The Post – John Williams: „Nicht zu groß“

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Der musikalische Beitrag von John Williams zu Steven Spielbergs Die Verlegerin – The Post ist mit 40 Minuten vergleichsweise klein. Man könnte denken, dass dies zum Teil auch dem hohen Alter des Komponisten und seinem immensen Arbeitspensum 2017 geschuldet war, da er im selben Jahr schließlich noch die achte Star Wars-Episode mit üppiger Musik auszustatten hatte. Doch in erster Linie dürfte es wohl am Film selbst liegen. Spielberg erzählt nämlich in The Post mit dokumentarischem Gestus die Geschichte der Enthüllung der sogenannten Pentagon-Papiere Anfang der 70er-Jahre. Dabei handelt es sich um eine unter Verschluss gehaltene Studie des US-Verteidigungsministeriums, die damals erstmalig belegte, dass mehrere US-Präsidenten von Eisenhower bis Nixon die Öffentlichkeit systematisch über die Erfolgsaussichten des Vietnam-Kriegs angelogen hatten. In Mittelpunkt steht Katherine Graham (Meryl Streep), die damalige Chefin der Washington Post (Meryl Streep), die das Familien-Unternehmen unter den argwöhnischen Augen einer patriarchalen Männerwelt leitet. Nachdem der New York Times per gerichtlicher Verfügung untersagt wurde, über den Bericht zu publizieren, werden die brisanten, unter strenger Geheimhaltung stehenden, Dokumente ihrem Chefredakteur Ben Bradlee (Tom Hanks) zugespielt. Nun muss sich die Verlegerin entscheiden, ob sie sie gegen alle Widerstände veröffentlicht. Denn der Druck aus Justiz und Politik ist immens und die Existenz der Zeitung steht auf dem Spiel.

Es ist ein Kampf um die Pressefreiheit, für die Werte der Demokratie, gegen die kriminellen Machenschaften der skrupellosen Nixon-Administration, der sich in The Post entfaltet. Und natürlich ist das ein Geschichts-Topos par excellence für Steven Spielberg, der den historischen Kampf um Gerechtigkeit und Freiheit in seinen Dramen nur allzu gerne bebildert. Doch auch wenn man Die Verlegerin durchaus vorwerfen kann, zu erwartbares Erzählkino zu liefern, verfehlt der Film nicht seine Wirkung. Spielberg erzählt hier mit der Souveränität des Altmeisters ein fesselndes Stück amerikanischer Geschichte nach und kann dabei nicht zuletzt auf hervorragende Schauspieler, allen voran die Oscar-nominierte Meryl Streep, vertrauen. Der heimliche Star des Filmes ist aber der fesselnde Blick in die Prä-digitale Ära des Journalismus: Wenn die Kamera in die Verlagsräume voller tackernder Schreibmaschinen blickt oder der präzise ineinandergreifenden Mechanik der kolossalen Druckmaschinen folgt, dann erwacht hier ein vergessenes, untergegangenes Zeitalter auf faszinierende Weise wieder zum Leben.

John Williams hat das erkannt. Seine Musik orientiert sich am Rhythmus der Maschinen, sei es im mit elektronischer Unterstützung leise tackerndem The Papers oder im fulminanten, von Streichern und Blechbläsern vorangetriebenen, The Presses Roll, welches die Druckpressen bei der Arbeit zeigt. Doch wie Williams im Making-of verrät, waren er und Spielberg sich einig, dass The Post kein Musik-getriebener Film sein sollte. Entsprechend selten sind solche Momente, in denen die Musik die Aufmerksamkeit auf sich lenkt. Zu denen gehört auch die finale Gerichtsszene (The Court’s Decision), in welcher die Pressefreiheit siegt und der Komponist vielleicht ein wenig zu sehr im staatstragenden Streicher-Pathos verfällt. Doch abseits dieser Stücke präsentiert sich Williams so filmdienlich und zurückhaltend wie bislang nur selten in seiner langen Karriere. Einen markanten melodischen Einfall, der sich im Konzertsaal verwerten ließe, sucht man deshalb vergebens. So pendelt die kompakte Musik in ihren spärlichen Einsätzen zwischen Suspense-Stücken, klavierbetonter Lounge-Musik und Williams-typischer Americana. Das ist grundsolide, aber natürlich zwangsläufig etwas enttäuschend, wenn man bedenkt, welche Meilensteine bereits aus der Zusammenarbeit zwischen Regisseur und Komponist in der Vergangenheit entstanden sind. Doch auch, wenn The Post wohl eher als abgeklärtes Alterswerk in Williams illustre Karriere eingehen wird, ist es trotzdem für sich genommen eine effektvolle, hörenswerte Filmmusik mit einigen starken Momenten. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Bei den Aufnahmesessions, die im Making-of gezeigt werden, sieht man Williams Spielberg, der die Musik zum ersten Mal hört, fragen, ob sie nicht zu groß geworden sei. „Nein, sie ist nicht zu groß“, antwortet Spielberg seinem Freund. Dieser Aussage lässt sich am Ende wohl nur wenig hinzufügen.

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