Yellowstone (Season 1) – Brian Tyler: „Melancholische Abgründe“

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Die Last liegt schwer auf den Schultern von John Dutton (Kevin Costner). Seit vielen Generationen gehört seiner Familie die Yellowstone-Ranch in Montana. Er ist der Großgrundbesitzer, der unumstrittene Patriarch, gleichermaßen geachtet wie gefürchtet. Mit eiserner Hand versucht er, das Unternehmen vor dem drohenden Untergang zu bewahren. Denn die Bedrohungen von außen nehmen zu: Der Hof grenzt an ein Reservat, in das die indigene Bevölkerung einst zurückgedrängt wurde. Die Menschen leben dort in bescheidenen Umständen, abgeschnitten von Reichtum und Wohlstand. Ihr Anführer begehrt auf, kämpft mit harten Bandagen für Gerechtigkeit. Er möchte um jeden Preis, das Land, auf dem Yellowstone liegt, für sein Volk zurückzugewinnen. Ein windiger Großinvestor plant unterdessen den Bau eines großen Hotels inklusive Casino, um die aufregende Naturlandschaft für den Tourismus zu öffnen. Aber auch innerhalb der Familie gibt es Spannungen bei den Duttons: Der verstoßene Sohne Kayce lebt mit seiner indigenen Frau und Sohn innerhalb des Reservats. Die Tochter im Bunde, die scharfzüngige Beth, fühlt sich für den tragischen Unfalltod der Mutter verantwortlich und flüchtet sich in den Alkohol. John Duttons Tage scheinen indessen gezählt, denn er ist an Krebs erkrankt. Die Zeichen stehen also auf Sturm. Und doch sind die Duttons eine Dynastie, denen der Habitus von Macht, Geld und Tradition aus allen Poren quillt. Auf der Yellowstone-Ranch gilt das Recht des Stärkeren, für dessen Durchsetzung im Zweifelsfall jedes Mittel recht ist.

Mit Yellowstone gelang dem Schöpfer, Taylor Sheridan (Autor von Hell or High Water), in den USA ein riesiger Erfolg. Obwohl die Serie die illegalen Machenschaften der Duttons und die Kehrseite des Kapitalismus in aller Deutlichkeit zeigt, konnte sie allerdings auch ein konservatives Publikum begeistern. Das mag überraschen, lässt sich aber wohl damit erklären, dass der Fokus der Erzählung (zumindest in der ersten Staffel) sehr stark auf den Familienmitgliedern und ihren Problemen liegt, während andere Perspektiven zwar vorkommen, aber weniger Raum einnehmen. Wie bei den Sopranos, als man als Zuschauer trotz aller Verbrechen doch heimlich mit den Mafiosi sympathisierte, tut man dies hier nun auch mit den Bewohnern der Yellowstone-Ranch: mit der traumatisierten Beth, den Söhnen, denen es nie richtig gelang, sich vom Vater zu emanzipieren oder Dutton selbst, der verzweifelt versucht, die Familie zusammenzuhalten. Das Schicksal der angestellten Cowboys auf der Ranch erscheint besonders dramatisch: Sie sind ehemalige Sträflinge & Verlierer, die hier nur scheinbar eine zweite Chance erhalten. Als Erinnerung an die ihnen abverlangte uneingeschränkte Loyalität wird ihnen das „Y“ auf die Brust eingebrannt. Für immer. Denn wenn sie die Ranch verlassen wollen, verschwinden sie spurlos.

Der etwas einseitige Blickwinkel ist nicht unproblematisch. Doch man muss schon sehr naiv sein, um nicht die bleierne Schwermut, den Zeitenwandel und die zunehmende Verzweiflung wahrzunehmen, der das Leben nahezu aller Hauptfiguren in Yellowstone kennzeichnet. Zugleich ist es auch die Stärke der Serie, für fast alle Seiten Verständnis aufzubringen. Selten kam man in einem TV-Format dem republikanischen Blick auf die Welt so nahe wie hier. Auf die Frage eines japanischen Touristen, wie ein Mann so viel Land besitzen könne und ob es nicht besser wäre, etwas vom Reichtum abzugeben, antwortet John Dutton nur schroff: „Wir sind hier in den USA. Wir teilen kein Land“. So engstirnig und toxisch das erscheinen mag, so sehr sind die Duttons seit vielen Generationen in der umgebenden Landschaft verwurzelt. Wenn die Kamera auf die wunderschönen Ebenen Montanas blickt, am Horizont thronen die Gipfel der Rocky Mountains, dann versteht man die enge Naturverbundenheit der Rancher. Und man begreift, warum sie nicht bereit sind, auch nur einen Millimeter von dem abzugeben, was sie in ihrem Irrglauben als ihr rechtmäßiges Territorium und Heimat betrachten.

Die Filmmusik von Brian Tyler, seine stärkste seit vielen Jahren, fängt die der Serie innewohnende Melancholie auf hervorragende Weise ein. Das Hauptthema erinnert in seiner Rhythmik und dem Spiel der Celli zwar ein wenig an Game of Thrones und Westworld (beide von Ramin Djawadi), ist dennoch ein starker, drängender melodischer Einfall, der auf packende Weise zwischen nobler Eleganz und bleierner Schwermut pendelt. Tyler ist sonst eigentlich für den groben musikalischen Pinselstrich bekannt, für viel Oberflächenglanz bei meist geringer Substanz. Hier ist das anders. Seine Komposition überrascht mit ihrer Subtilität und ihrem Einfühlungsvermögen. Sie ist durchzogen von einer unerfüllten Sehnsucht und einer tiefen Trauer. Wunderschön drückt sich die Wehmut in lyrisch-pastoralen Stücken wie Returning, The River und Regret aus. Es sind berührende Adagios, in denen die Streicher oder die sehr prominenten Cello-Soli die Pein der Hauptfiguren in warme Töne fasst. Die Langsamkeit der Musik ergibt Sinn, weil sie zur unverrückbaren Naturkulisse ebenso passt wie zu den harten Fronten zwischen den verfeindeten Konfliktparteien.

Gleichzeitig verleihen Fiedel, Gitarre und präpariertes Klavier der Komposition ein erdiges Americana-Flair, ohne jemals in offensichtliche Western-Klischees zu verfallen. Tyler ließ nach eigenen Angaben bewusst nur wenige Takes der einzelnen Stücke einspielen, um der Vertonung einen unfertigen, rauen Touch zu verleihen. Entscheidender ist aber die Spielweise der Streicher, die in ihren „Schlenkern“ ein wenig so wirkt, als wären die Instrumente vorher nicht gestimmt worden. Doch das ist pure Absicht, laut Tyler gedacht als Sinnbild für die mit vielen Schwächen behafteten Hauptfiguren. Ebenso intelligent vertont er die düsteren Szenen: Wenn etwa zu Burying Secrets ein Labor in Flammen aufgeht und wichtige Beweise, die die Duttons belasten könnten, vernichtet werden, steigern sich Percussion, Streicher und elektronische Klänge zu einem abgründigen Folk-Tanz. Das seltsam Ritualhafte erscheint geradezu wie ein perfektes akustisches Bild für eine Familie, die so etwas nicht zum ersten Mal macht. Doch solche „musikalischen Abgründe“ bilden eher die Ausnahme. Die Filmmusik zu Yellowstone durchzieht eine feinsinnige Zurückhaltung, die man in dieser Form von Brian Tyler nur selten gehört hat. Zugleich besticht sie durch ihre besonderen lyrischen Qualitäten, die in wunderschönen melodischen Einfällen mündet. Ganz wunderbar etwa das gleichmütige Klavierthema in Crimes of Heritage oder das sehnsüchtige Familienthema in Returning. Die Themen sind tatsächlich so stark, dass es letztlich vielleicht doch kein Wunder ist, dass man als Zuschauer viel mehr mit den Duttons sympathisiert, als man eigentlich sollte. Diese Ambivalenz macht zugleich aber viel von der besonderen Faszinationskraft der sehenswerten Serie aus.

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