Edward Shearmur ist als Komponist schwer zu fassen. 1997 gelang ihm ein Achtungserfolg mit der von venezianischer Folklore beeinflussten KostĂŒmfilmmusik zu Die FlĂŒgel der Taube. In der Folge bewies er erstaunliche Vielseitigkeit: Er schrieb den Score zum Science-Fiction-Horror Species II, arbeitet sich fĂŒr The Governess in jĂŒdische Folklore ein und sorgte als Kontrast im Drei Engel fĂŒr Charlie-Remake fĂŒr technolastige Rhythmen. Ein Mann mit vielen Talenten also. Doch leider waren bislang nur wenige seiner Kompositionen auf CD greifbar. Das hat sich mittlerweile geĂ€ndert. Vergangenes Jahr erschien in den Staaten Shearmurs Arbeit zu K-Pax (Decca Records). Und nun liegt die Musik zur Neuverfilmung von Alexandre Dumas berĂŒhmten Roman Der Graf von Monte Christo vor. Die fast vollstĂ€ndig sinfonische Komposition (elektronische Elemente werden nur ganz dezent eingesetzt) bietet wie schon Klaus Badelts The Time Machine zwar keine richtungsweisenden Innovationen, dafĂŒr aber Ă€hnlich ĂŒberzeugend geratene Sinfonik.
Shearmur weiĂ mit dem Orchester umzugehen. Schon der dĂŒstere Chorgesang in der OuvertĂŒre und die packende Action in „Landing on Elba“ mit schmissigen Fanfaren – wĂŒrdig eines John Williams – können ĂŒberzeugen. Dazu verzaubert ein lyrisch-zartes Liebesthema, in warmen Klangfarben von Streichern und Harfe gespielt, den Hörer. Besonders reizvoll sind die tĂ€nzerischen Streichermelodien in der „Training Montage“ und „Invitation to the Ball“. Allein in den atmosphĂ€risch-dĂŒsteren StĂŒcken „Betrayed“ und „Chateau d’if“ fĂ€llt die Musik ein klein wenig ab.
Shearmurs Monte Christo ist ein behutsam modernisierter Abenteuerscore in alter Hollywood-Tradition. Wenn er eine SchwĂ€che besitzt, dann ist es das Fehlen eines prĂ€gnanten, unmittelbar ins Ohr gehenden Hauptthemas. Doch dies lĂ€sst sich bei der farbenprĂ€chtigen Orchestrierung mit geschicktem Einsatz alter Instrumente leicht verzeihen. Und wenn man hört, wie bei Shearmur in den „End Credits“ das Liebesthema wunderschön aufblĂŒht, dann wird schnell klar, dass es sich hier um alles andere als eine uninspirierte Vertonung handelt. Man sollte der Musik aber die Chance des mehrmaligen Hörens geben. Denn erst dann offenbaren sich alle QualitĂ€ten der Komposition, die zu den veritablen Geheimtipps des Filmmusik-Jahrgangs 2002 zĂ€hlen darf.
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