Zum Film
Insomnia ist eine Krankheit, die alle Betroffenen nachts unter chronischer Schlaflosigkeit leiden lässt. Schlaflos ist auch der Cop Frank Dormer (Al Pacino), der im Sommer in Alaska den Mord an einem jungen Mädchen aufzuklären versucht. 24 Stunden helles Tageslicht, aber vor allem sein schlechtes Gewissen plagen ihn. Denn er hat bei der fehlgeschlagenen Hatz auf den Mörder im Nebel seinen langjährigen Kollegen erschossen. Schlimmer noch: Der Mörder hat ihn dabei beobachtet und versucht, ihn nun zu erpressen. Ein perfides Spiel beginnt…
Der neue Film vom Memento-Regisseur Christopher Nolan ist das gelungene Remake eines norwegischen Thrillers mit Stellan Skarsgård (Good Will Hunting, Breaking the Waves) aus dem Jahr 1997. Die zerklüfteten Eis- und Gesteinsformationen Alaskas dienen Nolan als beeindruckende Kulisse seiner Krimi-Handlung, sind aber sicher auch als Symbol für den inneren Zustand der Hauptfiguren zu verstehen. Die interessieren Nolan mehr als allein die vordergründige Frage nach der Identität des Mörders, die ohnehin früh beantwortet wird.
Seine Spannung bezieht Insomnia zwar aus den exzellenten Darstellern (allen voran Al Pacino als innerlich zerrissener Cop) und den psychologisch vielschichtig dargestellten Beziehungen zwischen den Figuren. Doch die eigentliche Faszination des Filmes geht von seinem heimlichen Hauptdarsteller – Alaska – aus. Die beeindruckenden, deutlich stilisierten Scope-Bilder, das stetige Tageslicht und die geschickt inszenierte Schlaflosigkeit des Protagonisten geben Insomnia einen Großteil seines Reizes. Demgegenüber fällt das konventionelle und etwas vorhersehbare Ende ein wenig ab. Der Schlusspunkt schadet dem ungewöhnlichen Krimi zwar nicht, hätte aber gerne auch weniger moralisierend ausfallen dürfen. Dennoch ist Insomnia ein spannender, sehenswerter Thriller und alles andere als filmische Dutzendware.
Zur Musik
Eine Inszenierung, die derartig stark auf Atmosphäre und Stimmung aufbaut, wie es Insomnia tut, lässt der Vertonung nur wenig Luft zum Atmen. So ist es auch kein Wunder, dass sich David Julyans musikalischer Beitrag sehr im Hintergrund hält. Mit wohldosierten Synthesizerklängen und ständig präsentem Streicherteppich bleibt die Musik ähnlich verhangen wie die nebligen, grau stilisierten Bilder von Kameramann Wally Fister. Damit bildet sie eine überzeugende Umsetzung des schwerelosen, gleißenden Zustandes zwischen Wachsein und Schlaf, in dem sich der Cop Dormer in Alaska befindet.
Eigentlich ließe sich die Musik von Julyan wie schon in Memento kaum vom Film trennen. Doch ihm gelingt ein überraschend griffiges wie markantes Spannungsthema, mit dem er es immer wieder schafft, aus der sonst gleichförmigen Atmosphäre auszubrechen. Ein nettes, aber unauffälliges Klaviermotiv für das Mordopfer Kay und rare perkussive Spannungsmomente komplettieren das musikalische Bild. Natürlich macht die Musik zu Insomnia tatsächlich hauptsächlich im Zusammenspiel mit den Bildern Sinn. Doch auch abseits davon funktioniert sie recht ordentlich – wenngleich die CD-Veröffentlichung von Varèse Sarabande mit 57 Minuten Laufzeit einige Längen aufweist. Immerhin dürfte Insomnia seinem Komponisten einige Aufmerksamkeit verschaffen. Und David Julyan wäre nicht der Erste, dem die Zusammenarbeit mit einem talentierten, ambitionierten Regisseur zum Karrieresprung verhilft. Es sei ihm gewünscht.