Noch einmal Dungeons & Dragons im Kino? Nach dem Totalflop der 2000er-Verfilmung mit Jeremy Irons war bei der Neuauflage von 2023 durchaus Skepsis angebracht. Doch Jonathan Goldstein & John Francis Daley, selbst Fans des Rollenspiels, ist mit ihrer Version Dungeons & Dragons – Ehre unter Dieben das Kunststück gelungen, der Vorlage gerecht zu werden. Sie präsentieren den Fantasy-Stoff als rasantes, selbstironisches Abenteuer. Chris Pine spielt den Barden Edgin Darvis, der nach dem Tod seiner Frau vom rechten Weg abgekommen ist und sich als Dieb seinen Lebensunterhalt verdingt. Als ein letzter großer Beutezug fehlschlägt, landet er mit seiner Gefährtin Holga im Straflager. Als sie entkommen, stellen sie fest, dass sie beim Heist betrogen wurden. Die am Raub beteiligte Zauberin Sofina und der gierige Egomane Forge (Hugh Grant) haben sich zusammengetan, um Reichtum und Weltherrschaft zu erlangen. Das geht natürlich so gar nicht. Und so vereinen sich Edgar, Holga mit dem Zauberer und der Druidin Doric, um dem Aufstieg des Bösen Einhalt zu gebieten. Klingt trivial? Ist es im Grunde auch. Doch das Regie-Duo entgeht einer gewissen Austauschbarkeit im Genre durch ein gut aufgelegtes Ensemble und einer Reihe toller filmischer Einfälle: Großartig etwa die Monty Python-verdächtige Sequenz, bei der die Helden auf einem Schlachtfeld Gefallene exhumieren, die durch einen magischen Spruch ein letztes Mal fünf Fragen beantworten können – was sich in der Praxis bei der Suche nach wertvollen Hinweisen als äußerst schwarz-humoriges Unterfangen erweist. Grandios getrickst ist zudem die Action-Sequenz, in der ein magisches Portal, das später den Zugang zu einer Schatzkammer verschaffen soll, in eine fahrende Kutsche bugsiert werden muss. Wie hier die Perspektiven wechseln, sich die Schwerkraft auflöst und am Ende doch ein großes Hindernis steht, zeugt von einem Ideenreichtum, wie er zuletzt im Mainstream-Kino selten geworden ist.
Allerdings gibt es auch Schwachpunkte: Der Weltenbau fällt bei aller inszenatorischen Rasanz doch eher generisch und oberflächlich aus. Rollenspiel-Fans werden im Detail zwar genügend Anknüpfungspunkte finden, durch das hohe Erzähltempo bietet selten Raum, tiefer in dieses Fantasy-Reich einzutauchen. Das wäre zu verschmerzen, wenn das Komödiantische die Oberhand besäße, doch Goldstein & Daley wollen gleichzeitig eine mitreißende Abenteuer-Geschichte erzählen – das gelingt aber nur in Ansätzen, weil Plot & Figuren zwar sympathisch sind, letztendlich aber viel zu stereotyp bleiben. Auch Zimmer-Schüler Lorne Balfe hat mit dem Stoff so seine Probleme, weil die schnelllebig aneinander gereihten Szenen wenig Platz für eine ausgefeilte Musikdramaturgie lassen. Immerhin weiß er diesen Mangel durch starke melodische Einfälle zu kaschieren: Das liebliche Trink-Lied Juice of the Vine, das Edgin und Holga immer wieder im Verlauf der Handlung anstimmen, eröffnet in der orchestralen Variante das Album (I Wasn’t Always A Thief) und wird schnell zum Ohrwurm. Aber auch Haupt- (Dungeons & Dragons) und „Gefährten“-Thema (Thick as Thieves) wissen zu begeistern. Es sind mitreißende Themen, die Freundschaft & Heldentum feiern, und prima mit den Bildern funktionieren. Da geht Balfe mit Orchester, Chor und Dudelsack in die Vollen. Das verfehlt seine Wirkung nicht. Doch leider bleiben diese Momente, dem hohen Erzähltempo geschuldet, meist kurzatmig und wirken im häufigen Crescendo, wenn der Chor raunend oder Stakkato-singend dazu tritt, immer wieder überproduziert. Strenggenommen badet die Musik auch viel zu sehr in den Klischees irischer Folklore, die zwar stimmungsvoll ist, es aber verfehlt, dem D&D-Universum eine eigene charismatische Klanglandschaft zu geben.
Stattdessen schmeißt Balfe unzählige Ideen in die kreative Waagschale: Jede noch so kleine Nebenfigur erhält ein eigenes Motiv oder Thema. Das Problem nur: Die Komposition fängt mit dieser leitmotivischen Basis wenig an. Das ist auch kein Wunder, geht es dem Film im Grunde doch darum, zu zeigen, dass die Gruppe nur dann, wenn alle zusammenarbeiten, gegen das Böse bestehen kann. Entsprechend verschwinden die einzelnen Leitmotive so schnell, wie sie gekommen sind. Etwa führt Magic Show Melee den unsicheren Zauberer Simon zwar recht originell mit einem Cembalo zu elektronischen Beats ein, doch wird dieser Einfall danach sofort wieder fallen gelassen. Und so geht es vielen Motiven, die anstatt sich einzuprägen, im überbordenden Stilmix untergehen. Deutlich wird das vor allem in der zweiten Hälfte, wenn sich der Konflikt zuspitzt. Mit kreischenden Soundeffekten, einem inflationären Einsatz der Chöre und Drumloops vertont Balfe die Action-Stücke völlig generisch. Würde er nicht in der ein oder anderen Kadenz eines der Hauptthemen zitieren, könnte man davon sprechen, dass er den ambitionierten leitmotivischen Überbau komplett über Bord wirft. Das ist auch deshalb so ärgerlich, weil der Film ansonsten viel Charme versprüht. Eine vergleichbare Liebe zum Detail sucht man auf der Tonspur allerdings vergeblich. Balfe, bei dem derzeit ein Projekt das nächste jagt, konnte das wohl nicht leisten, was auch der Einsatz von sechs im Abspann ausgewiesenen Co-Komponisten nahelegt.
Umso erstaunlicher, dass er zum Kinostart gleich drei Alben veröffentlichte: eines mit der rund 90-minütigen Originalmusik, ein Songalbum („Book of the Bard“) und ein Album mit kurzen Themensuiten („The Dungeon Master’s Jukebox“). Das ist alles natürlich viel zu viel des Guten. Deshalb empfiehlt es sich, sorgfältig die Highlights herauszupicken (für eine 35-minütige Playlist: siehe unten). Aber selbst diese zusammengestutze Fassung leidet darunter, dass es wenig musikalische Entwicklung gibt und viele Ideen etwas beliebig nebeneinander stehen. Die Filmmusik zu Dungeons & Dragons – Ehre unter Dieben bleibt eine äußerst zwiespältige Angelegenheit. Die starken melodischen Einfälle wissen zu gefallen. Doch die austauschbare Action-Musik und der überstrapazierte Chor-Einsatz machen alle guten Ansätze wieder zunichte. Natürlich hat Lorne Balfes Arbeit durchaus ihre Anhänger gefunden. Aber wenn am Ende des Jahres die Filmmusik zu einem immens beliebten Fantasy-Film mit Orchester & Chor und eingängigen Hauptthemen nicht in den Bestenlisten vieler Filmmusik-Fans auftaucht, dann muss schon so einiges schief gelaufen sein.
Empfohlene Playlist:
- I wasn’t always a thief
- Holga Kigore (aus „The Dungeon Master’s Jukebox“)
- Finding Zia
- Thick as Thieves
- Journey to Neverwinter
- Magic Show Melee
- Xenk
- Goodbye Xenk
- Never stop failing
- The Heist
- Turn the Ship around
- Themberchaud
- Fallen Foe
- A Red Wizards Blade
- The Reawakening
- Forges Tale
- Juice of the Wine (aus „Book of the Bard“)