Robot Dreams – Alfonso de Vilallonga: „Ein tierischer Stadtneurotiker“

Das Animationsfilm-Genre ist derart von der Hollywood-Ästhetik geprägt, dass man als Zuschauer bei einem Vertreter, der dieser nicht entspricht, immer ein paar Minuten braucht, um in die Geschichte einzutauchen. Das gilt auch für Robot Dreams von Pablo Berger (Blancanieves), der 2024 für den Oscar nominiert war, aber gegen die Studio Gibli-Produktion Der Junge und der Reiher das Nachsehen hatte. Der Film beginnt seine Erzählung so, als würde er sich eher an kleine Kinder richten. Im Mittelpunkt steht der einsame Hund „Dog“, der in New York lebt und sich nichts sehnlicher wünscht als einen Freund. In seiner Verzweiflung bestellt er sich im Internet einen Roboter. Und tatsächlich erfüllt sich der Traum: Einmal fertig montiert, wird dieser zu seinem Partner und Gefährten. Beide erleben wunderbare Tage zusammen. Ein Spätsommer-Tag am Strand endet allerdings verhängnisvoll: Robo stürzt sich ins Meer. Das Salzwasser und die heiße Sonne tun ihr Übriges. Robo kann sich plötzlich nicht mehr bewegen und Dog muss ihn schweren Herzens im Sand zurücklassen.

Spätestens ab diesem schmerzlichen Wendepunkt hat die Handlung nur noch wenig mit typischen Hollywood-Dramaturgien gemeinsam. Es gibt keine schnelle, einfache Lösung, die diesen Verlust in Wohlgefallen auflösen würde. Robot Dreams meint es ernst mit seinen zentralen Themen, erzählt anrührend und ohne Kitsch von der Einsamkeit in der Großstadt, der Ellbogengesellschaft und nicht zuletzt von Verlust und Neuanfang. Und auch visuell ist hier vieles anders: Die flächige, aber dennoch detailfreudige Animation könnte nicht weiter vom Fotorealismus der Pixar-Filme entfernt sein. Dazu kommt der völlige Verzicht auf Dialoge, der an Shaun das Schaf erinnert. Fast unmerklich entwickelt der kindhaft anmutende Film einen eigentümlichen Sog, wird zu einem bittersüßen und kauzigen Gesellschaftsporträt, das für Erwachsene und Kinder gleichermaßen Anknüpfungspunkte bietet. Vor allem ist Robot Dreams aber ein wundervolle Hommage an New York. Bevölkert wird die Metropole in Bergers Film jedoch nicht von Menschen, sondern ausschließlich von Tieren. Da spielt ein Oktopus im U-Bahn-Schacht Schlagzeug, betreiben Krokodile einen Schrottplatz und die neueste Flamme von Dog ist eine flotte Ente namens „Duck“. Die Vielfalt der Tierwelt ist hier die Vielfalt der Menschen und NY der große, unüberblickbare Schmelztiegel der Kulturen.

In seiner sanften Melancholie mag man bei Robot Dreams auch an Woody Allen denken, bei dessen Filmen der Jazz auf der Tonspur kaum wegzudenken war. So ist es auch hier. Alfonso de Vilallonga, der nach Blancanieves und Abracadabra zum dritten Mal mit Pablo Berger zusammengearbeitet hat, lässt die Abenteuer des Hundes und seines Roboter-Gefährten von einem Quartett, bestehend aus Klavier, Xylofon, Bass und Schlagzeug, begleiten. Der funkige Song September von Earth Wind and Fire wird zusätzlich zu einem euphorischen Leitthema für die Freundschaft zwischen Hund und Roboter und klingt deshalb auch gelegentlich in der Originalmusik an (wie etwa in Septemberizing Piano). Doch es sind die jazzigen Stücke, die den tierischen Stadtneurotiker in seiner Gefühlswelt von himmelhochjauchzend bis zu Tode betrübt genauso spielerisch wie bittersüß begleiten und damit die Klanglandschaft von Robot Dreams in besonderem Maße ausmachen. Da gibt es fröhlich-tänzerische Stücke wie Dog and Tin at the Beach oder Building Robot, die in ihrer auf und ab hüpfenden Einfachheit den Kinderfilm-Charakter unterstreichen. Doch sobald das Unheil Einzug erhält, mehren sich die melancholischen Klänge. Plötzlich verströmen nachdenkliche Klavierstücke wie Rusty Robot eine Wehmut, die tiefer geht, als man erwarten würde.

Villalongas Musik spiegelt, wie Bergers Film, raffiniert den Lauf des Lebens, den Wechsel von Lebensabschnitten, erfüllte und unerfüllte Träume, die Suche nach Seelenverwandten, das Auf- und Abebben von Glück und Unglück. Die kleine Besetzung, zu der hier und da einzelne Instrumente wie ein Akkordeon oder, für die Musical-Episode, ein Frauenchor tritt, sorgt dafür, dass die feinen Alltagbeobachtungen aus der Großstadt nie prätentiös wirken. Das „Kleine“ der Musik mit Klavier und Xylofon steht hier auch dafür, dass die Figuren in Robot Dreams einsame Suchende im Großstadt-Dschungel sind – wie viele andere auch, denen es ähnlich geht. Doch bei aller tierischen Stadtneurotik machen die kleinen, sehr schlank instrumentierten Jazz-Piecen vor allem musikalisch Spaß. Es sind charmante, gleichmütige Melodien, die nach ein paar Hördurchgängen überraschend prägnant erscheinen. Villalongas Komposition mag zwar nicht an die feinsinnige Subtilität von Laura Karpmans American Fiction heranreichen, aber das muss kein Nachteil sein. Robot Dreams besitzt mit seiner leichtfüßigen Stummfilm-Mentalität (allein die Soundeffekte bilden den Unterschied) eine viel größere Direktheit und Entspanntheit als die Oscar-nominierte Tragikomödie aus den USA. Vor allem ist es aber die europäische Sensibilität fernab von Hollywood, die das Besondere dieser kleinen, charmanten Filmmusik ausmacht.

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