„Loslassen auf Kommando“ – Pink Moon

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Viele folgenreiche Verkündungen werden in Familien am Essenstisch ausgesprochen. So auch im niederländischen Wettbewerbs-Beitrag Pink Moon: Der 75-jährige Jan, eigentlich kerngesund und topfit, offenbart seinen Kindern, dass sein nächster Geburtstag sein letzter werden soll. Er habe einfach genug vom Leben und wolle selbstbestimmt sterben. Vor allem seine Tochter Iris reagiert auf diesen Wunsch mit völligem Unverständnis. Sie ist schockiert und will die Entscheidung ihres Vaters nicht hinnehmen. Kurzerhand entführt sie ihn auf eine einsame Hütte in den Bergen – ein letzter Versuch, um Jan umzustimmen. Doch dessen Entschluss steht längst fest.

Floor van der Meulen erzählt in ihrem Debüt auf berührende Weise von dieser letzten Reise, vom langsamen Abschiednehmen zwischen Vater und Tochter. Doch Pink Moon ist nicht nur ein trauriger Film. Mit leisen, unverkrampften Humor fängt die Regisseurin auch komische Momente ein, wenn etwa die Familienmitglieder auf ihren Handys den Kalender checken, um den bestmöglichen Sterbetermin zu finden. Oder wenn Iris bei einem Quickie auf einer Toilette innehält, weil ihr die Idee kommt, es könne ihrem Vater womöglich nur am fehlendem Sex mangeln.

Julia Akkermans verkörpert das großartig mit einer Mischung aus Stärke und unverstandener Verletzlichkeit. In einer Szene referiert sie noch selbstbewusst auf der Arbeit über die Wasserversorgung in der dritten Welt. In der anderen zieht sie zurück zu ihrem Vater und schlüpft so wieder in die Rolle des Kindes von früher, welches noch zu Hause bei den Eltern wohnt. In diesen frühen Szenen begegnen sich kurz die großen Krisen unserer Zeit und die privaten Nöte jedes Einzelnen. Es ist allerdings schade, dass das Drehbuch diesen Ansatz nicht weiter verfolgt und sich ausschließlich auf die Vater-Tochter-Beziehung konzentriert. Zwar erzählt Floor van der Meulen sehr einfühlsam von der Schwierigkeit des Loslassens. Doch filmisch gesehen gerät diese Reduktion des Konflikts vor allem in der zweiten Hälfte etwas vorhersehbar, sodass den Figuren doch etwas mehr Tiefe und Kontext gutgetan hätten.

So erstaunt es zum Beispiel, dass Iris, die gerade in hoher Position an einem wichtigen Projekt arbeitet und eigentlich nach Südafrika reisen soll, plötzlich ohne Probleme viel Zeit für ihren Vater aufbringen kann. Und die Enkelkinder, die ihren liebevollen Opa als Bezugsperson verlieren, werden vom Drehbuch gleich völlig vergessen. Pink Moon funktioniert deshalb besser als intimes Drama denn als komplexer Diskussionsbeitrag zum Thema selbstbestimmtes Sterben. Floor van der Meulen hatte mit ihrem Film vielleicht auch ein etwas anderes Ziel: Nach eigenen Aussagen ging es ihr darum, sich mit ihren größten Ängsten auseinander zu setzen. Und zumindest das ist ihr in ihrem sympathischen Erstling auf jeden Fall gelungen.

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