Das Grauen klopft an die Tür. Zumindest in Knock at the Cabin, dem inzwischen 15. Film von M. Night Shyamalan (The Sixth Sense, Old). Die 8-jährige Wen verbringt mit ihren Vätern Andrew & Eric die Ferien in einer abgelegenen Waldhütte, als eines Tages vier Fremde Einlass begehren und sich diesen schließlich mit Gewalt auch verschaffen. Sie seien gekommen, um die Apokalypse zu verhindern, behaupten sie. Und um die Schuld der Menschheit zu sühnen und den Untergang der Welt zu verhindern, sei die kleine Familie auserwählt worden, unter sich ein Menschenopfer zu bestimmen. Doch sind es verblendete religiöse Fanatiker, die sich ihre Visionen nur einbilden oder steht wirklich das Ende der Welt bevor? Die Antwort auf diese Frage lässt die Romanvorlage (in Deutschland unter dem Titel Das Haus am Ende der Welt erschienen) letztendlich offen. Shyamalan liefert hingegen in seiner Interpretation – und das hat ihm viel Kritik eingebracht – eine mehr oder weniger eindeutige Auflösung an. Die ist zwar nicht unproblematisch, wird aber zumindest mit eindrucksvoller Konsequenz verfolgt. Vor allem die erste Stunde des Films bietet geradezu ein Lehrstück in Sachen Spannungsaufbau. Mit der verstörenden Eröffnungssequenz, in der Wen im Vorgarten spielt und Grashüpfer fängt, beginnt ein hochspannender „Home Invasion“-Thriller, der vor allem deshalb so eindringlich gerät, weil die Eindringlinge eben keine eiskalten Killer sind, sondern ihnen die Verzweiflung und der Druck, unter dem sie stehen oder zu stehen glauben, merklich ins Gesicht geschrieben steht.
Wie schon Signs leidet Knock at the Cabin allerdings darunter, dass der Film einen Hang zum verschwurbelt Reaktionär-Religiösen besitzt, der das fragwürdige Opfer-Narrativ zu keinem Zeitpunkt ernsthaft hinterfragt. Das ist gleichermaßen irritierend wie ärgerlich. Doch meint Shyamalan das wirklich ernst? Zumindest wäre durchaus eine andere Lesart denkbar, die nach dem Verhältnis von Familie und Gesellschaft fragt: Die kleine Familie hat sich nämlich – aufgrund schlimmer Erfahrungen mit Homophobie – in der abgelegenen Hütte von anderen Menschen isoliert. „My home is my castle“ – könnte ihr Motto lauten. Doch wenn sich alle wohlmeinenden Menschen derart von jeglicher sozialer Verantwortung freisagen, überlässt man damit nicht zwangsläufig anderen Akteuren, religiösen Spinnern oder homophoben Rechtsradikalen, die Bühne? Und für die beiden Väter wird dies schließlich mit diesen merkwürdigen „vier Reitern der Apokalypse“, die nichts Gutes im Schilde führen, zum Boomerang. Der Weltuntergang ließe sich dann im übertragenen Sinne auch als selbsterfüllende Prophezeiung deuten.
Es würde zu dieser Interpretation passen, dass die Musik der Newcomerin Herdís Stefánsdóttir die biblischen Konnotationen der Geschichte in ihrer Arbeit nicht aufgreift. Stefánsdóttir, die ihre Karriere als Praktikantin unter Jóhann Jóhannsson (Arrival) begonnen hat, orientiert sich stattdessen am klassischen Hollywood-Kino, insbesondere den Arbeiten von Bernard Herrmann für Alfred Hitchcock. Eine direkte Hommage ist ihre Musik aber dennoch nicht geworden. Dafür ist sie zu sehr in modernen Arbeitsprozessen verankert: Elektronische Soundeffekte gehören hier ebenso zum Klangbild wie das Orchester. Dazu erfolgte eine massive digitale Nachbearbeitung, sodass Streicher, Klavier und Bassklarinette selten in originaler Form zu hören sind. Doch wenngleich Stefánsdóttir in einem ähnlichen Arbeitsumfeld startete wie ihre isländische Landsfrau Hildur Guðnadóttir (Joker, A Haunting in Venice), folgt sie mit ihrer Musik doch viel stärker der filmischen Dramaturgie als es ihre berühmte Kollegin meist tut. Dabei gibt es auch eine rudimentäre formale Struktur, ausgehend vom atmosphärischen Prologue über abgründige Spannungsstücke, wiederkehrende treibende Rhythmik bis hin zum tragischen Finale inklusive Shyamalan-typischer Katharsis.
Gerade zu Beginn der Komposition gelingt es der Komponistin auf faszinierende Weise, das schleichende Unbehagen und das zunehmende Bedrohungspotenzial musikalisch zu illustrieren. Wenn die Streicher in Knock at the Cabin und Breaking In in Psycho-Manier die Messer und Sägen wetzen lassen und das verfremdete Klavier dazu abgründig spielt, dann ist das äußerst effektvoll und steigert die nervenzehrende Spannung bis zum Siedepunkt. Leider flacht die Komposition im Mittelteil dann doch merklich ab. Kühle Elektrosounds spiegeln da vor allem das Gefühl des Ausgeliefertseins der Protagonisten. Interessant wird erst so richtig wieder in den letzten drei Stücken: In Sacrifice and Departure/Diner/Epilogue – wenn elegische Streicher und Klavierspiel einen genauso melancholischen wie versöhnlichen Abschluss herbeiführen. Dieses Finale ist so stark, dass es fast schon ein wenig schade ist, dass Hildur Guðnadóttir die recht schönen thematischen Akzente nicht stärker durch ihre Komposition fließen lässt und durch motivische Verzahnung auf sie hinarbeitet. So bleibt ihr Beitrag abseits der gelungenen Ansätze und einiger raffinierter Klangwirkungen nämlich zu bildbezogen, um durchgehend zu fesseln. Aber das liegt natürlich auch an Shyamalans Film selbst, der den Schwebezustand der Ungewissheit möglichst lange auskosten will, um die Spannung aufrecht zu halten. Das ist verständlich, wirkt aber dieses Mal ziemlich unglücklich, weil es reichlich Raum gibt, um seinen Film völlig falsch zu verstehen – sofern man ihm denn zugesteht, dass er kein religiöser Fanatiker ist. Etwas mehr an Identität und Präzision hätten Knock at the Cabin gutgetan und das gilt auch für die ansonsten solide Musik der vielversprechenden Newcomerin.