Ghostbusters – Elmer Bernstein: „Die letzte Komödie“

Denkt man an die Filmmusik des Kino-Blockbusters Ghostbusters von 1984 zurück, singt man unwillkürlich „Who you gonna call? Ghostbusters“. Der gut gelaunte Ohrwurm-Song von Ray Parker jr. ist mit dem Riesenerfolg des ersten Films unmittelbar in die Popkultur eingegangen und zum Markenzeichen des Franchise geworden. Der Chart-Erfolg und die nachfolgende Oscar-Nominierung führten dazu, dass die eigentliche Originalmusik von Elmer Bernstein (Die glorreichen Sieben) zwangsläufig etwa in den Hintergrund rückte. Wie so oft in den 80ern bestand das zum Filmstart veröffentlichte Soundtrack-Album hauptsächlich aus Popsongs. Großes Interesse an Elmer Bernsteins Filmmusik bestand damals offenbar nicht. Das mag auch daran liegen, dass hinter den Kulissen um den Einsatz der Musik gerungen wurde. Bernstein hätte gerne mehr von seinen Kompositionen im Film gehört, die Produzenten gaben allerdings gleich in mehreren Szenen den Songs den Vorzug. Sieht man Ghostbusters nun – über vierzig Jahre später – ist man dazu geneigt, den Filmemachern recht zu geben. Denn mit ihrem frechen, anarchischen Humor kann man die Geisterjäger rückblickend gut als kleine Rebellion im konservativen Amerika unter Ronald Reagan verstehen. Und dazu passt der Synth-Pop der Mittachtziger fast besser als Elmer Bernsteins mitunter doch etwas hüftsteif anmutende orchestrale Begleitung.

Der Film selbst hinterlässt aus heutiger Sicht gemischte Gefühle: Seinen Erfolg verdankt er unzweifelhaft der charismatischen Ausstrahlung von Bill Murray und Dan Aykroyd (der auch das Drehbuch schrieb). Doch gleichermaßen wirkt es schon sehr selbstverliebt, wie sich beide hier als Helden, denen nichts und niemand etwas anhaben kann, in Szene setzen. Besonders ärgerlich wirkt in dieser Hinsicht auch die Nebenrolle von Sigourney Weaver, wenige Jahre zuvor noch als stählerne Kämpferin in den Alien-Filmen zu sehen, die hier allein darauf reduziert wird, hübsch zu sein und gerettet zu werden. Die eigentliche Handlung ist banal: New York wird von allerhand Geistern heimgesucht, die Ghostbusters kommen mit ihren Protonen-Strahlern zur Rettung und besiegen im Showdown schließlich auch den übersinnlichen Finalgegner in Form eines Riesen-Marshmallow-Mannes. Wichtiger als der Plot ist ohnehin die originelle Ikonografie, sei es das berühmte Geister-Verbotsschild oder der weiße Cadillac Miller-Meteor Krankenwagen, mit dem die Truppe zu ihren Einsätzen fährt. Und auch der Marshmallow-Mann als großer Antagonist zeugt vom irrwitzigen Humor des Films. Auch wenn eigentlich ein großes Nichts erzählt wird, haben sich doch viele Bilder ins Gedächtnis eingebrannt: neben Logo und Einsatzwagen die quietschbunten Geister und die vier Helden, wie sie zum Finale, ihre Waffen kreuzend, dem Bösen entgegentreten.

Bernsteins Filmmusik wird getragen von zwei sehr markanten und durchaus attraktiven Themen. Leider passen beide nicht so recht zum Film: Das marschartige Thema für die Ghostbusters, gespielt von Ondes Martenot und gedämpfter Trompete mit quirliger Jazz-Klavierbegleitung, wirkt etwa viel zu verspielt und miniaturhaft für den rasanten, irrwitzigen Plot. Es ist zwar durchaus eingängig, doch wünschte man sich hier doch einen Einfall mit mehr Strahlkraft – insbesondere im letzten Filmdrittel, wenn sich die Ereignisse zuspitzen. Ähnliches gilt für das Liebesthema (Dana’s Theme), mit dem Bernstein Venkmans und Danas aufkeimende Romanze mit ausschweifendem romantischem Streicherwohlklang einfängt. Das Problem nur: Die Szenen geben diese großen Gefühle eigentlich überhaupt nicht her. Es wird zwar etwas geflirtet, doch die meiste Zeit des Films ist Dana von einem Geist besessen und gar nicht Herrin ihrer selbst. Besser funktioniert die Geister-Musik: Der Einsatz des von Bernstein so geschätzten Ondes Martenot erzeugt dem Theremin ähnliche Klänge, um die zahlreichen Geister-Erscheinungen mit einem Augenzwinkern zwischen Klischee und Grusel einzufangen. Zwei Leitmotive stechen dabei hervor: ein unheimliches Thema, begleitet von hohen Streichern (zu hören in Library ab 0:33 Min.) und eine langsame, von Dissonanzen durchsetzte Fanfare für Gozer/Zuul (erstmals zu hören in Library ab 0:25 Min. und The Best One in Your Row ab 0:16 Min.), die die Funktion eines Gefahrenmotivs einnimmt. Besonders kraftvoll wird das Motiv im Showdown eingesetzt, wo es sich zu einem massiven Crescendo steigert und durch eine Kirchenorgel (Staircase) spirituell überhöht wird.

In diesem Finale steckt musikalisch plötzlich eine Ernsthaftigkeit, die im seltsamen Kontrast steht zu den vier Helden, die kein Wässerchen trüben kann. Und so wirkt es häufiger in Bernsteins Musik so, als hätte der Komponist einige Mühen gehabt, den richtigen Tonfall zu treffen. Denn auch wenn die sympathischen Hauptthemen der Musik in verschiedenen Arrangements zu hören sind, wirkt die Komposition oft seltsam statisch und in ihrem illustrativen Charakter zu bildbezogen. Für eine flott erzählte Komödie wie Ghostbusters passt diese Behäbigkeit eigentlich nicht, sodass es wenig verwunderlich ist, dass die Produzenten sich stellenweise etwas mehr Pepp wünschten und stattdessen Popsongs einsetzten. Um diese Einmischung einzugrenzen, gibt es auch in Bernsteins Komposition das ein oder andere Zugeständnis an den Zeitgeschmack in Form typischer Pop-Rhythmik der 80er Jahre in Stücken wie Judgement Day oder We got One!. Geholfen hat das aber nicht. Im Gegenteil. Dieser Stilbruch trägt nur weiter dazu bei, dass die Musik stilistisch zerfasert.

Dem Erfolg von Ghostbusters konnte das freilich wenig anhaben. Und mit dem Kultstatus verbinden viele Fans der Geisterjäger inzwischen auch die Musik Elmer Bernsteins. Das dürfte allerdings mehr mit Kino-Nostalgie als mit der eher mittelprächtigen Komposition des Altmeisters zu tun haben. Man könnte sogar so weit gehen, dass die Filmmusik, wäre sie für eine weniger beliebte Produktion entstanden, längst in Vergessenheit geraten wäre – zumal die Originaleinspielung seltsam flach und dumpf klingt. Elmer Bernstein hat zahlreiche herausragende Werke fürs Kino geschaffen. Sein Ghostbusters gehört da eher zu den Fußnoten in seiner langen Karriere. Vielleicht sah er das sogar ähnlich. Denn nach den Streitereien um die Vertonung hatte er nach eigenem Bekunden keine Lust mehr auf weitere Komödien, auf die er sich anfangs der 80er zu sehr festgelegt fühlte, und wandte sich zunehmend wieder anderen Stoffen zu.


Diskografische Notizen

Die VCL-CD von 2006 (limitiert auf 3000 Exemplare)

Eine annähernd vollständige Veröffentlichung von Elmer Bernsteins Filmmusik gab es erst über zwanzig Jahre später, 2006, im Rahmen des CD-Clubs von Varèse Sarabande. 2019 brachte Sony die Filmmusik ein zweites Mal heraus, allerdings neu abgemischt und mit leicht anderer Tracklist und den vier vorher unveröffentlichten Stücken Steel Drum, Mistake, Halls & Mr. Stay Puft. Doch dafür fehlen Walk, Taken, Protection Grid sowie die End Credits von der Varèse-CD. Wer sich also eine möglichst komplette Ghostbusters-Version basteln möchte, braucht dafür zwingend beide Veröffentlichungen.

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