Atonement – Dario Marianelli

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Die Geräusche der Anschläge einer Schreibmaschine durchziehen die Verfilmung von Ian McEwans Abbitte – Atonement als wiederkehrendes Schlüsselsymbol: Die 13jährige Briony wächst am Vorabend des zweiten Weltkriegs – gesegnet mit einer überbordenden Fantasie und einem Talent fürs Schreiben – abgeschieden auf einem herrschaftlichen Anwesen auf. Sie schwärmt für den Sohn des Verwalters, den aber eine Affäre mit ihrer älteren Schwester verbindet. Als sie die beiden Liebenden zusammen erwischt, verleumdet sie in ihrer Enttäuschung den jungen Mann kurzerhand der Vergewaltigung an einem anderen Mädchen. Diese fatale Lüge zerstört die aufkeimende Romanze ihrer Schwester, führt den Verleumdeten ins Gefängnis und lässt ihn schließlich als Soldat in den Krieg ziehen. Die ganze Tragweite ihrer Tat wird Briony erst viele Jahre später bewusst. Das Schreiben hilft ihr dabei, die auf ihr lastende Schuld zu verarbeiten.

Musikalisch wurde das Drama um Schuld und Sühne vom Italiener Dario Marianelli betreut, der nach Stolz & Vorurteil zum zweiten Mal mit Regisseur Joe Wright zusammengearbeitet hat. Die Idee, das Tippen einer Schreibmaschine als Overdub in die Musik zu integrieren, ist keinesfalls neu, wurde z.B. schon von Christopher Young 1992 in Scary – Horrortrip in den Wahnsinn – The Vagrant verwendet. Doch wie Marianelli vor allem in der ersten, noch auf dem Landgutssitz spielenden Hälfte des Filmes, die Schreibmaschine rhythmisch in das Spiel des Orchesters integriert, besitzt in der Filmdramaturgie eine Pointiertheit und Präzision, wie man sie im Kino dieser Tage nur selten vorfindet. Die Schreibmaschine selber wird zur raffinierten Metapher für den Akt des Geschichterzählens und -erfindens, der Briony ein Leben lang begleitet.

Die eigentliche, weitgehend kammermusikalisch gehaltene Partitur besitzt zwei zentrale Themen: eines für Briony, ein manisch-rhythmisch getriebenes Motiv, das ihre Besessenheit unterstreicht und ein verhaltenes Liebesthema (in Track 2 von der Klarinette vorgestellt und von Klavier/Cello aufgegriffen), das bereits auf den tragischen Verlauf der Geschichte hindeutet. Ein drittes Thema wird in der „Elegy for Dunkirk“ vorgestellt, ein Stück, das im Film die beinahe surrealen Szenen vor dem Hintergrund des Kriegsschauplatzes nach der Schlacht von Dünkirchen begleitet: Eine elegische Streicherthema wird hier einem vom Chor gesungenen Psalm gegenübergestellt – quasi ein bedrückendes Requiem auf den Wahnsinn des Krieges.

Ohnehin handelt es sich um eine sehr ruhige, durchgehend melancholisch gestimmte Komposition, die neben den treibenden Passagen (siehe oben) von einem lyrisch-elegischen Tonfall gekennzeichnet ist. Dementsprechend stützt sich auch die Orchestrierung vorwiegend auf das Spiel von Streichern, Holzbläsern und Klavier. Wenngleich Marianelli hier und da recht einfache Ostinati (von Klavier und Streichern) verwendet, gelingt ihm insgesamt eine betörend subtile Musik, in der er sehr geschickt mit den genannten Themen arbeitet. Seine Vertonung funktioniert zwar – der Einsatz der Schreibmaschine mag dabei eine Frage des individuellen Geschmacks sein – auch ohne Bilder vorzüglich. Ihren großen Erfolg (der Gewinn des Golden Globes und beste Oscar-Chancen) verdankt sie aber wohl erst der herausragenden Wirkung im Film. Erfreulicherweise zählt Atonement in beiderlei Hinsicht zu den besten Filmmusiken des Jahrgangs 2007.

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