Civil War – Ben Salisbury & Geoff Barrow: „Müde Kriegsmüdigkeit“

In Civil War wirft der Regisseur Alex Garland einen sorgenvollen Blick in eine – und das ist erschreckend – möglicherweise nicht allzu ferne Zukunft Nordamerikas: In seiner filmischen Dystopie tobt in den USA ein fataler Bürgerkrieg. Die Bundesstaaten Texas und Kalifornien haben sich verbündet und kämpfen gegen den despotischen Präsidenten, der sich im Weißen Haus verschanzt hat und dessen Tage offenbar gezählt sind. Für ein letztes Interview, bevor er von den Sezessionisten exekutiert wird, machen sich vier Pressefotografen auf den beschwerlichen Weg nach Washington, D.C.: die erfahrene Lee (stark: Kirsten Dunst), ihre langjährigen Kollegen Joel und Sammy und die noch völlig unerfahrene Jesse. Die Reise führt das ungleiche Quartett durch ein vom Krieg traumatisiertes Land, vorbei an Partisanenkämpfen, Truppenaufmärschen, Bergen von Toten und marodierenden Soldaten. Inhaltlich ist das nicht neu, Filme über Journalisten in Kriegsregionen gibt es viele, man denke nur an Under Fire oder Salvador. Doch der große Unterschied besteht darin, dass sich die unbarmherzige Gewalt nicht in einem fernen Land, sondern quasi vor der heimischen Haustür abspielt. Der Krieg in Civil War lässt sich nicht bequem beseiteschieben – und so evoziert Garlands Film den beunruhigenden Gedanken, dass der Frieden auch in eigentlich für stabil gehaltenen westlichen Demokratien alles andere als selbstverständlich ist.

Doch leider bleibt es allein bei dieser spannenden Prämisse. Das Drehbuch skizziert den gesellschaftspolitische Kontext des Konflikts eher schwammig. Die einzelnen Episoden dieses Kriegs-Roadmovies im Fahrwasser von Apocalypse Now entwickeln nur eine geringe Tiefe. Zwar zeigt die Kamera mit einer gewissen Härte die willkürlichen Gräueltaten, die sich im Umfeld eines jeden gewaltsamen Konflikts finden lassen. Doch gleichzeitig verzichtet Civil War auf wirklich verstörende Bilder. Was ein langjähriger Bürgerkrieg wirklich für die Zivilbevölkerung bedeutet, was Elend, Vergewaltigungen und der Verlust geliebter Menschen anrichten, spart die Inszenierung komplett aus. Stattdessen wird der Zuschauer wie die vier Journalisten in die passive Beobachterrolle versetzt. So schaut man dem seltsamen Spektakel mit einer Mischung aus Entsetzen und Faszination zu. Doch eine stärkere Immersion in das filmische Geschehen bleibt aus, was auch daran liegt, dass es Garland nicht gelingt, ein überzeugendes Kriegsszenario zu zeichnen. Das betrifft vor allem die Journalisten, die hier allein mit dem Fotoapparat unterwegs sind, aber keine Kamera, kein Handy oder Notebook bei sich tragen, um der Welt live von der Front zu berichten. Mag sein, dass Internet und Stromversorgung in diesem Szenario lahmgelegt sind. Doch wenn das so gedacht ist, dann macht der brillant inszenierte Hightech-Nachtangriff auf Washington am Ende nur wenig Sinn. Und das an sich virtuos getrickste Finale offenbart zugleich noch ein anderes Problem. Die Konsequenzen der Gewalt werden zugunsten des reinen Effekts in den Hintergrund gedrängt.

In Civil War gibt es so manche filmische Unebenheit. Und leider gehört auch die Filmmusik dazu. Ben Salisbury und Geoff Barrow kontrastieren die Kriegsbilder – typisch für ihr Werk – mit einer zum Ambient-Sounddesign tendierenden Musik. Wie schon in Annihilation geht es ihnen einmal mehr darum, ein Gefühl der Desorientierung, Zersetzung und der unterschwellig brodelnden Gefahr zu erzeugen. In Interviews betonten beide, wie wichtig es ihnen war, den Krieg nicht zu romantisieren oder die Action musikalisch zu überhöhen. Das gelingt auch tatsächlich, allerdings auch kein bisschen mehr als das. Der knapp 25-minütige Score ist vor allem durchzogen von geräuschartigen Klangpaletten: oszillierende Sounds, die nur manchmal von Sirenen, Schnarren oder elektrischer Gitarre bzw. Orgel durchbrochen werden. Die auf Motivarbeit völlig verzichtende Komposition besitzt keine formale Struktur, entwickelt sich nicht und erzählt auch nichts, was nicht ohnehin auf der Leinwand zu sehen wäre.

Das funktioniert als Verfremdungseffekt. Das lähmende Entsetzen und die emotionale Kälte werden durch die kühlen Sounds effektvoll gespiegelt. Doch Garlands Film verpasst es völlig, den Zuschauer in irgendeiner Weise zu involvieren, sei es in inhaltlicher oder formaler Hinsicht. Alles, was passiert, bleibt eigenartig abstrakt. Und an dieser Wirkung hat auch der statische Elektro-Score von Salisbury und Barrow einen großen Anteil. Selbst in den verstörenden Filmszenen, etwa wenn Jesse in ein Massengrab fällt, schafft es die Musik nicht, den Schock darüber auf den Zuschauer zu übertragen. Die Sologitarre in Aftermath deutet immerhin an, in welche Richtung die Musik hätte gehen können: Da ist für ein paar Takte etwas von der Melancholie und Verzweiflung zu spüren angesichts einer völlig aus den Fugen geratenen Welt. Denn eigentlich soll Civil War eine mahnende Warnung sein, was dem Land blühen könnte, wenn die Spaltung im Trump-Amerika weiter voranschreitet. Doch wirklich lebendig wird dieser Schrecken in Garlands Film nicht. Und das ist angesichts der aktuellen politischen Lage in den USA ziemlich enttäuschend. Das Land hätte einen wirkungsvollen und nachhaltigen Weckruf dringender nötig denn je.

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