Die menschlichen Dramen, die sich an EU-Außengrenzen abspielen, sind oft nur schwer zu ertragen, wenn Nachrichten davon erzählen, wie wieder ein überfülltes Boot im Mittelmeer sinkt, Feuer in Flüchtlingscamps ausbrechen oder sich vor gesperrten Grenzübergängen unmenschliche Szenen abspielen. Die Profiteure einer gescheiterten Migrationspolitik sind skrupellose Schleuser. Sie leben vom Elend der anderen. Einer davon ist Sam (Ashraf Barhom), der an einem türkischen Hafen syrische Flüchtlinge aus Containern empfängt. Zu ihnen gehört die zwölfjährige Amal (Jwan Alqatami) aus Aleppo, die unterwegs von ihren Eltern und Geschwistern getrennt wurde. Doch noch bevor man sie in einen Bus zur Weiterfahrt verfrachten kann, stürmt die Polizei das Gelände. Sam und Amal fliehen zusammen in höchster Not. Es ist der Start einer Odyssee, die das ungleiche Paar quer durch Europa über Griechenland und Bulgarien bis hin nach Schweden führen wird.
Auf ihrem Weg entsteht eine ungewöhnliche Freundschaft zwischen dem ruppigen Menschenhändler und dem jungen Mädchen, das verzweifelt versucht, die eigene Familie wiederzufinden. Abbe Hassan inszeniert beider Reise in Exodus als berührendes Road Movie, das zwangsläufig an vielen Schauplätzen von Flucht und Migration vorbeiführt. So landen Sam und Amal in einem illegalen Flüchtlingslager irgendwo in Griechenland, stehen vor der geschlossenen bulgarischen Grenze oder müssen sich im dunklen Inneren eines Lkw-Containers verstecken. Das alles geschieht vor der Kulisse eines verheißungsvollen Europas. „Es ist wunderschön hier“ entfährt es Amal einmal angesichts der im Abendlicht wunderschön funkelnden Küstenorte an der griechischen Küste – im krassen Gegensatz, zu den Strapazen, die vor und hinter ihr liegen.
Die großen Härten spart der Film dabei aus. Dass längst nicht jeder Container sein Ziel erreicht, spielt zwar eine Rolle. Die wahren Ausmaßen des Leids und der Strapazen passieren aber vorwiegend im Off. Das erweist sich als gute Idee: Denn anstatt mit den allgegenwärtigen Nachrichtenbildern zu konkurrieren, vertraut der Film ganz auf die leuchtenden Augen von Jwan Alqatami, die in ihrem Debüt allein durch ihre lebendige Natürlichkeit die Handlung trägt. Es ist der leise Humor und die Chemie zwischen den ungleichen Protagonisten, die es Zuschauern erleichtert, sich abermals auf das Thema Flucht einzulassen. Natürlich trägt Exodus dadurch zwangsläufig auch märchenhafte Züge. So sieht man Amal etwas die Folgen des Krieges, des Verlusts der Heimat und der beschwerlichen Reise kaum an. Wie sie mit ihrem unerschütterlichen Optimismus Sam dazu bringt, ihr zu helfen, erscheint zudem nur wenig glaubhaft. Doch gleichzeitig ist es dieses Finden von Menschlichkeit im Unmenschlichen, das Exodus zu einem derart berührenden und überaus sympathischen Film macht.