Im Hollywood-Kino gibt es eine große Sehnsucht nach der Unschuld des Blockbuster-Kinos. Noch einmal die Begeisterung entfachen, wie es einst Star Wars, E.T., Indiana Jones oder Terminator taten. Da das aber kaum möglich ist, versuchen viele Filmproduktionen zumindest ein wohliges Retro-Gefühl zu bedienen und das Publikum damit zu locken. Entsprechend wird geremixt, was die Kinogeschichte hergibt. Was einmal funktioniert hat, muss doch wieder funktionieren – so die Prämisse. Den Vogel in dieser Hinsicht hat Netflix mit dem Roboter-Spektakel The Electric State abgeschossen, eine 320-Millionen-Dollar-schwere Effekt-Extravaganz, die sich fröhlich durch die Film- und Seriengeschichte plündert, dabei aber im Grunde keinen einzigen eigenständigen Gedanken zustande-bringt. Wie schon bei Fallout wird – ohne Not – eine alternative Zeitlinie eröffnet: Und da startet die Digitalisierung deutlich früher: Bereits in den 50er-Jahren wurde die Welt durch KI-gesteuerte Roboter revolutioniert, die eines Tages nicht mehr den Menschen zu Diensten sein wollten und rebellierten. Nach einem großen Krieg zwischen Mensch und Maschine in den 90ern, den der Tech-Milliardär Ethan Skate (Stanley Tucci) durch seine Erfindungen für die Menschheit entscheiden konnte, wurden die Roboter in Reservate verbannt. Kurz darauf wird die junge Michelle (Millie Bobby Brown) von einem drolligen Roboter-Avatar im gelben Emoji-Look besucht, der sich als Alter Ego ihres Bruders entpuppt. Der ist eigentlich bei einem Verkehrsunfall tödlich verunglückt, wurde aber in Wahrheit aufgrund seines außergewöhnlichen IQs von Skate entführt und gefügig gemacht. Michelle macht sich auf zur Rettung. Die Spur führt direkt durch die sogenannte „Exklusions-Zone“, in denen die Roboter vom Staat zurückgedrängt wurden.

In seinen besten Momenten zitiert The Electic State, inszeniert von Anthony und Joe Russo, unterhaltsam und wohlig die Tropen des Kinos der 80er und 90er Jahre. Die putzigen Roboter sind kaum ernst zu nehmen, und auch dem Film geht es weniger um harte Science-Fiction als um puren Eskapismus. Und auch wenn man das alles bereits x-fach gesehen hat, bereitet es doch Spaß, Michelle und den Han-Solo-verdächtigen Draufgänger Keats (Chris Pratt) in ihrem Kampf gegen das Böse zu begleiten. Gerade die erste Hälfte funktioniert im Spannungsaufbau, wenngleich bereits da gefühlt zu viel Handlung umständlich aus dem Off erklärt wird. Leider fällt der Plot im weiteren Verlauf dann aber wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Dies liegt daran, dass sich keines der filmischen Versprechen des Beginns einlöst. Die angeblich gefährliche „Exklusions-Zone“ entpuppt sich als harmloses Ödland, bei dem unweigerlich die Frage aufkommt, woher die Roboter eigentlich ihre Energie und unsere Helden eigentlich Wasser und Essen zum Überleben beziehen. Noch absurder erscheint dann das Finale: Obwohl Ethan Skate den Krieg gewonnen hat, ist er nicht in der Lage, sein Hauptquartier wirkungsvoll gegen Angriffe von außen zu schützen. So gibt es am Ende eine Schlacht, bei der die Guten siegen. Doch sie tun dies, nicht, weil das besonders schlüssig wäre oder einer originellen Drehbuch-Wendung entspränge, sondern einfach, weil sie die Guten sind. Und die müssen ja schließlich gewinnen.
Kein Wunder also, dass die Kritiker im Internet vor Wut schäumten. The Electric State gilt schon jetzt als einer der Megaflops des Kinojahres 2025. Die Abrufzahlen bei Netflix sprechen allerdings eine ganz andere Sprache. Die viral gegangene Negativpresse scheint dann wohl doch den ein oder anderen Zuschauer erst recht dazu bewogen haben, nachzuschauen, ob der Film wirklich so schlimm ist wie behauptet. Und das ist er tatsächlich nicht. Der Shitstorm schießt wieder einmal weit über das Ziel hinaus. The Electric State ist zwar eine kommerziell knallhart kalkulierte Durchschnittsproduktion, weiß in Grenzen aber trotzdem passabel zu unterhalten. Es ist auch wahrlich nicht alles schlecht: Neben den perfekt getricksten Robotern gehört etwa die Filmmusik von Alan Silvestri (Zurück in die Zukunft, The Avengers) zu den positiven Elementen. Auch wenn der Routinier das Rad nicht neu erfindet, so schwelgt seine Musik doch in einem orchestralen Pathos, das unmittelbar an das Kino der 90er Jahre anknüpft. Satte Americana-Klänge, üppige Streichermelodik, Fanfaren und militärisches Schlagwerk bestimmen das Klangbild. Und das erstaunt. Denn dafür, dass so viel Roboter-Blech im Film zum Einsatz kommt, bleibt die Tonspur doch überraschend analog. Aber das passt natürlich durchaus zum anvisierten Retro-Charme, der direkt an das Unterhaltungskino von Steven Spielberg und Robert Zemeckis anknüpfen will.
In den Szenen, in denen die Inszenierung die enge Bindung zwischen Michelle und ihrem Bruder Christopher hervorhebt, funktioniert das besonders gut. Das markante Klavierthema (We are always connected, gespielt von Andy Massey) für die beiden Geschwister erzeugt eine menschliche Note und damit ein schönes Gegengewicht zur kühlen Technisierung der Mecha-Welt. Und wenn die Streicher in epischen Melodiebögen aufspielen, dann erinnert das durchaus an die Besiedlung der USA und die dunklen Kapitel im Umgang mit der indigenen Bevölkerung, wenn von Reservaten und Diskriminierung die Rede ist. Doch The Electric State ist ein viel zu trivialer Film, um solche Themen mehr als nur oberflächlich zu verhandeln. Und darüber kann man sich zu Recht ärgern, weil die Grundidee eigentlich großes Potenzial besäße. Doch alles muss sich der kommerziellen Marschrichtung unterordnen. Und so wird auch Silvestri kompositorisch kaum herausgefordert. So klangschön seine Musik ist, so sehr bewegt sie sich doch ausschließlich in vertrauten Bahnen, zitiert vor allem sein Werk der Vergangenheit. Das aber immerhin solide: Das Klavierspiel weckt Erinnerungen an Forrest Gump und die robusten Action-Stücke gehen bis zu den Tagen der Zurück in die Zukunft-Filme zurück. Das bereitet durchaus einigen Hörspaß und lässt immer wieder aufhorchen, etwa im erdigen Bluegrass-Sound mit Fiedel, Mundharmonika und Gitarre in The Dr. with the Glasses oder dem elegischen, bittersüßen Finale mit We’re Running Out Of Time / The Day is ours und We live. Doch leider sind die Hauptthemen dieses Mal nicht stark genug, um echte Begeisterungsstürme zu entfachen. Zudem besitzt die 80-minütige Soundtrack-Veröffentlichung einige Längen, sodass ein etwas durchwachsener Gesamteindruck entsteht. Aber ob man sich nun freut, vom mittlerweile 74-jährigen Silvestri, noch einmal eine Filmmusik in guter alter Americana-Tradition zu erhalten, oder gerade das für reichlich redundant hält: Am Ende kann die Musik den Film nicht retten und wärmt vor allem Altbekanntes zum x-ten Mal neu auf – zwar mit dem Können eines Routiniers, aber ohne große Inspiration. Die gab das Projekt aber wohl auch einfach nicht her.
Empfohlene Tracklist: 1. We are always connected / 2. The Year the World changed / 4. Kid Cosmo Arrives / 6. The Dr. with the Glasses / 8. Not Some Spring Break Hot Spot / 10. Scavenger Bots / 12. The Cradle Of A New Mechanized Civilization / 14. Nothing But Oil Stains And Screws / 16. The Butcher Of Schenectady / 19. Here’s Johnny / 20. Poor Taco / 23. We’re Running Out Of Time / 24. The Day is ours / 25. We live