Die Anzahl qualitativ zweitklassiger Filmproduktionen, die jedes Jahr auf Streaming-Portalen wie Netflix oder Amazon Prime Premiere feiern, ist mittlerweile kaum noch überschaubar. Dies hat zur Folge, dass viele Neuerscheinungen trotz zugkräftiger Stars in der Masse untergehen. Das gilt auch für Shane Blacks Actionkomödie Play Dirty, in der Mark Wahlberg den Meisterdieb Parker spielt. Die Figur basiert auf den Romanen des Schriftstellers Donald E. Westlake, die über die Jahrzehnte bereits mehrfach verfilmt wurden. Zu den bekanntesten Adaptionen gehören Point Blank (1967) mit Lee Marvin, The Outfit (1973) mit Robert Duvall und Payback (1999) mit Mel Gibson. Play Dirty ist nun Amazons Versuch, aus Parker ein gänzlich neues Franchise zu kreieren. Doch leider geht dieses Unterfangen gehörig schief. Der Film will in seiner Grundanlage vieles bieten: cooles Pulp-Kino mit 70er-Jahre-Vibes, einen mitreißenden Heist-Plot und spektakuläre Action-Sequenzen. Doch leider funktioniert davon von Anfang an nur sehr wenig. Shane Black schmeißt den Zuschauer mitten ins Geschehen, genauer gesagt in einen Raubüberfall, den Parker mit seiner Bande abzieht. Da gibt es bizarre Wortgefechte und die Diebe werden von einem Familienvater überrascht, der vor den Augen von Frau und Kind aus dem Nichts auf die absurde Idee kommt, die Räuber berauben zu können. Nach einer chaotischen, völlig irrsinnig verlaufenden Verfolgungsjagd auf einer Pferderennbahn mit schlechten CGI‑Tricks ist dieser Familienvater tot. Doch damit hält sich der Film nicht lange auf. Es ist ohnehin nur eine von vielen Leichen, allein in den ersten 15 Minuten: Die toughe Zen tötet nämlich alle Gangster bis auf Parker und verschwindet mitsamt der Beute. Parker schwört selbstredend Rache, kann Zen sogar stellen. Doch statt mit der Verräterin nun kurzen Prozess zu machen, wie er es sonst zu tun pflegt, lässt er sich von ihr – warum auch immer – dazu überreden, bei einem noch viel größeren Coup einzusteigen. Darin geht es um einen vom Meeresgrund geborgenen Goldschatz, den der Diktator eines südamerikanischen Staates an sich reißen will.
Es ist schon ein sehr wild zusammenfabuliertes Konstrukt, was das Drehbuch hier dem Zuschauer auftischt. Der Bodycount bleibt über den kompletten Film extrem hoch. Niemand hat irgendwelche Skrupel, Schauplätze in Schutt und Asche zu verwandeln und jeden abzuknallen, der hinderlich im Weg herumsteht. Viele gerade erst eingeführte Figuren beißen genauso fix ins Gras, wie sie aufgetaucht sind. Das weiß mitunter zu überraschen, wirkt aber meistens dann doch eher beliebig. Wie so vieles in Play Dirty – sei es, wie alle in kürzester Zeit problemlos die Ressourcen und Informationen für ihre Aktionen beschaffen können, sei es, dass Parker, obwohl seine Freunde getötet wurden, sofort neue Mitstreiter an seiner Seite weiß, oder wie wenig Polizei und Geheimdienste den Banden auf den Fersen sind trotz massiver Verwüstungen, Leichenbergen und diplomatischen Verwicklungen. Natürlich muss eine Actionkomödie nicht realistisch sein und darf auch hemmungslos übertreiben, wenn es denn der Unterhaltung dient. Doch Shane Blacks überbordender Inszenierung geht komplett das Gespür für Timing und Balance ab. Besonders deutlich wird dies bei der an sich spektakulären Entgleisung eines Abfall-Zuges in der Mitte des Films: Der Spannungsaufbau ist charmant (auch wenn es selten dämlich ist, dass der Ober-Mafioso ohne Not seinen geheimen Plan verrät), weil bei den “Helden” so einiges anders läuft als gedacht. Doch wenn der Zug schließlich wirklich von den Schienen stürzt, ist das nicht nur mies getrickst, sondern mündet auch in einem Inferno, das normalerweise keiner der Beteiligten unbeschadet überstehen dürfte. Doch irrwitzig unterhaltsam ist diese haarsträubende Szene ebensowenig, da die massiven Kollateralschäden an unbeteiligten Zivilisten eher einen unangenehmen Beigeschmack hinterlassen.
So ist Play Dirty am Ende wenig lustig, wenig spannend und vor allem wenig clever. Und auch die Besetzung vermag das Projekt nicht zu retten. Mark Wahlberg bleibt blass und die beste Figur macht da noch Rosa Salazar als Zen, auch wenn man ihr die toughe Kämpferin kaum abnimmt. Besser schneidet dagegen die Filmmusik des Routiniers Alan Silvestri ab, der mit stolzen 75 Jahren in Hollywood immer noch gut im Geschäft ist und sogar bereits fest für die nächsten beiden Avengers-Filme gebucht wurde. In seiner Musik kämpft er tapfer gegen den schwachen Film an, verströmt den Drive und den 70er-Jahre-Groove, die der Inszenierung leider abgehen. Gleich der Main Title mit dem unmittelbar ins Ohr gehenden Hauptthema verströmt James-Bond-Flair der 60er und 70er, um dann in einen lässigen Jazz-Modus überzugehen. Wie da Streicher und Klavier aufspielen, erinnert unmittelbar an Lalo Schifrin, John Barry, David Shire und John Williams. Diesem Stil bleibt Silvestri in der Folge treu. Jazztrompete, Kontrabass, Harmonium und Gitarren sorgen immer wieder für einen cleveren Retro-Sound zwischen Bond und Mission: Impossible. Dass die Komposition dabei nie altbacken klingt, liegt an der organischen Einbindung elektronischer Rhythmen, die Silvestri geschickt mit den akustischen Instrumenten bzw. dem Orchester ausbalanciert.
Höhepunkte aus Supsense-Sicht sind die dreiteilige Sequenz zur Zugszene (The Train) und die famose Christmas Chase. Wie Gitarre, rhythmisches Klavier und Percussion im ersten Teil langsam die Spannung aufbauen, ist ebenso gekonnt wie das an John Barry erinnernde Trompetenspiel im zweiten und dritten Teil. Im großartigen A Christmas Chase setzt sich das fort, wobei Silvestri sich hier auch direkt an Shires The Taking of Pelham 1-2-3 (1974) anlehnt. Bei so vielen lässig-coolen Funk-Vibes und Rhythmus-Spielereien braucht es ein romantisches Gegengewicht. Das wunderschön aufblühende Streicherthema (zu hören in Rob An Entire Country und A Real Lady) bietet ein solches, wobei es etwas schade ist, dass diese beiden Momente nur relativ kurz währen. Es ist schon erstaunlich, wie variantenreich Silvestri das Hauptthema in seiner Musik verarbeitet. Oftmals ist es nur motivisch zu hören. Man könnte fast sagen, dass es im Verlauf der einstündigen Komposition nahezu alle erdenklichen Spielarten der Filmmusiken von Agenten- und Heist-Filmen durchwandert. Und da ist man dann auch beim einzigen Kritikpunkt angesichts dieser äußerst unterhaltsamen, mit Elan und Pfiff gestalteten Vertonung angelangt: Sie funktioniert auch so gut, weil alles unglaublich vertraut klingt, fast ausschließlich altbekannte Stilvorbilder zitiert und rekombiniert. Das gelingt Silvestri bei Play Dirty aber immerhin so elegant, dass man diesen Einwand nur zu gerne beiseiteschiebt.
Play Dirty ist auf CD von La-La Land Records erhältlich.






