The Egyptian – Bernard Herrmann & Alfred Newman

Dass zwei Filmkomponisten für ein Projekt zusammenarbeiten ist keinesfalls ungewöhnlich. Man denke nur an Der letzte Mohikaner (1992, Musik: Trevor Jones & Randy Edelman) oder jüngst Tears of the Sun (2003) mit seinen acht beteiligten Kräften. Wenn aber zwei herausragende Persönlichkeiten wie Alfred Newman und Bernard Herrmann aufeinandertreffen, um zusammen eine Filmpartitur zu schreiben, dann ist dies schon außergewöhnlich. Das wäre so, als wenn heute John Williams mit Jerry Goldsmith gemeinsam ein Team bilden täte. Doch genau zu einem solchen Gipfeltreffen der Komponisten kam es beim Ausstattungsepos Sinuhe, der Ägypter – The Egyptian von 1954. Da Alfred Newman zeitgleich zur Produktion des neuen Films von Michael Curtiz (Casablana) mit der Arbeit am Musical Show Business beschäftigt war, legte ihm Fox-Chef Daryl Zanuck nahe, einen zweiten Komponisten für das aufwändige Projekt zu verpflichten. Die Wahl fiel schließlich auf Bernard Herrmann, der auf Basis thematischer Ideen seines Kollegen mit dem Schreiben begann. Glücklicherweise verzögerte sich die Premiere von Sinuhe und Newman konnte nach Beendigung des Musicals, zu Herrmann hinzustoßen.

Der Film selber ist heute wohl allenfalls seiner üppigen Ausstattung und seiner beeindruckenden Bilder wegen interessant. Die Handlung um Sinuhe, einem Heiler, der am Hofe des berüchtigten Pharaos Echnaton in ein Intrigenspiel verwickelt wird, vermochte schon 1954 die Zuschauer wenig zu überzeugen. Echnatons revolutionäre Umwandlung der bestehenden in eine monotheistische Religion mit der Sonne – Aton als einzigen Gott, wird in The Egyptian im Hinblick auf die spätere Geburt Jesu Christi zu penetrantem Bibelkitsch überstrapaziert.

Die Musik dagegen hat die Zeit ausgezeichnet überdauert. Bernard Herrmanns und Alfred Newmans Zusammenarbeit wirkt wie die Arbeit eines alleinigen Komponisten. Dies ist besonders erstaunlich, da die Tonsprache der beiden Meister eigentlich weit auseinander liegt. Doch der gegenseitige Respekt vor der Arbeit des jeweils anderen, brachte eine bemerkenswert fruchtbare Liaison. In Sinuhe verknüpft sich das romantische melodienreiche Talent Newmans kongenial mit der herberen, meist düsteren Musikdramaturgie Herrmanns.

Die Partitur ist geschrieben für großes Orchester, Chor und dazu ethnische Instrumente Afrikas. Sie verbindet lyrisches Melodienreichtum und furiose Dramatik (wie in Herrmanns „The Chariot Ride“) mit arabischer Klangexotik. Das so entstehende musikalische Panorama lässt das alte Ägypten bildhaft wieder aufleben, verzichtet aber auf allzu typische Orientklischees.

Insgesamt ist der Anteil beider Komponisten etwa gleich groß. Zwar ist eine Zuordnung der Stücke zu Herrmann oder Newman möglich. Unklar bleibt indes, ob alle Themen aus der Feder Newmans stammen. Die Arbeitsteilung ergibt sich wie folgt: Die Szenen, in der die verführerische, aber trügerische Nefer-Nefer ihre Intrige um Sinuhe spinnt, werden von Bernard Herrmann untermalt. Sein lyrisches „Liebesthema“ weicht in den Stücken von Alfred Newman der kraftvoll-mysteriösen Chorhymne an den Gott Aton („Hymn to Aton“). Seine Anteile erinnern in vielem an die Musik zu Das Gewand – The Robe, die er ein Jahr vor Sinuhe verfasst hat.

Doch trotz dieser erkennbaren stilistischen Differenzen gibt es immer wieder Momente, in denen nur der Blick ins Booklet hilft um den Ursprung zu erfahren. Die Komposition wirkt derart homogen, dass die Gefahr der Zersplitterung zu keinem Zeitpunkt droht. Im Gegenteil – The Egyptian bietet meisterhafte epische Kinosinfonik – ein Highlight, welches sich kein klassikinteressierter Musikliebhaber entgehen lassen sollte.

Die Neueinspielung von Marco Polo

Im festen Glauben, die originalen Magnettonaufnahmen von The Egyptian seien unrettbar verloren, machte sich das bewährte Team Morgan/Stromberg 1998 an eine Neueinspielung der rund hundertminütigen Partitur. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Mit modernster Klangtechnik, präzisem wie kraftvollem Spiel der Moskauer Sinfoniker unter dem Dirigat von William T. Stromberg erlebt die Musik ein famoses Comeback. Das 28-seitige Booklet ist gewohnt liebevoll editiert und entspricht dem hohen Standard früherer und nachfolgender Veröffentlichungen des Labels. Eine Aufnahme mit Referenzcharakter.

Die Originalaufnahme von FSM

Eine große Überraschung erwartete Lukas Kendall und seine Kollegen vom amerikanischen Filmmusikmagazin Film Score Monthly als sich bei genauer Untersuchung der Originalaufnahmen nur rund eine halbe Stunde als unbrauchbar erwies. Die verbleibenden 72 Minuten, inklusive Main- und End-Title sowie der Choräle hatte in einem – gemessen am Alter – ausgezeichneten Zustand überlebt. So erlaubt die auf 3000 Exemplare limitierte CD von FSM erstmals einen Blick auf große Teile des Originals. Darin sind auch circa 15 Minuten enthalten, die auf der Morgan/Stromberg-Einspielung nicht zu finden sind. Wie die Marco Polo-Edition bietet auch die Veröffentlichung von FSM ein edles, sorgfältig zusammengestelltes Booklet.

Fazit:

Die Neueinspielung von The Egyptian unter Morgan/Stromberg dürfte für viele Hörer die erste Wahl sein. Die dem Original sehr nahestehende Einspielung, die moderne Aufnahmetechnik und der im Vergleich fast um die Hälfte günstigere Preis werden hier wohl den Ausschlag geben. Nichtsdestotrotz ist die FSM-CD mehr als nur eine nette Dreingabe und für alle, die sich eingehender mit der großartigen Musik beschäftigen möchten, allemal ein lohnender Kauf.