The Musketeer – David Arnold: „Schlechtes Timing“

Wenn ein Roman so oft verfilmt wurde, wie Die drei Musketiere von Alexandre Dumas, dann steht jede neue Adaption vor der Herausforderung, sich von den Vorgängern abzusetzen, etwas anders zu machen, als man es bereits kennt. Keine leichte Aufgabe, wie auch Peter Hyams erfahren musste, als er 2001 eine eigene Version in die Kinos brachte. Sein The Musketeer tut das, was sein abgewandelter Titel gewissermaßen andeutet: Er konzentriert sich ganz auf die Hauptfigur D’Artagnan und degradiert seine Mitstreiter Athos, Porthos und Aramis zu bloßen Statisten, die keine große Rolle mehr für die Handlung spielen. Und auch die Romanhandlung dreht das Drehbuch von Gene Quintano ziemlich gegen den Strich: D’Artagnans geliebte Constance wird hier zu Francesca (Mena Suvari). Mit dem einäugigen Febre (Tim Roth) gibt es einen völlig neuen Bösewicht und Mylady de Winters Rolle im Roman wird radikal eingekürzt. Stattdessen inszeniert Hyams den Abenteuerroman als Action-Spektakel, dem der Stuntkoordinator Xin Xin Xiong einen merklichen asiatischen Anstrich verleiht, was sich vor allem beim Finale mit dem Showdown auf den Leitern und dem Seil-Kampf am Burgturm bemerkbar macht, zwei Szenen, wie sie so auch im Wuxia-Genre vorkommen – möglicherweise eine unmittelbare Reaktion auf den beachtlichen Kinoerfolg von Ang Lees Tiger & Dragon.

Doch The Musketeer lässt alles vermissen, was gutes Abenteuerkino auszeichnet. Die Art und Weise, wie D’Artagnan hier bereits in den ersten Szenen als allen überlegener Held eingeführt wird, der auch schon mal der Schwerkraft trotzend durch die Lüfte fliegt oder ein Gefecht austrägt, während er gleichzeitig auf Weinfässern balanciert, nimmt der Handlung jegliche Spannung. Das könnte vielleicht sogar funktionieren, wenn Justin Chambers in der Hauptrolle nicht so fürchterlich blass bliebe und der irrwitzige Humor im Vordergrund stünde. Doch das Gegenteil passiert. Eher lustlos und trivial spult der Film die frei interpretierte Romanhandlung ab. Alle Figuren bleiben stereotype Abziehbilder. Allen voran das Talent von Catherine Deneuve als Königin und Stephen Rea als Kardinal Richelieu erscheint völlig verschenkt. Und weil in The Musketeer kaum etwas funktioniert, funktioniert selbst die orchestrale Filmmusik von David Arnold nicht. Bezeichnend dafür ist bereits der Vorspann, über dem das triumphale Hauptthema erklingt. Die Melodie, die unmittelbar an Stargate und Independence Day anknüpft und zugleich den Swashbucklern des klassischen Hollywood alle Ehre macht, ist ein regelrechter Ohrwurm. Doch die ziemlich bieder designten Grafiken geben diese Grandezza überhaupt nicht her. Auffällig ist zugleich die völlig fehlende Bezugnahme auf das Frankreich des 17. Jahrhunderts. Arnolds Musik bleibt mit wenigen Ausnahmen komplett dem Orchestersound Hollywoods verpflichtet.

Schwierigkeiten gibt es auch beim Timing. In der Szene in der Taverne müsste das heroische Hauptthema sofort präsent sein, als D’Artagnan sich in den Konflikt einmischt und beginnt, für das kleine Mädchen zu kämpfen. Doch es setzt zeitlich etwas versetzt ein und ist zu leise abgemischt, was der Szene ihre Pointiertheit raubt. Angeblich besaßen Hyams und Arnold generell unterschiedliche Vorstellungen, wie Szenenübergänge zu vertonen sind. So äußerte Arnold sich in einem Interview überraschend offen: „Es gab Aspekte, die ziemlich ungewöhnlich waren und mit denen ich mich etwas unwohl fühlte. Er [Peter Hyams] mag keine Musik, die über Cuts hinweggeht; er mag es nicht, wenn die Musik vor oder nach einem Schnitt beginnt. Er möchte, dass die Musik auf den Punkt genau auf dem Schnitt endet, was sich für mich immer so anfühlt, als würde es den Film fragmentieren.“ Tatsächlich entsteht beim Sehen der Eindruck, dass die Inszenierung zu keinem Zeitpunkt in einen Fluss kommt, der es dem Zuschauer erlaubt, in die Handlung einzutauchen. Es dürfte vermutlich nicht der einzige Streit um die Vertonung gewesen sein. Denn in vielen Momenten irritiert der Musikeinsatz mit seltsamen Entscheidungen: Das gilt insbesondere für das zarte Liebesthema, zunächst von Gitarre und Harfe zu hören in D’Artagnan und Francesca (später wieder aufgegriffen in Down by the River), das für einen klassischen, wenig subtilen Abenteuerstoff wie diesen viel zu unscheinbar anmutet.

Es steht zudem in einem scharfen Kontrast zum Action-Scoring. Und hier liegt dann auch die zentrale Schwäche der Komposition. Denn der orchestrale Bombast erinnert zu sehr an die vorangegangenen Arnold-Musiken, wirkt deshalb eher anonym und konturlos. Am markantesten ist da noch das Fechtkampf-Motiv (Fight Inn), welches Arnold im Ladder Fight wieder aufgreift, das reizvoll das Aufeinanderschlagen der Klingen illustriert. Ansonsten ist aber kein echter Bezug zu den Musketieren erkennbar. Und wenn Arnold doch einmal das königliche Bankett mit einer feierlichen Fanfare (Mansion Impossible ab 0:49 Min.) eröffnet, dann ist das stets ein kurzer, für sich alleinstehender Moment ohne sonderliche Bindung zur restlichen Komposition. So fällt vor allem auf, was fehlt: Das Noble im Grundgedanken, gemeinsam für Ehre und Gerechtigkeit zu kämpfen, findet in der Musik keine Entsprechung. Überhaupt besitzen Film und Musik überhaupt kein Interesse am historischen Kontext, machen aus der komplexen Handlung eine comic-hafte Hollywood-Farce ohne großen Unterhaltungswert. Ein wenig wirkt Arnolds Musik wie am Film vorbeikomponiert. Und das ist schade, weil sie ohne Bilder eine deutlich bessere Figur macht. Da kommen die durchaus klangschönen Variationen des Hauptthemas viel prägnanter zur Geltung – was auch daran liegen mag, dass Arnold die CD-Version in London extra neu einspielte, weil er angeblich mit der aus vertraglichen Gründen in Berlin vorgenommenen Filmaufnahme unzufrieden gewesen war.

Das rettet die unterhaltsame CD-Fassung ein klein wenig. Richtige Begeisterung stellt sich dennoch nicht ein, und das mag auch daran liegen, dass The Musketeer am Ende einer damals stattfindenden Zeitenwende stand. Hans Zimmers Gladiator hatte ein Jahr zuvor bereits eine ganz andere Art der Vertonung von Historienstoffen etabliert, die stilbildend für die nachfolgenden Jahrzehnte werden sollte. Der Fluch der Karibik sollte diese Herangehensweise zwei Jahre endgültig bestätigen. Der traditionelle Orchestersound war im Blockbuster-Kino in vielen Fällen nicht mehr gefragt (es sei denn, der Komponist hieß John Williams). Und diese Entwicklung haben Hyams und Arnold völlig verpasst. Den Mut, die Geschichte der Musketiere konsequent auf links zu drehen und clever zu modernisieren, besaßen beide nicht. Gleichzeitig war aber auch eine werkgetreue Adaption keine ernsthafte Option. So blieb The Musketeer kreativ auf halbem Wege stecken und floppte geradezu fürchterlich. Es sollte damit leider auch die letzte der großen orchestralen Musiken David Arnolds abseits seiner James-Bond-Arbeiten sein. Der Misserfolg der Dumas-Verfilmung und der parallele Aufstieg von Zimmer & Co. brachten seine Karriere nachhaltig ins Trudeln – wofür Arnold selbst womöglich aber nur wenig konnte. Die Zeiten hatten sich einfach geändert. Schlechtes Timing und Pech: Allein schon der Veröffentlichungstermin des Soundtracks in den USA kann im Nachhinein als schlechtes Omen gesehen werden: Die CD kam nämlich am 11. September 2001 auf den Markt.

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