The Woman in Cabin 10 – Benjamin Wallfisch: „Vertrautes Fahrwasser“

Zugegeben: The Woman in Cabin 10 ist einer derjenigen Thriller, nach denen ein paar Jahre später kein Hahn mehr kräht, die aber auf einem Streaming-Portal wie Netflix zumindest eine Weile lang gut funktionieren, weil sie die Lust auf einen fesselnden Krimiplot befriedigen. Denn die Prämisse verspricht durchaus Spannung: Keira Knightley spielt die ambitionierte Journalistin Laura „Lo“ Blacklock, die eigentlich nach einer aufreibenden Berichterstattung erst einmal Abstand von allem gewinnen will. Da kommt die Anfrage des Millionärs Richard Bullmer (Guy Pearce), dessen Frau Anne unheilbar an Leukämie erkrankt ist, gerade recht. Er bietet ihr an, mit auf eine Charity-Kreuzfahrt zu gehen. Ziel der Reise ist die Gründung einer Stiftung zur Krebsforschung. Doch natürlich hat das Drehbuch für die Reporterin anderes im Sinn als Erholung auf einer Luxusjacht. Eines Nachts wird Laura Zeugin an Bord, wie eine unbekannte Person von Bord stürzt. Das Problem nur: Niemand wird vermisst. Doch Laura ist sich sicher, dass es die blonde Frau aus der Kabine, Nr. 10 gewesen sein muss, der sie kurz vorher zufällig begegnet ist. Doch natürlich glaubt ihr niemand, alle Spuren verschwinden wie von Geisterhand, und besagte Kabine war angeblich gar nicht belegt. Hat sich Laura also alles nur eingebildet oder ist es ein Fall von veritablem Gaslighting?

Wer bereits den ein oder anderen Krimi in seinem Leben gesehen hat, kann sich diese Frage natürlich selbst beantworten. The Woman in Cabin 10 verläuft allein in vertrauten Bahnen, zitiert zahlreiche Vorbilder von Hercule Poirot bis Alfred Hitchcock. Gut geklaut ist halb gewonnen. Doch so ganz trifft dies hier nicht zu. Der eigentliche Plot selbst ist nämlich arg konstruiert und das Finale mutet regelrecht absurd an. Der Mörder, den man früh errät, gibt seine Tat einfach so zu. Wegen der vielen potenziellen Zeugen an Bord macht sein Plan rückblickend zu allem Überfluss auch nur wenig Sinn. Dass der Film dennoch passabel unterhält, liegt nicht nur am Dreh auf einer echten Jacht, sondern vor allem an der charismatischen Präsenz von Keira Knightley, die die Handlung mit ihrer Star-Power einigermaßen über Wasser hält. Insofern geht The Woman in Cabin 10 als halbwegs solide Thriller-Unterhaltung geradeso eben durch. Dafür muss man allerdings bereit sein, wohlwollend das ein oder andere Auge zuzudrücken.

Gleiches gilt auch für die Filmmusik von Benjamin Wallfisch (Desert Dancer). Die ist ebenso wenig originell, aber streckenweise durchaus stimmungsvoll. Die sehnsüchtigen, leicht abgründigen Streicher von The Yacht, die von Harfe und Klavier umspielt werden, lassen sofort wohliges Thriller-Feeling aufkommen. Ein Stück, das sich auch auf einem Downton-Abbey-Soundtrack gut gemacht hätte, ist Embarkation, mit reizvollem Violinsolo zu Beginn und einer Eleganz, die gut zu einem Krimi wie diesem passt. Wunderschön auch das abgründige Duett von Klavier und Cello im Titeltrack (The Woman in Cabin 10). Etwas schwächer fallen leider die reinen Suspense-Stücke im Mittelteil aus, in denen es nicht ohne geräuschhafte Effekte, statische Liegetöne der Streicher und elektronische Beats geht (Man Overboard, Interrogation, Carrie). Dennoch beweist Wallfisch mit seiner Vertonung, wie gut er mittlerweile die Klaviatur des Spannungskinos versteht. Das Hauptthema ist hörenswert, und wenn man eine rund 20-minütige Suite mit den Höhepunkten extrahiert (siehe unten), bereitet das einigen Hörspaß. Einziger Nachteil: Alles folgt x-fach gehörten Genre-Schablonen. So wie der Film von Simon Stone das Rad nicht neu erfindet, mangelt es auch der Musik an Charisma, um nennenswert aus dem Formelhaften auszubrechen. Essenziell ist Benjamin Wallfischs Beitrag also nicht, fühlt sich sogar eher etwas redundant an. Gleichwohl ist es aber sympathisch, dass eine Filmmusik mal wieder ein klein wenig an vergleichbare Vertonungen aus den 90er Jahren anknüpft.

Empfohlene Tracklist:

  1. The Yacht / 2. Embarkation / 3. Anne / 10. Norway / 11. The Gala / 12. The Woman in Cabin 10

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