Am letzten Tag des 25. Internationalen Filmfest in Braunschweigs gab es noch den ein oder anderen Film zu entdecken. Vor allem das unprätentiöse Drama The Slut erweist sich als kleiner Geheimtipp des diesjährigen Filmprogramms.
The Slut (Israel/D 2011)
Irgendwo auf dem Land in Israel: Eine junge Frau namens Tamar, Mutter zweier Kinder, schläft für kleine Gefälligkeiten mit den Männern im Dorf. Als sie sich in den Tierarzt Shay verliebt, versucht sie, mit ihm eine monogame Beziehung aufzubauen. Dieser kümmert sich aufopferungsvoll um die Kinder. Doch die scheinbare Harmonie ist nur von kurzer Dauer. Sie vermisst ihre alten Freiheiten und auch die Männer im Dorf sehen die Beziehung mit Argwohn.
Durch die karge, fast dokumentarische Inszenierung, wirft The Slut so manche Fragen auf: Sind die Affären der Mutter ein sexueller Eskapismus, der es ihr erlaubt, dem tristen Alltag zu entfliehen? Oder sind sie aus der Not geboren, die kleine Familie versorgen zu müssen? Der leise erzählte Film gibt auf diese Frage allerdings keine eindeutige Antwort. Die Kameraeinstellungen wirken distanziert, geredet wird nicht viel und es gibt auch keine Filmmusik, die Stimmungen suggerieren würde. So fällt dem Zuschauer die spannende, aber nicht leichte Aufgabe zu, aus Blicken und Gesten die Gefühlswelt und Motivationen der Figuren abzulesen.
The Slut ist ein ruhiger Film über das Thema Freiheit und wie unterschiedlich Menschen diesen Begriff für sich definieren. Die Regisseurin Hagar Ben Asher, die auch gleichzeitig die Hauptrolle spielt, gelingt ähnlich wie der polnische Film My Name is Ki ein einfühlsames Porträt einer jungen Mutter, die unter schwierigen Bedingungen ihren Alltag meistert. Auch wenn die ruhige Erzählweise dem Zuschauer Geduld und Aufmerksamkeit abverlangt, entwickelt The Slut eine spröde Schönheit, die lange nachhallt.
Top Floor, left Wing (Frankreich 2011)
Die Komödie Top Floor, left Wing aus Frankreich geht ein kleines Wagnis ein: Erzählt wird nämlich die Geschichte einer Geiselnahme in einem Vorort einer Großstadt und das in Form einer grotesken Komödie: Ein junger Drogendealer aus Algerien nimmt durch turbulente Umstände unter den Augen seines entsetzen Vaters einen einfachen Gerichtsvollzieher als Geisel. Schnell wird der dringend renovierungsbedürftige Wohnblock von Polizeieinheiten und Presse belagert, während sich das in der Wohnung verbarrikadierte Trio irrsinnige Wortgefechte liefert.
Leider funktioniert in Top Floor, left Wing trotz der originellen Grundidee nur wenig: Der Geiselnahme-Plot ist zu ernst, als dass er der Komödie Platz zur Entfaltung gäbe, wirkt gleichzeitig aber zu unglaubwürdig, um wirklich zu fesseln. So pendelt der Film unentschlossen zwischen den Genres. Die Charaktere bleiben eindimensional, die Dialoge ohne Biss. Der Film plätschert deshalb leidlich unterhaltsam seinem eher unbefriedigenden Ende entgegen.