Der einsame Revolverheld in Schneller als der Tod ist eine Frau. Das war anno 1995 zwar keine große Sensation mehr, aber doch noch selten genug, um (ähnlich wie im Falle von Am wilden Fluss (mit Meryl Streep) oder dem „Frauen-Western“ Bad Girls) für die ein oder andere Schlagzeile zu sorgen. In dem Western von Sam Raimi verkörpert Sharon Stone (Basic Instinct) die klassische Clint Eastwood-Rolle des einsamen Loners mit Sinn für Gerechtigkeit und der schnellen Hand am Colt. Die von ihr gespielte Ellen will sich aufgrund einer traumatischen Kindheitserinnerung am sadistischen Gangster Herod (Gene Hackman) rächen. Dieser „alte weiße Mann“ hat nahe der mexikanischen Grenze eine Kleinstadt unter seine Kontrolle gebracht und veranstaltet einen grausamen Shootout-Wettbewerb, dessen einzigem Überlebenden ein Sack voller Geld winkt. Zu den illustren Teilnehmern gehören der junge Leonardo Di Caprio als übermütiger „The Kid“, der damals noch eher unbekannte Russell Crowe (Gladiator) als Priester und Action-Veteran Lance Henriksen (Aliens) als angeblicher Meisterschütze aus dem hohen Norden.
Wirklich etwas neues vermochte Raimi dem Westerngenre mit The Quick and the Dead allerdings nicht hinzuzufügen. Sein Film bedient in erster Linie altbekannte Klischees: alle Hauptfiguren sind perfekte Schützen, die Nebenfiguren dagegen wahlweise raffgierige Blender oder heruntergekommene Trinker mit schlechten Zähnen, die ihr Ziel im entscheidenden Moment verfehlen. Wie in 12 Uhr Mittags spielt die Handlung an einem einzigen Ort. Doch anders als bei Zinnemanns großartigem Klassiker verpasst es das Drehbuch, der Gesellschaft durch präzise Charakterzeichnung den Spiegel vorzuhalten. So bleibt es bei einzelnen guten Momenten: Nicht neu, aber doch beklemmend sind etwa die Szenen, in denen die raffgierige Meute wie Hyänen das Hab und Gut eines gerade Erschossenen plündert. Stark auch ein anderer kleiner Handlungsstrang: Da nähert sich ein Mann im Saloon immer wieder einem jungen Mädchen, um sie zu prostituieren, bevor Ellen dieses Ansinnen letztendlich verhindern kann. Doch insgesamt inszeniert Raimi zu comichaft, als dass solchen Beobachtungen wirklich eine größere Bedeutung zufiele. Im Gegenteil: Wenn Pistolenkugeln den Kopf des Gegenübers durchdringen, dabei jedoch kaum Blut spritzt und die Kamera geradewegs durch das Einschussloch auf die andere Seite blickt, dann bringt Raimis vor allem seine schwarz-humorige Splatterfilm-Vergangenheit ins Spiel.
So ist The Quick and the Dead in vielem ein Kind der 90er-Jahre, ein solider, aber schlussendlich eher trivialer Western, der sich nicht so richtig zwischen morbidem Unterhaltungskino, feministischem Aktivismus und Gesellschaftskritik entscheiden kann. Dieser Inkonsistenz zum Trotz macht der Film aber dennoch Spaß: Das Ensemble ist gut aufgelegt, die Geschichte flott erzählt und der filmische Charme jener Jahre gut gealtert. Vor allem die ungewöhnlichen Kameraperspektiven von Dante Spinotti (Heat, Der letzte Mohikaner) werten den Film auf. Dazu gesellt sich die süffige Filmmusik von Alan Silvestri, der Mitte der 90er ein gefragter Komponist war und ein Jahr zuvor für Forrest Gump sogar seine erste Oscar-Nominierung erhalten hatte. Erwartungsgemäß erfindet Silvestri das Rad bei einem so den Vorbildern verpflichteten Western aber nicht neu. Seine Arbeit steht deshalb eindeutig in der Tradition von Ennio Morricone, dessen Stil er souverän mit dem typischen orchestralen Action-Scoring der 90er-Jahre verbindet.
Insofern erklingen hauptsächlich erwartbare musikalische Western-Elemente: Gitarre, Trompete, Pfeifen und Peitschenhiebe verströmen mexikanisches Flair. Das pathetische Hauptthema ist ein attraktiver Ohrwurm, der reizvoll durch die Instrumente von Gitarre, Trompete bis zu den Streichern wandert. Mit dieser eingängigen Melodie lenkt ganz Silvestri geschickt davon ab, dass die Musik wie die Inszenierung kaum ernsthaftes Interesse zeigt, tiefer in die mexikanische Folklore, die Psychologie der Figuren oder die besondere Atmosphäre des Schauplatzes einzutauchen. Das wird auch in den Action- und Suspense-Stücken deutlich, die den Western-Kontext häufig verlassen und auch gut in jeden anderen Genrefilm der damaligen Zeit gepasst hätten. Das sinistre Klaviermotiv für den Bösewicht Herod könnte etwa auch einem Psychothriller entstammen. Andere Querbezüge finden sich in der Gunfight Montage, bei dessen langsamen Spannungsaufbau sich Elfmans Batman (1989) ebenso wie Kilars Dracula (1992) als Temptrack heraushören lassen. Diese Zugeständnisse an den Zeitgeschmack dürften darauf zurückzuführen sein, dass man das Westerngenre wenn schon nicht inhaltlich, dann zumindest doch auf der Tonspur etwas entstauben und der Handlung eine gewisse Dringlichkeit verleihen wollte.
Tatsächlich funktioniert dieser eigentümliche Stilbruch besser als man denken würde: Es gibt zahlreiche Höhepunkte: das lakonische Redemption mit pfiffigem Peitschenknallen und Solo-Gitarre, die sehnsüchtig schmachtenden End Credits oder das melancholische I Didn’t Wanna Die erzeugen stimmungsvolles Western-Flair. Gleichzeitig sorgen die eher kühlen Action- und Suspense-Stücke dafür, dass die Musik nicht ausschließlich in altbekannten Klischees badet. Dieser Kontrast lässt The Quick and the Dead sogar noch etwas frischer wirken, als Silvestris verwandter Musik zu The Mexican, die ein paar Jahre später entstand. Wünschenswert wäre allein eine verlängerte Version. Die zum Kinostart von Varèse Sarabande veröffentlichte (und nur noch gebraucht erhältliche) CD umfasst zwar die wichtigsten Schaustücke, ist mit 32 Minuten Laufzeit aber arg knapp geraten. Nicht nur fehlt mancher reizvoller Moment der kompletten Musik. Auch die Dramaturgie von Silvestris Komposition lässt sich in dieser Kurzfassung bestenfalls erahnen. Da ginge sicherlich mehr. Und die Chancen dafür stehen vermutlich nicht schlecht. Denn angesichts der Popularität Silvestris und dem beliebten Genre dürfte eine expandierte Ausgabe der unterhaltsamen Filmmusik wohl nur eine Frage der Zeit sein.