Challengers – Trent Reznor & Atticus Ross: „Bis zur Erschöpfung“

Zwei Männer, eine Frau, viel Schweiß und noch mehr Tennisbälle: Mit Challengers, seiner ersten von zwei Regiearbeiten in 2024, gelang Luca Guadagnino (Call me by your name) ein veritabler Überraschungshit an den Kinokassen. Damit profitierte er zweifellos auch vom aufsteigenden Stern von Zendaya, die allerspätestens seit den ersten beiden Dune-Filmen von Denis Villeneuve in aller Munde ist. Ihre Ausstrahlung dürfte viele Zuschauer zum Kinobesuch verleitet haben, und ihre Ausstrahlung als Tenniswunderkind Tasha ist es auch, der im Film die beiden befreundeten Tennisspieler Paul und Art erliegen. Beide konkurrieren um die Gunst der jungen Frau und möchten gleichzeitig ihre Sportkarriere vorantreiben. Challengers beginnt und endet mit dem Finale eines Grand Slam-Vorbereitungsturniers, in dem sich beide gegenüberstehen. Im Publikum sitzt Tasha, symbolträchtig genau in der Mitte platziert. Wem ihre Sympathien gelten, sieht man nicht. In Rückblenden erzählt der Film die Geschichte des Trios, vom ersten Kennenlernen, ersten Tenniserfolgen, einer schweren Verletzung, nach der Tasha ihre eigene Karriere begraben muss, bis hin zur Familiengründung und dem Wiedersehen nach vielen Jahren.

Doch Challengers ist kein typischer Sportfilm, bei dem das Gewinnen oder Verlieren im Vordergrund steht. Viel mehr wirkt der Aufbau wie eine Versuchsanordnung, bei der sich die Beziehungen der drei Hauptcharaktere untereinander auf dem Tennisplatz spiegeln. Einfachstes Beispiel dafür ist der jeweils aktuelle Spielstand beim Finale, der dem entspricht, wer gerade in den Rückblenden die besseren Karten bei Tasha hat. Auch die „Dreier“-Szene im Hotelzimmer (die viel harmloser ist, als es der Trailer vermuten lässt) spiegelt raffiniert die filmische Konstruktion: Zunächst küssen sich alle drei. Doch plötzlich zieht sich Tasha zurück und schaut nur noch den beiden Männern zu – eine Konstellation, die sich beim Endspiel wiederholt, wenn Art und Paul als Widersacher ein letztes Mal aufeinandertreffen und Tasha erneut die Beobachterrolle einnimmt. Diese Doppelung und gleichzeitig der konsequente Fokus auf das zentrale Beziehungs-Dreieck, bei dem Nebenfiguren nur vereinzelt am Rande vorkommen, machen viel vom Reiz von Challengers aus. Ganz nebenbei lädt der gelungene Film dazu ein, über die Bedeutung von Erfolg zu reflektieren, sei es in der Liebe als auch im Leistungssport und wie sich beides gegenseitig bedingt.

Zu einem besonderen Taktgeber der Handlung wird auch die Musik von Trent Reznor und Atticus Ross (Oscar-gekrönt für The Social Network und Soul). Mit harten Techno-Rave-Rhythmen, die an die 90er Jahre und erinnern und damit an jene Zeit, in der Reznors Band Nine Inch Nails erstmals durchstartete, treibt das Duo die Handlung mit unwiderstehlichem Drive voran. Das funktioniert in zweierlei Hinsicht großartig: zum einen verleiht es dem Film eine gewisse zeitgemäße Coolness. Zum anderen steht das Unermüdliche der groovigen Beats auch für die obsessive, um sich selbst kreisende Welt der Tennis-Tour in der ewigen Wiederkehr von Turnieren, Erfolgen und Misserfolgen – was im übertragenen Sinne wiederum auch für das Beziehungs-Dreieck zwischen Art, Paul und Tasha gilt. Interessant sind in dieser Hinsicht auch die Vokalanteile: Über dem Titel-Track Challengers, der beim Filmende wieder aufgegriffen wird, ertönt ein gesampeltes „bong bing bong ding dong“ – natürlich ein Verweis auf die Ballwechsel beim Tennis, gleichzeitig aber auch so spöttisch intoniert, dass es den Ernst des Wettkampfes ironisch bricht. Gleiches gilt für das offensichtlich mit Tasha verbundene Yeah x10, das mit dem müden „Yeah“ das pubertierende Begehren der Jungs mit überzogener Lässigkeit auf den Punkt bringt. Dazu passt auch, dass Reznor & Ross die romantische Strandszene zu Beginn mit eher düsteren Klavierläufen (L’Oeuf) begleiten, die bereits die späteren Konflikte andeuten.

Auch wenn die Musik also die Handlung nicht direkt illustriert, gibt es immer wieder kleine Hinweise und Bezugnahmen auf die Geschichte. So scheinen Reznor & Ross den Rave im letzten Filmdrittel auch bewusst zu übersteuern. Da wirken die Beats zunehmend monoton und vielleicht auch eine Spur ermüdend – und laufen damit parallel zu den Liebesbeziehungen, die sich überdauert haben. Gleichzeitig hat der überdrehte Tennis-Zirkus alle über die Jahre ausgebrannt. Dies kulminiert in dem erschöpfenden Finalmatch, bei dem das Gewinnen für die Protagonisten plötzlich jegliche Bedeutung verliert. Und damit stellt sich in Challengers unwillkürlich die Frage, was am Ende übrigbleibt, von der Jugend und der heißen Liebe, von den großen sportlichen Ambitionen und vom Erfolg, der nicht ewig wiederholbar ist. Mit der geschickten Gegenüberstellung von Karriere-Anfang und -Ende hat Luca Guadagnino gleichzeitig einen bemerkenswerten Film über die Vergänglichkeit inszeniert. Dafür steht auch Benjamin Brittens Choral Friday Afternoons, Op. 7: A New Year Carol, der an frühere Zeiten erinnert: einmal zu hören in originaler Form zu Beginn und einmal in einer verfremdeten elektronischen Variante, als Tasha nach langer Zeit Art wiedertrifft.

Rein musikalisch gesehen bleibt dagegen ein fulminanter Rave-Soundtrack übrig, der funkelt und mit eingängigen Rhythmen Coolness und Sexiness verkörpert, ohne völlig der eigenen Illusion zu verfallen. Großartig ist auch der starke Abspannsong Compress/Repress, der die Musik mit einem weiteren Höhepunkt beendet. Das hat alles schon großen Unterhaltungswert. Während Reznor & Ross in den letzten Jahren nur selten für filmmusikalische Furore sorgen konnten, dürfte Challengers deshalb nicht nur bei Fans von Trent Reznor oder Nine Inch Nails bestens ankommen. So überrascht auch der Gewinn des Golden Globes für die beste Filmmusik 2024 nicht wirklich. Für eine Oscar-Nominierung reichte es dann allerdings – zur Überraschung vieler – nicht mehr. Aber vielleicht passt das irgendwie auch zum Geist des Films: Erfolg lässt sich eben nicht beliebig wiederholen.

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