Narrow Margin – Bruce Broughton: „Ohne Kompromisse“

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Zugegeben, das zentrale Klaviermotiv der Filmmusik von 12 Stunden Angst – Narrow Margin wirkt auf den ersten Blick wie ein ziemlich banales Suspense-Klischee. Bruce Broughton hat in seiner langen Karriere zweifellos einige starke Themen komponiert. Doch dieses gehört nicht dazu. Und dennoch versinnbildlicht es perfekt die Reduktion auf ein hoch konzentriertes Spannungskino, wie es Peter Hyams in diesem – vielleicht seinem besten Film – in Reinkultur betreibt. Der Plot könnte in seiner Grundanlage einem Hitchcock-Film entstammen: Bei einem Blind Date wird Carol Hunnicut (Anne Archer) unfreiwillig Zeugin eines Mafia-Mordes. Sie bleibt unerkannt und flieht in die kanadische Wildnis. Als der Staatsanwalt Robert Caulfield (Gene Hackman) sie aufspürt, um sie dazu zu bewegen, für eine Zeugenaussage nach New York zurückzukehren, lockt er unfreiwillig auch die Mobster auf ihre Fährte. Von diesem Zeitpunkt an steigert Narrow Margin die Spannung kontinuierlich, ohne dem Zuschauer eine Ruhepause zu gönnen. Die Killer verfolgen das ungleiche Paar bis in den beengten Raum eines Langstrecken-Zugs hinein. Diese Grundprämisse nutzt Hyams perfekt aus, um auf der Klaviatur des Spannungskinos zu spielen. Es sind die kleinen unvorhergesehenen Drehbuch-Kniffe, die dabei begeistern: Ein kleiner Junge stellt Caulfield im Zug, weil er ihn für einen Kriminellen hält. Ein älteres Ehepaar bringt den Anwalt, der ihnen vorher erzählt hat, er würde seine schwangere Frau begleiten, in Erklärungsnöte, als sie ihn mit einer Anderen im Speisesaal erwischt. Und auch für die Verfolger läuft längst nicht alles glatt: Sie werden von ihrer Absicht, Carols Abteil zu stürmen, schon mal vom unbedarften, aber übereifrigen Schaffner gestoppt. Neben dieser Liebe zum Detail, die immer neue reizvolle Verwicklungen erzeugt, zeichnet Narrow Margin eine schnörkellose Inszenierung aus, die für genre-typische Stereotype wie Liebesgeschichte oder unnötige Nebenplots keine Zeit hat. Dazu wurde in einem echten (geliehenen!) Zug gedreht, was dem Szenario zusätzliche Glaubwürdigkeit verleiht.

Dass Narrow Margin seinerzeit kein großer Kinoerfolg beschieden war, mag daran liegen, dass Gene Hackman kein ikonografischer Actionheld mit dem Star Appeal eines Bruce Willis war. Er stellt sein Spiel ganz in den Dienst des Filmes. Aber das war vermutlich 1990 zu wenig, um den Film aus vielen ähnlich gelagerten Produktionen, in denen die Helden das Publikum mit selbstironischen Sprüchen auf ihre Seite zogen, herausragen zu lassen. Aus Marketing-Gesichtspunkten bleibt auch die Filmmusik von Bruce Broughton zu unscheinbar, um dem Projekt Strahlkraft an den Kinokassen zu verleihen. Dass das so war, lag auch an Peter Hyams selbst: Die ursprünglich von Broughton komponierte Musik ist nur kleinteilig im fertigen Film zu hören. Während der Komponist alle Action-Szenen mit Musik ausstattete, beließ der Regisseur am Ende einige von ihnen komplett ohne Musik. Auf der 2004 von Intrada Records veröffentlichten Fassung lässt sich das grimmig-kühle Action-Scoring glücklicherweise in kompletter Form nachvollziehen. Und das lohnt sich: Denn es ist eine Musik der scharfen Kontraste: sinister-brodelndes Suspense-Scoring, zum Teil mit faszinierenden Klavierläufen, wird immer wieder von schroffen Ausbrüchen des Orchesters aufgelöst. Alles ist sorgfältig auskomponiert. Broughton macht keinerlei Zugeständnisse: Seine Musik ist eine ebenso konsequente Reduktion auf Action- und Spannungskino wie die Vorlage selbst. Erst in der Katharsis der End Credits erlaubt er sich und dem Publikum zum ersten Mal wärmere Klänge. Spätestens zu diesem Zeitpunkt ahnt man aber, dass es vielleicht etwas mehr Glanz & Glamour bedurft hätte, um Narrow Margin zu einem Kinohit mit Breitenwirkung werden zu lassen. Aus heutiger Sicht sollten solche Überlegungen aber freilich egal sein. 2 Stunden Angst – Narrow Margin bietet starkes, gut gealtertes Genrekino mit einer ebenso starken Filmmusik. Die 2021 von PLAION PICTURES veröffentlichte Blu-Ray lässt das Werk dazu mit einem exzellenten Transfer im besten Licht erscheinen. Einer Neu- oder Wiederentdeckung dieser kleinen Action-Perle aus den 90ern steht also nichts mehr im Wege.

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