
Das kongolesische „Transit and Orientation Centre“ im Goma betreut unter dem Banner von UNICEF ehemalige Kindersoldaten, um sie wieder an ein Leben in Freiheit zu gewöhnen. Sie bleiben in der Regel aber nur wenige Monate, bevor sie wieder entlassen werden. Einer dieser ehemaligen Krieger im Dienste des Militärs ist Brávo, der sich seine Kriegsbemalung, zwei blaue Streifen im Gesicht, selbst jetzt noch im Gesicht aufträgt. Die einzige Sprache, die er kennt, ist die des Kämpfens und Tötens. Der unmenschliche Drill ist ihm in Fleisch und Blut übergegangen. Alles das muss er nun im Camp entlernen. Das gestaltet sich erwartungsgemäß schwierig: Er beleidigt andere, tritt um sich, weigert sich „Frauenarbeit“ zu verrichten und tötet aus Hunger ein Kaninchen. Erst nach und nach entledigt sich Brávo der Gestik und den Ritualen des Krieges. Das funktioniert vor allem über den Kontakt mit den anderen Kindern. Beim Capoeira-Tanz verliebt er sich in ein junges Mädchen und lernt durch den Sport ein neues Körpergefühl jenseits der Mechanik des Kampfes kennen.

Alle diese Erlebnisse in Stéphane Vuillet und Stéphane Xhroüet dokumentarisch anmutenden Spielfilm basieren auf realen Begebenheiten. Beide haben vor einigen Jahren in Goma eine Filmschule für Kinder eröffnet. Die ehemaligen Kindersoldaten spielen sich in Katika Bluu im Grunde selbst. Das eröffnet einen rauen, ungeschminkten Blick in dieses Auffangzentrum, das lediglich aus ein paar einfachen Baracken und der notwendigsten Infrastruktur besteht. Viele Szenen sind beklemmend: Besonders eindringlich ist die, in der Brávo zu Beginn in seiner unbändigen Wut die Köchinnen als „Nutten“ beleidigt, die man bei den Truppen im „Wald“ vergewaltigen würde und diese ihm anschließend eine bittere Lektion erteilen. Einmal rennt er aus dem Camp weg und muss bitterlich erfahren, wie sehr ehemalige Kindersoldaten in der Zivilgesellschaft geächtet werden. Und so verläuft auch das heißt ersehnte Wiedersehen mit der eigenen Mutter ganz anders als man denken könnte.
Trotz solcher Härten bleibt Katika Bluu ein hoffnungsvoller Film, der den Blick eher vorwärts denn zurück richtet. Anlass zu großem Optimismus besteht aber trotzdem nicht: Von einer professionell begleiteten Rückführung an die Zivilgesellschaft kann nämlich keine Rede sein. Nach maximal dreimonatigem Aufenthalt im Auffangzentrum gehen die Jungen einer ungewissen Zukunft entgegen. Entweder kehren sie zu ihren Familien zurück oder müssen, wenn das nicht möglich sein sollte, alleine klarkommen. Dass Stéphane Vuillet und Stéphane Xhroüet mit ihrem äußerst eindrucksvollen Film auf dieses besondere Schicksal aufmerksam machen, gefiel den Machthabern in der Republik Kongo übrigens überhaupt nicht. Beide Belgier dürfen keinen Fuß mehr in das vom Krieg gebeutelte Land setzen. Die von ihnen gegründete Filmschule existiert aber zum Glück weiterhin.