The Old Guard – Volker Bertelmann & Dustin O’Halloran: „Helden ohne Thema“

In vielen Actionfilmen sind die Helden nahezu unverwundbar. Auf sie abgefeuerte Pistolenkugeln verfehlen stets ihr Ziel. Und Stars können selbst schwer verwundet noch mit stählernen Kräften weiter gegen das Böse kämpfen. Manchmal nimmt das so absurde Züge an, dass es dem Film schadet. Um solche Probleme zu umgehen, geht die Netflix-Produktion The Old Guard von Gina Prince-Bythewood gleich noch einen Schritt weiter: Im Mittelpunkt steht nämlich eine Gruppe Söldner, bei denen die Wunden – egal wie schwerwiegend und schmerzhaft – bereits nach wenigen Sekunden wieder verheilen. Sie sind nahezu unsterblich. Ihre Anführerin Andy (Charlize Theron) tritt deshalb bereits seit mehreren Tausend Jahren für das Gute ein und hat ihre Kampfeskünste in dieser Zeit perfektioniert. Bei einem Auftrag in Afrika wird die „alte Garde“ allerdings in eine Falle gelockt. Ein großer Pharmakonzern unter der Leitung des verrückten Merrick (Harry Melling) hat es auf die Truppe abgesehen, um ihnen im Labor das Geheimnis ihrer unglaublichen Selbstheilungskräfte zu entlocken. Etwa zur gleichen Zeit überlebt die junge Soldatin Nile (KiKi Layne) in Afghanistan eine eigentlich tödliche Messerattacke eines Terroristen. Andy macht sich auf, den potenziellen „Neuzugang“ im Bunde der Unsterblichen zu rekrutieren. Und damit sind auch die beiden wesentlichen Plotlinien von The Old Guard genannt. Vor allem in der ersten Hälfte der Comic-Verfilmung unterhält das auf einer Graphic Novel basierende Action-Spektakel blendend, was ebenso an der starken Präsenz der Hauptfiguren liegt, allen voran Charlize Theron, wie an den exotischen Schauplätzen (gedreht wurde einmal mehr in Marokko). Gleichzeitig variiert der Film reizvoll die Plotformeln gängiger Vampirfilme. Er übernimmt zwar den Mythos der Unsterblichkeit, aber eben nicht das Blutsaugen. Der melancholische Blick in die Vergangenheit und die pessimistische Reflexion auf die wiederkehrende Gewalt durch die Jahrhunderte eröffnet dabei sogar eine ungewöhnliche Perspektive auf altbekannte Tropen.

Doch sobald der Film seine Handlung zurück nach Europa verlegt, verfällt er leider ins Formelhafte. Völlig frei von Überraschungen oder interessanten Einfällen verläuft der finale Showdown in Merricks Konzernzentrale. Dabei werden auch alle gesellschaftskritischen Akzente ausgeblendet, weil es den Superhelden in dieser Mission im Grunde nur noch darum geht, die eigene Haut zu retten. Das Anliegen, für das Gute in der Welt einzutreten, was filmisch erlaubt hätte, Aufmerksamkeit für die Konfliktregionen der Welt zu erzeugen, reduziert sich indessen allein auf eine Fotokollage, die Andys Heldentaten bebildert. So können die diverse Besetzung, der kurze Ausflug nach Afghanistan und ein paar philosophische Ansätze am Ende nicht darüber hinwegtäuschen, dass The Old Guard nichts Substantielles zu erzählen hat und seine vielversprechenden Grundideen nicht konsequent genug weiterverfolgt. Dass die Comic-Verfilmung derart gesichtslos wirkt, liegt leider auch an der Filmmusik vom späteren Oscar-Preisträger Volker Bertelmann (Im Westen nichts Neues), die er kurz vor Ausbruch der Corona-Panedemie in Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Komponisten Dustin O’Halloran geschaffen hat. The Old Guard schreit eigentlich geradezu nach einer musikalischen Identität, die den Mythos der Unsterblichkeit der Helden, Schmerz und Melancholie, aber auch die Coolness hervorhebt und dem schwächelnden Film hilft, sobald er seinen emotionalen Kern aus den Augen zu verlieren droht. Doch davon ist auf der Tonspur nichts zu hören. Denn die Musik des Komponisten-Duos bleibt weitgehend anonym, vertraut auf einen kühlen Orchester-Synthesizer-Mix, aus dem hier und da ein Klaviermotiv – der einzige Verweis auf Bertelmanns Lieblingsinstrument – hervorsticht. Doch selbst in diesen nachdenklichen Momenten wie in What we leave behind, bleibt es musikalisch bei einem diffusen Gefühl von Melancholie, das die Stimmung der jeweiligen Szene allein oberflächlich nachzeichnet.

Der Musikeinsatz in The Old Guard enttäuscht aber auch noch in anderer Hinsicht: Denn viele der Nahkampfszenen von Andy werden von Popsongs begleitet, wie z.B. der Kampf zwischen Nile und Andy mit Chais Nobody Know oder der Angriff auf die Kirche mit Ruelles The World we made. Das mag in kommerzieller Hinsicht funktionieren, um den Film zu verkaufen, trägt aber nur wenig zum Kontext der Handlung bei. Man könnte sogar argumentieren, dass die Gewalt auf der Leinwand durch die eingängigen Songs goutierbarer gemacht und damit letztendlich verharmlost wird. Dies ist allerdings in doppelter Hinsicht problematisch, weil bei der schnellen Wunderheilung der Helden die Gewalt ohnehin schon nie nachhaltige Folgen hat, wenn man einmal davon absieht, dass Andy & Co. in den ruhigen Momenten gerne ihrem Weltschmerz frönen. Fairerweise muss man aber eingestehen, dass Bertelmann und O’Halloran auch nicht viel einfällt, wenn ihre Musik dann doch mal den Vorzug über den Rap und R’n’B erhält: Sie begleiten die Leinwand-Action mit harten, völlig generischen Elektro-Beats.

Natürlich ist es nicht so, dass die Musik der beiden Komponisten grundsätzlich nicht funktioniert oder schlampig produziert wäre. In The Old Guard steckt viel Arbeit und eine ausgetüftelte Klangästhetik. Wie die beiden Komponisten die Streicher der Isländischen Sinfonianord mit dem Synthesizer-Sound fusionieren, schafft durchaus einen konsistenten, eigenwilligen Klangraum. Doch es stellt sich unweigerlich die Frage, ob das angesichts unzähliger ähnlich geformter Musiken im US-Kino der letzten Jahrzehnte wirklich noch ausreicht. Kurzfristig war das immehin der Fall. The Old Guard avancierte trotz durchwachsener Kritiken während der Corona-Pandemie zum Publikumshit. . 2025 erschien dann sogar eine Fortsetzung bei Netflix. Die konnte diesen Erfolg allerdings nicht mehr wiederholen. Richtig verwundern kann das eigentlich nicht. Denn schon Teil 1 bietet kaum mehr als solide Durchschnittsunterhaltung und alles andere als einen charismatischen Start in ein neues Franchise. Im schnelllebigen Content-Overkill der Streaming-Anbieter ist ein Film wie The Old Guard offenbar dann doch schnell wieder vergessen. Besonders nachhaltig waren Film und Musik dann doch nicht – und das sollte eigentlich auch nicht im Interesse des Streaming-Anbieters sein. Selbst Bertelmann und O’Halloran hatten kein Interesse mehr, zumr Projekt zurückzukehren und den zweiten Teil zu vertonen. Bei so wenig Liebe zum Detail ist es beinahe müßig zu erwähnen, dass Ruth Barrett & Steffen Thum in ihrer Fortsetzungs-Musik keine musikalische Idee des ersten Films wieder aufgreifen.

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