Nach Hobbits und Zauberlehrlingen steht der neueste Trend im Fantasy-Kino ganz im Zeichen blutsaugender Vampire. Auslöser sind die Twilight-Bücher der Schriftstellerin Stephanie Meyers. Die Autorin hat mit der vierteiligen Geschichte um die junge Bella, die sich in den Vampir Edward verliebt, eine wahre Vampir-Manie entfacht. Zwei der Bücher wurden inzwischen mit überwältigendem Erfolg verfilmt. Und so werden pubertäre Mädchenträume von der großen bedingungslosen Liebe und vom Entfliehen des eigenen grauen Alltags nun auch auf der großen Leinwand üppig bebildert. Allzu blutig geht es dabei freilich nicht zu: Die Blutsauger sind vergleichsweise weichgezeichnet, haben mit Tageslicht keine Probleme und können – besondere Eigendisziplin sei dank – sogar dem Töten von Menschen entsagen. Eskapismus in Form einer großen Romanze, dazu jugendfreier Grusel und vor allem viel Oberflächenglanz: So präsentiert sich Twilight. Der Hype hat in erster Linie weibliche Zuschauer infiziert, die in Scharen in die Kinos rennen.
Über Filmmusik war im überkandidelten Rummel um die gefühlsduseligen Vampire bislang nur wenig zu hören, ganz anders als bei Harry Potter oder Herr der Ringe, wo die Vertonungen über den Film hinaus eine immense Popularität genießen. Das mag daran liegen, dass der zuständige Komponist des ersten Films, Carter Burwell, zwar für seine konzeptuell interessanten Musiken bekannt ist, diese aber meist derart in den Dienst des jeweiligen Films stellt, dass sie – allein von CD gehört – eher unauffällig wirken. Im Grunde ist das auch bei Twilight der Fall: Der Spagat zwischen den Erfordernissen eines Teenager-Blockbusters und einer charismatischen Vertonung gelingt Burwell zwar vorzüglich. Doch abseits der Bilder ist seine Arbeit trotz leitmotivischer Ansätze nur in Teilen eigenständig. Um die allmähliche Annäherung der jungen Liebenden in eine musikalische Sprache zu übertragen, verzichtet Burwell auf ein großes Orchester und setzt bis auf zwei Stücke mit größerer Besetzung ein kleines Ensemble aus Streichern, Holzbläsern, Harfe, Klavier, (E-)Gitarre, Bass sowie Perkussion ein. Geschickt entwickelt er aus zunächst atmosphärisch scheinenden Klangflächen, in denen immer wieder auch die E-Gitarre prominent zu hören ist, das romantische Liebesthema, welches erst in Stücken wie „Bella’s Lullaby“ in vollem Glanz erblüht. Flankiert wird diese reizvolle Melodie, die meist auf dem Klavier mit Gitarrenbegleitung erklingt, von zwei weiteren Motiven – eines für die Nomaden-Vampire („Nomads“) und ein Jagd-Motiv (eingeführt von der E-Gitarre gleich zu Beginn von „How would I die“). Es sind die stärker melodisch und thematisch geprägten Stücke, die zu den Höhepunkten der Komposition zählen. Dem gegenüber stehen leider rein funktionale Passagen, die von Soundeffekten durchzogen sind, sowie kurze Actionstücke, in denen eruptive Ausbrüche der Perkussion die Dramatik der Filmhandlung steigern sollen.
Die so eigenwillige wie wechselhafte Mischung aus Pop-Ästhetik und Orchestralem verleiht Twilight eine charismatische Ausstrahlung, die mit den Bildern äußerst effektvoll wirkt. Ohne diese ist die Vertonung zwar nicht ohne Hörreize, hat es aber ungleich schwerer zu überzeugen. Einen ganz anderen Weg geht die Musik von Alexandre Desplat zum zweiten, New Moon untertitelten Teil der Saga: Der viel beschäftigte Franzose bringt seine ganz eigene Handschrift in die Twilight-Reihe ein und verzichtet darauf, die Themen Burwells aufzugreifen. So gibt es zwangsläufig ein neues Liebesthema für Bella und Edward. Immerhin handelt es sich dabei um einen der schönsten melodischen Einfälle Desplats seit Langem, der in seiner melancholischen Eleganz an die traumhaft schöne Vertonung zu Das Mädchen mit dem Perlenohrring erinnert. Doch das unglaubliche Arbeitspensum Desplats im Kinojahr 2009 mit neun (!) Filmmusiken fordert seinen kreativen Tribut: Abseits des schönen Themas, das immer wieder in klangschönen Variationen aufscheint, und einem sinistren Walzer für den Vampir-Clan der Volturi wirkt Twilight – New Moon eher durchschnittlich. Schon das zweite Liebesthema (In New Moon muss sich Bella zwischen einem Werwolf und einem Vampir entscheiden…), das mit dem ersten motivisch verwoben ist, fällt deutlich blasser aus.
Die größte Schwäche ist allerdings eine andere, nämlich die schon beinahe manieristisch zu nennende Ausgestaltung der Musik: Erneut arbeitet Desplat mit Grundmotiven, über denen das Orchester bzw. Soloinstrumente spielen. Dieser Kompositionsstil hat sich nicht nur seit den Musiken zu Chéri und Coco avant Chanel abgenutzt, sondern Desplat plündert dazu ausgiebig in den Arrangements seiner früheren Vertonungen. Immerhin stechen die kraftvollen Actionpassagen aus der gleichförmigen Vertonung etwas heraus, orientieren sich vorwiegend an John Williams (dem schon beim Mädchen mit dem Perlenohrring omnipräsenten Vorbild Desplats), ohne freilich dessen Klasse zu erreichen. So bieten beide Twilight-Musiken – so unterschiedlich sie auch sind – gleichermaßen Licht und Schatten. Hörenswertem stehen rein Filmdienliches oder abgenutzte Vertonungsstandards gegenüber. Burwells Herangehensweise ist sicher die interessantere und in ihrer Pop-Ästhetik näher dran am Zielpublikum. Das schönere Liebesthema hat jedoch Alexandre Desplat zu bieten.