German Mumblecore in aller Glory

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Beat Beat Heart (Deutschland 2016)

Die Liebe ist eine Baustelle: Die junge Kerstin (Lana Cooper) wurde gerade von ihrem Freund verlassen und steht nun allein mit einem Landhaus in der Uckermark da. Der große offene Saal, den beide gemeinsam renovieren wollten, steht symbolisch für die große Lücke, die der Verlust des Partners gerissen hat. Als auch noch Kerstins Mutter (Saskia Vester), ebenfalls frisch getrennt, einzieht und per Dating-App einen Liebhaber nach dem anderen trifft, steht die tagträumende Kerstin vor der Entscheidung, wie es in ihrem Leben weitergehen soll.

Luise Brinkmanns Debütfilm Beat Beat Heart zählt zum jungen Genre des sogenannten „german mumblecore“. Das Drehbuch gibt in diesen Filmen nur grob die Richtung einzelner Szenen vor. Die Schauspieler füllen sie dann durch Improvisation mit Leben. In Beat Beat Heart hat das auf wundersame Weise funktioniert: Das impulsive Spiel des gesamten Ensembles führt zu einer feinen Balance zwischen Szenen mit aberwitzigem Dialogwitz als auch intensiven, für die Hauptfiguren existenziellen Momenten. Manche reizvolle Drehbuch-Idee war aber gescriptet, wie die herrliche Szene, in der eine Freundin Kerstins der Mutter in einem Wald die Funktionsweise einer Dating-App erklärt.

Man habe beim Drehen viel Spaß haben wollen, sagte Luise Brinkmann im Gespräch nach der Filmvorführung. Und das sieht man tatsächlich auf der Leinwand. Ihr Film wirkt sympathisch unverkrampft, nimmt die Nöte der Hauptfiguren aber jederzeit ernst. Die Stilsicherheit der Jungregisseurin überrascht. Die reizvollen sonnendurchfluteten Kameraeinstellungen aus der Uckermark und die spielerische Filmmusik von Nadja Rüdebusch und Eike Swoboda verleihen der charmanten Sommerkomödie zusätzlichen Charme.

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Little Wing (Finnland/Dänemark 2016)

Wenn Kinder zu schnell erwachsen werden müssen: Die zwölfjährige Varpu wohnt zusammen mit ihrer alleinerziehenden Mutter in Helsinki. Die ist gerade zum wiederholten Male durch die Führerscheinprüfung gefallen und hadert in ihrer Einsamkeit mit sich selbst. Die von der fehlenden Eigenständigkeit der Mutter zunehmend frustrierte Varpu macht sich mit einem gestohlenen Auto auf, den eigenen Vater zu suchen. Aber auch der hat seine ganz eigenen Probleme.

Selma Vilhunen erzählt in ihrem zweiten Film von der Umkehrung der Rollenverhältnisse in unserer Gesellschaft. Die Erwachsenen verhalten sich unreif, die Kinder müssen früh Verantwortung übernehmen, wo die Eltern es nicht tun oder können. Bezeichnend dafür ist eine Szene früh im Film, in der die verzweifelte Mutter nachts aufwacht und die Tochter fragt, ob sie sich zu ihr ins Bett legen darf. Little Wing ist voll von solchen Momenten, in denen die Erwachsenen schwach und überfordert erscheinen. Diese filmische Überzeichnung der Charaktere wirkt zwar nicht immer völlig überzeugend, stimmt aber dennoch nachdenklich, weil sie natürlich einen wahren Kern besitzt.

Dass Little Wing trotzdem ein entwaffnend berührender Film geworden ist, verdankt er dem erstaunlichen Spiel seiner jungen Hauptdarstellerin Linnea Skog. Wunderbar verkörpert sie das stille Leiden eines jungen Mädchens, das die eigenen Bedürfnisse und Träume immer wieder denen der Eltern unterordnen muss.

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Glory (Bulgarien 2016)

Ehrlichkeit währt nicht immer am längsten: Diese bittere Lektion muss der Bahnangestellte Tsanko lernen, als er eines Tages auf den Gleisen einen Koffer mit Geld in Millionenhöhe findet und den Behörden meldet. Plötzlich ist er der Held der Stunde, um den das Verkehrsministerium eine absurde PR-Show inszeniert, um vor allem sich selbst ins rechte Licht zu rücken. Das Schmierentheater endet aber abrupt, als Tsanko beginnt, unangenehme Fragen zu stellen und einen Korruptionsskandal um geklautes Öl öffentlich macht.

Das bulgarische Drama Glory – Slava erzählt nach einer wahren Begebenheit einmal mehr vom aussichtslosen Kampf eines einfachen Mannes gegen die sprichwörtlichen Windmühlen. Die zurückhaltende, dokumentarisch wirkende Inszenierung beobachtet klug, wie die Mechanismen der Macht und der Propaganda funktionieren. Dabei sind auch die Mitarbeiter im Ministerium allein willfährige Räder im Getriebe der Macht, die gute Miene zum bösen Spiel machen müssen. So kann man auch die Pressesprecherin des Verkehrsministeriums, die über ihren Karrierismus ihr Privatleben opfert, letztlich nur bemitleiden.

Glory ist der zweite Teil einer Trilogie, die 2014 mit The Lesson um eine Schullehrerin, die aus Verzweiflung eine Bank überfällt, begann. Der mit geringem Budget und zum Teil Laiendarstellern realisierte Film legt den Finger tief in die Wunde gesellschaftspolitischer Missstände. Es ist ein Vertreter eines neuen bulgarischen Kinos jenseits kommerzieller Blockbuster, wie sie die Multiplexe bevölkern. Echte Geschichten für echte Menschen. Und das ist unbedingt sehenswert.