anderen, weil die aufwendig produzierte elektronische Klanglandschaft ihrer Zeit weit voraus war.
Wenn man Alarm im Weltall, so der deutsche Titel, heutzutage sieht, versprüht der Sci-Fi-Klassiker eindeutig den Charme der 50er. Da macht sich Commander Adams (die junge „nackte Kanone“ Leslie Nielsen) mit seiner Crew in einer fliegenden Untertasse auf zu fremden Welten: Er soll im Altair-System nach einem verschollenen Raumschiff und seiner Besatzung suchen. Das alles erinnert verdächtig an den Plot klassischer Star Trek-Episoden, entstand aber bereits zehn Jahre vor den ersten Abenteuern von Kirk & Co. Tatsächlich war fast alles an Forbidden Planet 1956 völlig neu: die Reise ins ferne All, die Vorform des „Beamens“ beim Verlassen der Lichtgeschwindigkeit, der lustig ratternde Android „Robbie“ oder das synthetisch erzeugte Essen (was später bei Star Trek als „Replikator“ wieder aufgegriffen wurde). Selbst die philosophisch angehauchte Handlung (inspiriert von Shakespeares Der Sturm) um die Hybris eines Wissenschaftlers könnte dem Raumschiff Enterprise-Universum entstammen: Commander Adams findet zwar auf Altair-4 das vermisste Raumschiff und dessen Kapitän Morbius lebendig vor. Doch dieser will gar nicht gerettet werden, sondern seine Forschung an den Krell, einer hochintelligenten, aber untergegangenen Zivilisation, weiterführen. Der Rest seiner Mannschaft sei beim Angriff eines schrecklichen Monsters ums Leben gekommen. Nur er und seine Tochter blieben aus unerfindlichen Gründen von der mysteriösen Kreatur verschont.
Nicht nur Trekkis können da, was die Auflösung angeht, vermutlich schnell eins und eins zusammenzählen. Dennoch begeistert Forbidden Planet auch heute noch durch seine bemerkenswerten, gänzlich ohne CGI entstandenen, Spezialeffekte. Verwendet wurde eine geschickte Mischung aus Matte-Paintings, raffiniert abgefilmten Modellen und eindrucksvollen Studiosets (vor allem der Blick ins unterirdische Labyrinth der Krell-Tunnel fasziniert). Ein besonderer Kniff gelang mit dem „unsichtbaren“ Monster, das nur in seinen Umrissen gezeigt wird. Um diesen Effekt zu realisieren, lieh man sich beim Disney-Studio Animateure aus, die diese als Overlay zeichneten. Für den Film war das ein Glücksfall. Im Gegensatz zu vielen vermeintlich schrecklichen Kreaturen anderer Horror-Filme der Zeit, die heute nur noch zum Schmunzeln einladen, funktioniert das „energetische Wesen“ aus Forbidden Planet immer noch erstaunlich gut, weil es das wahre Aussehen der Fantasie des Zuschauers überlässt.
Nicht weniger kreativ ging es bei der Filmmusik zu: Synthesizer im eigentlichen Sinne gab es 1956 noch nicht. Vereinzelt verwendeten Komponisten zwar elektronische Instrumente wie das Ondes Martenot oder das Theremin (Bernard Herrmann in The Day the earth stood still von 1951 etwa). Doch ein vollständig elektronisches „Sound Design“ abseits des orchestralen Hollywood-Sounds – das war bis dahin im Kino undenkbar gewesen. Entsprechend viel Aufwand mussten Louis und Bebe Barron in ihrer Werkstatt betreiben: Sie kreierten elektronische Geräusche, in dem sie spezielle Schaltkreise, sogenannte Ringmodulatoren bis zum Kurzschluss brachten. Sie nahmen die so erzeugten Klänge auf Magnetband auf, schnitten sie per Hand, mixten sie auf bis zu drei Spuren, manipulierten sie (durch Variation der Abspielgeschwindigkeit oder Hinzufügen von Hall) und fügten sie schließlich als Komposition wieder zusammen. Entsprechend ist die Filmmusik von Alarm im Weltall ein eigenwilliges Unikat. Es fiept, blubbert, rattert und knackt – das es eine experimentelle Freude ist. Das mag aus heutiger Sicht, unzählige am Synthesizer entstandene Filmmusiken später, schon etwas angestaubt klingen. Dabei sollte man aber nicht vergessen, wie visionär die Arbeit des Ehepaares damals tatsächlich war und wie unerhört diese Musik für Kinogänger, die vorwiegend durch den klassischen Hollywood-Sound geprägt waren, 1956 geklungen haben muss.
Farbenprächtig und liebevoll restauriert – Alarm im Weltraum präsentiert sich auf der deutschen Blu-Ray geradezu vorbildlich. Toll auch die Extras: In der Dokumentation „Watch the Skies! Science Fiction, the 1950s and Us“ kommen Regie-Größen wie George Lucas und Steven Spielberg zu Wort. Und als Bonusfilm gibt es u.a die Fortsetzung The Invisible Boy, in der Roboter „Robbie“ ebenfalls einen Auftritt hat.
Es versteht sich fast von selbst, dass es filmmusikalisch in Forbidden Planet vor allem um die Immersion des Zuschauers ging, der durch den fremdartigen Klangraum das Gefühl bekommen sollte, sich tatsächlich auf einem anderen Planeten zu befinden. Da die elektronischen Geräusche der Barrons – so visionär sie waren – durch ihren experimentellen Ursprung kaum steuerbar im kompositorischen Sinne waren, gehen der Musik allerdings außer einigen lautmalerischen Illustrationen jegliche narrative Qualitäten ab. Das funktioniert dann im filmischen Sinne auch nicht immer gleichermaßen überzeugend. Wenn sich am Ende die ganze tragische Dimension menschlichen Scheiterns offenbart, gibt es dafür eigentlich gar keine musikalische Entsprechung. Gleichzeitig hält die Musik das filmische Erlebnis dennoch erstaunlich frisch, ganz anders, als es eine klassische melodramatische Komposition vermutlich vermocht hätte. Abseits der Bilder, GNP-Crescendo hat die Musik 1989 auf CD veröffentlicht, bleiben die Klangwelten der Barrons ein eigenwilliges, sehr spezielles Hörvergnügen, das ausschließlich aus filmhistorischer Perspektive zu fesseln vermag. Letztendlich wurde der technische Fortschritt den Barrons retrospektiv zum Verhängnis: Der Siegeszug des Synthesizers erlaubte mehr kreative Möglichkeiten und ein professionelles Arbeiten, von dem das Paar Mitte der 50er nur träumen konnten. So waren die Barrons einerseits zu visionär, um im Business mehr als nur lobende Anerkennung zu finden, weil das Potenzial elektronischer Filmmusik damals schlichtweg verkannt wurde. Und als dann viele Jahre später der technische Fortschritt einsetzte, war die Pionierarbeit der Barrons bereits vergessen. Das Timing war also denkbar schlecht. Und darin liegt eine bittere Ironie der Filmgeschichte, die beide Visionäre so sicher nicht verdient haben.