Minimalistische Geburtstagsfeier: Die World Soundtrack Awards 2025

Ein Vierteljahrhundert. So lange vergibt das Film Fest Gent schon die World Soundtrack Awards (WSA), nachdem es bereits vorher einen Musikschwerpunkt besaß. Damals die erste Veranstaltung dieser Art, gibt es inzwischen einige Nachahmer, die um potenzielle Gäste mit Gent konkurrieren. Wer mit der Erwartung an die Jubiläumsveranstaltung heranging, dass zum Jubiläum besonders große Namen der Filmmusik (die Gent in der Vergangenheit durchaus beehrt haben) für das Galakonzert erscheinen, wurde allerdings enttäuscht. Zwar gab es 2005 gleich zwei Lifetime Achievement Award. einen für Philip Glass und einen für Michael Nyman. Doch leider waren beide Komponisten nicht vor Ort, um ihren Preis entgegenzunehmen. Glass sicherlich altersbedingt, er ist bereits 88. Bei der Bekanntgabe seiner Auszeichnung wurde zumindest in einem Video gezeigt, wie Dirk Brossé, der musikalische Leiter des Festivals, ihm den Preis in New York überreicht. Der Grund für Nymans Abwesenheit wurde dagegen nicht offiziell bekannt gegeben. Zumindest handelt es sich aber um zwei äußerst verdiente Ehrungen, da es kaum einen Filmkomponisten gibt, der nicht auf Techniken zurückgreift, die beide mitentwickelt haben. Auf Michael Nyman geht sogar der Begriff der „minimal music“ zurück. vor seiner Kinokarriere arbeitete er als Musikwissenschaftler und prägte damals in einem Aufsatz den Begriff.

Leider fehlten so aber offizielle Gäste für einen der drei Konzertblöcke, die es bei der Verleihung der World Soundtrack Awards immer gibt: einen für den central guest, einen für den Vorjahressieger in der Kategorie „Entdeckung des Jahres“ und einen für die Lifetime Achievement Awards-Sieger. Wahrscheinlich lud man deshalb stattdessen gleich zwei Stargäste ein: die Engländerin Debbie Wiseman und Indiens Filmmusik-Superstar A.R. Rahman. Rahman kann es im Hinblick auf Tonträgerverkäufe mit Größen à la Williams und Zimmer locker aufnehmen, weil ein erfolgreicher Bollywoodfilm in Indien schon mal von über 100 Millionen Menschen gesehen wird. In diesem Sinne war Rahman eben doch ein eher großer Name, nur eben hauptsächlich in seiner Heimat. Auch Debbie Wiseman ist hauptsächlich in ihrem Heimatland England populär. Sie macht nicht nur Filmmusik, sondern ist auch „Composer in Residence“ bei classic FM, dem größten Klassikradiosender der Welt, und komponiert auch für die königliche Familie.

Normalerweise dirigiert Dirk Brossé, aber da Debbie Wiseman auch dirigiert, durfte sie für ein Stück die Brüsseler Philharmoniker leiten.

Was dem Abend aber deutlich mehr fehlte als möglichst berühmte Komponisten, war der feierliche Rahmen, eine Rückschau auf das, was in der Vergangenheit geleistet wurde. Am Anfang gab es zwar ein kleines Gespräch zwischen einem belgischen Radiomoderator, der (auf Englisch) durch den Abend führte, und Maestro Dirk Brossé. Dabei fragte dieser Brossé, der von Anfang an musikalischer Leiter der World Soundtrack Awards war, welches für ihn die schönsten Momente in all diesen Jahren gewesen seien. Und Brossé erzählte von der Freude, die er den Nachwuchskomponisten bereite, wenn er ihre Musik zum ersten Mal mit einem Orchester spiele. Jenseits dieses kurzen Gesprächs gab es aber keinerlei Rückschau. Vorherige Gäste einzuladen, hätte vermutlich das Budget der Veranstaltung gesprengt, aber Grußbotschaften per Video hätten einige Komponisten sicher bereitwillig gesendet. 2020 wurde dies bereits beim 20. Jubiläum gemacht, damals zwar wegen der Coronapandemie, aber es wäre auch in diesem Jahr eine angemessene Geste gewesen. Stattdessen hielt man sich an das etablierte Programmschema, ohne Platz für feierliche Momente, sodass sich das WSA-Konzert wie das eines ganz normalen Jahres anfühlte. Dass die Blechbläser in Wisemans Konzertpart, insbesondere in der Suite aus Arsène Lupin deutlich ihren Einsatz versemmelten, half dann auch nicht dabei, eine besondere Atmosphäre zu erzeugen. Von den sonst sehr professionellen Brüsseler Philharmonikern ist man da eigentlich eher anderes gewohnt. Von diesem Schnitzer abgesehen war es immer noch ein solider Abend und Wisemans, Rahmans und Jerskin Fendrix‘ (letztjährige Entdeckung des Jahres) Musik durchaus ihres Auftritts im Konzertsaal würdig – aber zu einem 25-jährigen Jubiläum sollte der Abend nicht nur solide sein.

A.R. Rahman nahm den weiten Weg aus Indien auf sich, um vor Ort dabei zu sein. Foto (c) Jeroen Willems

Wie in jedem Jahr wurden auch 2025 die World Soundtrack Awards vergeben. Als Komponist des Jahres jubelte erneut Volker Bertelmann. Aus meiner Sicht tritt Bertelmann kreativ gerade etwas auf der Stelle, daher nicht unbedingt der bestmögliche Gewinner, aber einen richtig deutlichen Favoriten unter den Nominierten hatte ich auch nicht. Entdeckung des Jahres wurde Daniel Blumberg für The Brutalist, für dessen Score er bereits im März den Oscar gewann. Damit wird er im nächsten Jahr nach Gent eingeladen und seine Musik Teil der nächsten WSA-Zeremonie. Als bester Song wurde El Mal aus Emilia Perez gekürt, ebenfalls bereits mit dem Oscar ausgezeichnet. Die Sängerin und Mitkomponistin Camille ließ es sich nicht nehmen, vor Ort den Preis entgegenzunehmen. Das ist schon sehr ungewöhnlich. In der Kategorie gewinnen sonst meist weltberühmte Popstars, die naturgemäß eher selten zu einem kleinen Festival fahren. Der von Dirk Brossé so geschätzte Wettbewerb für Nachwuchskomponisten – Aufgabe in diesem Jahr: Neuvertonung einer Szene aus The Elephant Man – entschied der Koreaner Bongseop Kim mit einer ansprechenden modernistischen Partitur für sich. Ruben de Gheselle durfte sich über den Preis als bester belgischer Komponist freuen. Und bester TV-Komponist wurde Theodore Shapiro für seine Arbeit an der gefeierten Serie Severance. Der Preis für die beste Videospiel-Musik ging an den Franzosen Lorien Testard für das Spiel Clair Obscur: Expedition 33. Beim Public Choice Award fiel die Wahl ebenfalls auf eine Französin: Laetitia Pansanel-Garric gewann für ihre Musik zu Hola Frida, einem Animationsfilm über Mexikos berühmteste Malerin, Frida Kahlo.

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