Die Kommerzialisierung des Weihnachtsfests ist natürlich seit langer Zeit auch in der Filmindustrie angekommen. Alle Jahre wieder gibt es Kinofilme jeglichen Genres zum Fest. Manche von ihnen wie Kevin allein zu Haus oder Tatsächlich… Liebe haben sich über die Zeit zu Klassikern entwickelt. Andere würden gerne diesen Status erreichen. Dazu gehört vielleicht auch der Netflix-Animationsfilm Klaus von 2019, der nicht nur für den Oscar nominiert war, sondern auch in der TOP 250 der Internet Movie Database zu finden ist (Platz 162 am 1.12.2025). Die Grundidee ist originell. Erzählt wird nämlich vom fiktiven Ursprung der Tradition, nach der Kinder Santa Claus ihren Wunschzettel schicken und am ersten Weihnachtsmorgen prall gefüllte Socken am Kamin vorfinden. Klaus erklärt das auf ganz eigene Weise: Der verwöhnte Reichensohn Jesper wird zur Strafe von seinem strengen Papa in das Dorf Zwietrachtingen am Nordpol versetzt, um dort das Postamt zu übernehmen. Er darf erst dann zurückkehren, wenn er sich bewährt hat und es schafft, mindestens 6000 Briefe zu frankieren. Doch der Name des kleinen Nests ist Programm: Hier bekriegen sich die Einheimischen in guter Tradition gegenseitig. Für irgendeine Form des Schriftverkehrs hegen sie deshalb naturgemäß keinerlei Interesse. Die Lage erscheint völlig aussichtslos. Doch dann trifft Jesper auf den Einsiedler Klaus, der in seiner Hütte Spielzeug herstellt. Mit der Hilfe des Bärtigen gelingt es ihm, den lange schwelenden Streit im Dorf beizulegen.
Menschen, die sich gegenseitig bekriegen und oft schon gar nicht mehr wissen, warum – das lässt sich leider immer noch rund um den Globus beobachten. Insofern besitzt Klaus zwangsläufig eine gewisse Tagesaktualität – zumal die wichtige Botschaft vermittelt wird, dass eine gute Tat die nächste anregen kann. Doch so sympathisch dieser Grundgedanke ist, so seltsam mutet es an, dass die Initialzündung hierfür ausgerechnet über Präsente stattfindet. Im Film handelt es sich zwar um nachhaltiges Holzspielzeug, doch die Aussöhnung in Zwietrachttingen gründet nicht in einer tieferen Einsicht, sondern wird quasi mit Geschenken erkauft. Übertrüge man diesen Appell auf unsere Realität, wäre es im Grunde ein eher fragwürdiger Appell zu mehr Konsum. So entsteht schnell der Eindruck, dass Klaus selbst ein wohlkalkuliertes Produkt im hart umkämpften Weihnachtsgeschäft ist. Das Drehbuch fabuliert sich zwar eine niedliche und gleichzeitig abstruse Legende zusammen, die an die Origin-Storys von Superhelden erinnert. Doch dieses unnötige Auserzählen von Mythen überlässt kaum mehr etwas der Fantasie. Gleichzeitig fehlen dem Kinderfilm wirklich zündende Ideen, Charme und Tiefe, um das geschickt zu kaschieren. Allzu vorhersehbar wird Jesper geläutert, findet seine große Liebe und meistert das letzte Scharmützel mit den konfliktliebenden Dorfobersten. Zumindest ist das Ganze aber wunderschön animiert: Der Wandel der Menschen drückt sich sehr elegant in der Bildsprache aus, die mit einer monochromen Farbgestaltung beginnt, in die langsam immer mehr Licht und bunte Farben einfließen, je mehr Geschenke verteilt werden und sich die Menschen in Zwietrachtingen beginnen auszusöhnen.
Eine gewisse Oberflächlichkeit muss man leider auch der Filmmusik von Alfonso G. Aguilar anlasten . Der Spanier illustriert die Handlung zwar kompetent mit großem Orchester und Chor. Doch es gelingt ihm trotz einer farbenfrohen Orchestrierung viel zu selten, über das rein Filmdienliche hinauszugehen. Zwar gibt es ein starkes festliches Hauptthema, das Aguilar immer wieder in den Instrumentengruppen des Orchesters auftauchen lässt. Doch leider kommt es viel zu selten zur vollen Entfaltung. Exemplarisch dafür ist die Szene, in der ein kleines Mädchen im Dorf einen hüpfenden Spielzeugfrosch als Geschenk erhält. Streicher und Chor schwingen sich mit dem Hauptthema zu einem kleinen Moment weihnachtlicher Glorie auf. Doch es bleibt bei diesem äußerst kurzen Musikeinsatz, der vielleicht auch eine Spur zu krampfhaft versucht, festliche Magie zu versprühen. Und so reizvoll das auch war: Nach 45 Sekunden ist dieses Highlight schon wieder vorbei.
Selten einmal besitzen Musikstücke so etwas wie eine Binnenstruktur: Einzig Changes bildet die rühmliche Ausnahme: ein fröhlicher Marsch, der zunächst mit Flöten und Trommeln beginnt, bis immer weitere Sektionen des Orchesters hinzutreten – und sogar The Battle Hymn of The Republic zitiert wird. Es ist ein effektvolles Sinnbild für die gute Tat, die in Zwietracht, ausgehend von den beschenkten Kindern, zu einer großen Bewegung heranwächst. Für Aguilar war Changes ein Schlüsselstück seiner Komposition, für das er nach eigenen Angaben, 43 Anläufe brauchte, um es richtig hinzubekommen. Solche guten Momente bleiben allerdings die Ausnahme. Viel zu hektisch wechseln Stile und Stimmungen. Zudem wirkt Aguilars illustrative Musik eher wie ein bemühtes Pastiche unzähliger Vorbilder aus Klassik und Filmmusik, ohne jemals eine eigene Handschrift zu entwickeln. Dies fällt auch dann unangenehm auf, wenn es im Film rührselig wird – und Aguilar den Kitsch auf der Tonspur sehr ungelenk mit Chor und süßlichen Streichern doppelt wie beim tränendrückenden Finale in Once A Year, I Get To See My Friend.
Völlig deplatziert wirken dazu die drei modernen Einlagen: der Rap in Don’t Mess With The Postman, der seichte Popsong Invisible und das lounge-artige I’ve Got Someone Covering For Me. Wenn man bedenkt, dass Klaus eigentlich erzählen will, wie alles anfing mit dem Weihnachtsmann, und sich damit im 19. Jahrhundert verortet, erscheinen solche Zugeständnisse an den Zeitgeschmack schon ziemlich anachronistisch. Genauso irritierend wirken der Einsatz des bekannten Hochzeitsmarsches zu Beginn von I’m coming Love oder die kurze Western-Einlage in Rodeo. Dass sich in Klaus dennoch eine Reihe gelungener Momente verbergen, beweist die knapp 10‑minütige Orchestersuite, die am Anfang des Soundtracks steht. Hier zeigt sich Aguilars Filmmusik gänzlich von ihrer besten Seite, da diese komprimierte Version im Grunde bereits alle relevanten Höhepunkte vorwegnimmt. Die Komplettfassung erweist sich dagegen als eher wechselhaftes Vergnügen mit viel Leerlauf, das kaum über die vollen 58 Minuten Laufzeit trägt und eben leider – aus kommerziellen Erwägungen – auf völlig unnötige musikalische Gimmicks setzt. Das war vermutlich eine Vorgabe der Produzenten. Denn der Film muss sich ja schließlich verkaufen.






