„Wenn das Recht scheitert“ – Es brennt

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Am 1. Juli 2009 wurde die türkische Handballnationalspielerin Marwa el-Sherbini bei einer Verhandlung vor dem Landgericht Dresden vor den Augen ihres 3-jährigen Sohnes von dem im Prozess angeklagten rechtsradikalen Alex Wiens erstochen. Ihr Ehemann erlitt durch den Messerangriff lebensbedrohliche Verletzungen. Ein Polizist hielt ihn zu allem Überfluss versehentlich für den Täter und schoss ihm ins Bein. Alles das konnte passieren, weil es trotz einer vorherigen Morddrohung und der rassistischen wie Islam-feindlichen Einstellung des Täters während der Verhandlung keinerlei Sicherheitsvorkehrungen gab.

In Es brennt erzählt Erol Afşin die Vorgeschichte dieses erschreckenden Falles, der damals viel Aufsehen erregte. Wir sehen die friedlich in Deutschland lebende Familie, er ist Arzt, sie Pharmazeutin – beide perfekt integriert, abends schaut man alte Filmklassiker. Wir erleben den Vorfall auf dem Spielplatz, bei dem der Rechtsradikale (der hier Franz heißt) vor Zeugen Marwa el-Sherbini (die im Film den Namen Amal trägt), als Islamistin, Schlampe und Terroristin beleidigt, nachdem sie ihn lediglich freundlich gebeten hat, ihrem kleinen Sohn die Schaukel freizugeben. Es kommt zur Anzeige, doch der Rechtsweg entpuppt sich als beschwerlich. Nicht nur, weil sich die Familie wiederholt vor Gericht den volksverhetzenden rassistischen Tiraden des Nazis ausgesetzt sieht, sondern auch weil dieser nach dem ersten Urteil in Berufung geht und das Martyrium kein Ende zu nehmen scheint. Als das Gericht in der zweiten Verhandlung das Urteil bestätigt und das Strafmaß sogar noch erhöht, drehen bei Franz alle Sicherungen durch.

Ohne Zweifel verdient Es brennt allein dafür Beachtung, dass der Film an diesen schon etwas in Vergessenheit geratenen Mord aus rechtsradikalen Motiven erinnert – nicht zuletzt, weil Rassismus und Islamfeindlichkeit seit dem keineswegs abgenommen haben. Doch leider ist das deutsche Drama ein sehr durchwachsener Film geworden. Das liegt an mehreren Ungelenkheiten in der Inszenierung. So wirkt der den Konflikt auslösende Spielplatzstreit seltsam konstruiert, man nimmt Nicolas Garin den verblendeten Rechtsradikalen schlichtweg nicht ab. Auch der finale, in die Kamera gesprochene Schluss-Monolog Amals (die ansonsten mit viel Präsenz von Halima Ilter gespielt wird), wirkt verkopft und wenig überzeugend, so sehr man ihm inhaltlich auch zustimmen möchte. Denn dass in Deutschland geborene Muslime keine andere Heimat haben, in die sie nach dem rechten Narrativ zurückkehren könnten, dass sie immer noch viel zu oft diskriminiert und rassistisch beleidigt werden, bleiben Themen, denen sich unsere Gesellschaft stellen muss. Doch in seiner schlichten Plakativität schadet Es brennt womöglich dem wichtigen Ansinnen mehr, als er ihm nützt. Denn während der Film bei einem Großteil seines Publikums offene Türen einrennt, macht er es den anderen mit seiner Agitation zu leicht, ihn als „linke Propaganda“ zu verunglimpfen. Das ist schade. Denn es gibt durchaus starke Momente: Beklemmend, wenn der schüchterne Sohn der Mutter erklärt, dass er Schaukeln nicht mehr möge. Auch der Gewaltakt am Ende ist in seiner Plötzlichkeit ein Schlag in die Magengrube, der dank der präzisen, aber zurückhaltenden Kameraarbeit besonders eindringlich gerät.

Vielleicht kommt der Film aber auch einfach zu spät. Durch den eskalierenden Nahost-Konflikt hat die Diskussion um Zuwanderung & Integration längst eine neue Dimension bekommen. Angesichts von antisemitischen Parolen und dem Feiern der Terrorakte der Hamas durch Muslime im öffentlichen Raum stellt sich zudem zwangsläufig die Frage, wie sehr die Zugewanderten zur Rechtsstaatlichkeit in ihrem Land stehen. Natürlich rechtfertigt das keinen Rassismus. Und natürlich war Es brennt bereits lange vor der tagesaktuellen Entwicklung abgedreht und behandelt ein Ereignis, dass mittlerweile 14 Jahre zurückliegt. Doch angesichts der gegenwärtigen Nachrichten und Bilder wirkt der Film seltsam abstrakt und akademisch. Und das ist letztendlich enttäuschend, weil der Kampf gegen Rassismus und alle Formen von Diskriminierung eigentlich jede Unterstützung verdient.

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