The Scorpion King – John Debney: „Heavy Metal in der kalifornischen Wüste“

Der große Erfolg der Mumien-Filme von 1999 und 2001 blieb in Hollywood nicht folgenlos. 2002 startete mit The Scorpion King eine Spin-Off-Reihe, die der Figur des Skorpion-Königs Mathayus („The Rock“ – Dwayne Johnson) aus Die Mumie kehrt zurück eine eigene Serie von mittlerweile fünf Filmen bescherte. Weil die Karriere von Dwayne Johnson damals durch die Decke ging, ist der ehemalige Wrestling-Star allerdings lediglich im ersten Teil zu sehen. The Scorpion King siedelt seine Handlung weit vor der Handlung der Mumien-Filme an, in der Zeit vor dem Bau der großen Pyramiden, circa 3000 v. Chr. Die Hoffnung, einen filmisch vielleicht spekulativen, aber dennoch faszinierenden Einblick in diese untergegangene Epoche der Menschheitsgeschichte zu bekommen, zerschlägt sich bereits nach wenigen Szenen. The Scorpion King ist nämlich über weite Strecken ein äußerst tumbes Spektakel, das die Haudrauf-Mentalität des Wrestling-Stars in den Vordergrund rückt und sich nicht im Mindesten um historische Authentizität kümmert. So wurde der Film ausschließlich in Kalifornien gedreht, zum Teil in sehr künstlich wirkenden Studiosets, womit zu keinem Zeitpunkt echte Orient-Atmosphäre entsteht. Die Kostüme wirken wie aus der Fantasy-Altkleider-Sammlung zusammengeplündert, und Chuck Russell (Eraser, Bless the Child) inszeniert genauso hektisch wie ungelenk, irritiert dazu mit seltsamen Szenenauflösungen (wie in der Szene mit den roten Giftspinnen zu Beginn). Auch der Plot ist papierdünn: Über Gomorrha herrscht der despotische Memnon (Stephen Brand), der alle Nomadenstämme unterjochen will. An seiner Seite steht die Seherin Cassandra (Kelly Hu), die den Ausgang jeder Schlacht vorhersagen kann. Im Auftrag der letzten freien Stämme wird deshalb der Akkadier Mathayus geschickt, um Cassandra zu töten und Memnons Macht zu brechen.

Der Weg dahin ist gepflastert mit genauso blutleeren wie ermüdenden Kampfszenen. Und wenn sich ausnahmsweise mal keiner prügelt, hakt Russell lustlos die Orient-Klischees der Filmgeschichte ab, inklusive Taschendieb, unfreiwilligem Aufenthalt des Helden im Harem und einer nackten Schönheit, die aus einem Wasserbassin steigt. Angesichts so vieler Stereotype erstaunt es, dass dieser müde B-Movie in den USA rund 90 Millionen Dollar einspielen konnte, vier Fortsetzungen nach sich zog und bis heute sogar einen gewissen Kultstatus besitzt. Wie ärgerlich der Film ist, zeigt sich auch in der Filmmusik von John Debney, der die ersten Szenen von The Rock mit schrammelnden E-Gitarren begleitet. Diese Kick-Ass-Sensibilität mag auf den ersten Blick cool und lustig erscheinen, macht aber immer weniger Sinn, je länger man darüber nachdenkt. Denn eigentlich bezog Die Mumie ihren Reiz neben dem Humor aus den archaischen Schauwerten des alten Ägyptens, dem Staunen über antike Bauten, das durch die furiose Musik von Jerry Goldsmith bzw. Alan Silvestri gekonnt verstärkt wurde. Davon ist in The Scorpion King nur noch wenig übrig geblieben und das schadet dem Film merklich. Um den Unterschied in der Wirkung zu verstehen, reicht es schon aus, einmal in das offizielle Making-of zu schauen. Da werden die Filmausschnitte nämlich mit The Mummy Returns unterlegt und gewinnen allein durch Silvestris Themen plötzlich eine ungeahnte Dynamik.

Mit diesen Vorgängern kann John Debneys Beitrag leider nicht mithalten. Obwohl alle notwendigen Zutaten vorhanden sind, fällt seine Musik in nahezu allen Belangen gegenüber den Vorgängern ab. Zwar spielt das große Orchester, raunt der Chor majestätisch und gibt es viel orientalischen Zierrat. Doch nach dem Fehlstart mit den deplatzierten E-Gitarren findet die Komposition nie wirklich zu einer eigenen Identität. Das beginnt schon beim Schauplatz: Die Handlung spielt in Gomorrah, das Historiker – wenn es denn existiert hat – nicht in Ägypten, sondern am Toten Meer im heutigen Jordanien vermuten. Im Film wird der Ortswechsel aber nie ganz deutlich und so versucht auch John Debney gar nicht erst, in seiner Musik die prepharaonische Ära zu reflektieren. Vielleicht wäre das für einen banalen Unterhaltungsfilm wie The Scorpion King auch zu viel verlangt. Doch angesichts des stilistischen Durcheinanders auf der Tonspur wünschte man sich dann doch eine tragfähige konzeptuelle Idee, die die Musik über eine lose Aneinanderreihung von Klischees und Stereotypen hinausgehen ließe.

Das liegt zum Teil am Film selbst, dem es merklich an Atmosphäre mangelt und der sich nie so richtig entscheiden kann, ob er Actionkomödie, Historien- oder Martial-Arts-Film im Orient sein möchte. Insofern gibt es auch für Debney wenig zu holen. Zwar gelingt ihm ein markantes, durchaus attraktives Hauptthema mit Lawrence of Arabia-Vibe, doch die Bilder geben diesen epischen Atem nur selten her. Die Melodie scheint gelegentlich auf, um Orient-Flair zu verbreiten (in Stücken wie Camels Are Smarter, The Oasis oder dem wirklich schönen Finalstück The Scorpion King), doch die Kurzatmigkeit der einzelnen Szenen führt dazu, dass solche Momente nie lange anhalten, weil der Film schon wieder dem nächsten Gedanken hinterherhechelt. Bestes Beispiel dafür ist das Stück Pickpockets, welches in knapp drei Minuten gleich mehrfach Stimmung und Stil wechselt: Nach dem leichtfüßigen Beginn in Form eines kleinen Scherzos, gibt es eine kurze schwerfällige Passage mit wortlosem Schicksals-Chor, die dann wieder in den Scherzo-Modus übergeht, um dann in einem rasanter Action-Setpiece zu münden, das an The Mummy erinnert, bevor komödiantisches Mickey Mousing schließlich das Ende einleitet. Das nächste Stück, Failed Attempt beginnt dann mit gutturalem Kehlkopfgesang zu archaischen Trommelrhythmen, bleibt danach eher atmosphärisch, präsentiert aber im Finale plötzlich ein popsinfonisches Arrangement des Hauptthemas. Natürlich ist das alles dem rasanten Erzähltempo geschuldet, wirkt aber losgelöst vom Film dann doch schnell ermüdend.

Das Problem ist aber nicht nur die Wechselhaftigkeit, sondern der Umstand, dass man alles, was Debney hier präsentiert, trotz charmanter Einzelideen, in anderen Musiken schon weitaus besser gehört hat. Der erfahrene Hollywood-Routinier spult pflichtschuldig und routiniert alle musikalischen Orient-Stereotypen ab, die man sich denken kann. Doch nichts davon ist wirklich eigenständig oder charismatisch. Das gilt insbesondere auch für das frenetische Action-Scoring, in dem die Vorbilder von Goldsmith bis Williams stets präsent sind. Dazu orientiert sich der Chorgesang zum Finale in Die Well, Assassin einmal mehr an Carl Orffs Carmina Burana.

Immerhin weiß das prägnante Hauptthema zu begeistern. Der Funke springt trotzdem zu keinem Zeitpunkt wirklich über. Das liegt auch daran, dass es keine weiteren Themen oder Motive gibt, die markant in Erscheinung treten. Dazu gesellen sich noch zwei völlig andere Probleme: Die 2002 zum Filmstart veröffentlichte Soundtrack-CD klang leicht verwaschen. Die Deluxe Edition, die Varèse Sarabande 2025 in seinem CD-Club veröffentlicht hat, präsentiert zwar einen polierten Sound-Mix, der etwas frischer klingt. Doch die Freude darüber währt nur kurz. Denn offenbar wurde bei der Qualitätskontrolle geschlampt: Die orchestrale, zweite Hälfte von Message To Memnon ist nur in mauem Mono zu hören (was angesichts der klangschönen Streicherpassage ziemlich ärgerlich ist), bei Cassandra’s Bath fehlt ein Chor-Overlay und die ersten fünfzig Sekunden von A Small Demonstration werden von den letzten fünfzig Sekunden von Veiled Threat überlagert. Dazu hätte die Filmmusik mit 78 Minuten locker auf eine Scheibe gepasst. Varèse Sarabande streckt die Veröffentlichung mit zusätzlichen Demostücken, die den Entstehungsprozess beleuchten, auf zwei CDs. Doch wenn man das schon tut: Warum fehlt dann die Film-Version von The Scorpion King, obwohl dafür eigentlich mehr als genug Platz gewesen wäre?

Wie man das Blatt auch dreht und wendet: Debneys Scorpion King bleibt eine äußerst zwiespältige, unglückliche Angelegenheit. Die Musik ist viel zu heterogen gestaltet, um über Momentaufnahmen hinaus zu überzeugen. Sie wirkt genauso wild und konfus zusammengeschustert wie die filmische Vorlage selbst. Vielleicht ist The Scorpion King am Ende ein gutes Beispiel dafür, dass Filmproduzenten mit falschen Entscheidungen und Vorgaben wie dem Einsatz der E-Gitarren auch die Filmmusik in Schieflage bringen können. Aber selbst unter Berücksichtigung dieser Umstände vermag Debney nicht die Frage zu beantworten, warum man ausgerechnet seinen Scorpion King hören sollte, anstatt lieber nochmals die ersten beiden Mumien-Musiken von Goldsmith und Silvestri aufzulegen.

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