Der Blick der meisten deutschen Filmmusikhörer geht in der Regel zuallererst in Richtung Hollywood. Das ist verständlich, aber auch schade. Denn in hiesigen Gefilden gibt es trotz oftmals widriger Umstände durchaus Hörenswertes zu entdecken. Zu den leider wenig beachteten deutschen Filmkomponisten zählt sicher Gerhard Daum, der mittlerweile auf eine fast drei Jahrzehnte andauernde Karriere zurückblicken kann. Wer seinen Namen in der IMDB sucht, stößt schnell auf eine illustre Liste ganz unterschiedlicher Arbeiten für Fernsehen und Kino. Die Spanne der Vertonungen reicht dabei von einer Tatort-Episode und der ZDF-Serie Forsthaus Falkenau über Hollywood B-Movies bis hin zur Hindenburg-Dokumentation Der Mann, der Hitler zum Kanzler machte. Zugleich hat Daum eine große Zahl an Demos und Trailer-Musiken für unterschiedliche Genres komponiert (die sich auf spotify nachhören lassen). Viele dieser Arbeiten sind – vermutlich aus Budget-Gründen – rein synthetischer Natur und lassen das Potenzial des Komponisten bestenfalls nur erahnen.
Die neue CD Film Music Suites erlaubt nun eine ungleich lohnendere Begegnung mit dem Schaffen des gebürtigen Freiburgers. Eingespielt mit den Brandenburger Symphonikern (dirigiert von Hannes Ferrand) gibt Daum hier im orchestralen Gewand ausgewählten Musikstücken aus seiner langjährigen Karriere eine zweite Chance. Dazu zählen Filmmusiken, aber auch bislang unveröffentlichte Kompositionen, die hier erstmals zu hören sind. Im Falle der Filmmusiken lösen sich die konzertanten Bearbeitungen zwangsläufig von den Originalaufnahmen. Sie demonstrieren aber zugleich eindrucksvoll, was alles möglich ist, wenn Zeit und ein echtes Orchester zur Verfügung stehen. Experimentelles oder stärker der Narration der Filme nachspürende Passagen sucht man allerdings vergeblich. Daum konzentriert sich in den Suiten ganz auf die Zugkraft der jeweiligen Hauptthemen. Und die können sich hören lassen: Das lakonische Trompetensolo der Tatort-Episode „Bier vom Fass“ von 1989, das sehnsuchtsvolle Streicherthema in „Curious about Life“ oder der schöne Walzer in „Valse Cinémagique“ überraschen mit einer einschmeichelnden Melodik, wie man sie in der gegenwärtigen deutschen Filmmusiklandschaft in dieser Form nur selten findet.
Auch wenn nicht alle Stücke thematisch gleichermaßen prägnant sind, gibt es keine Längen. Geschickt verschiebt Daum immer wieder den Fokus in der Orchestrierung, rückt mal Blech, mal Holzbläser oder nur die Streicher in den Vordergrund. Zugleich wechseln die Suiten reizvoll zwischen tänzerischen und elegischen Passagen. Besonders berührend ist die getragene Suite aus Felon, Daums bislang wohl größtem Erfolg: ein edles Adagio als Katharsis für die Filmhandlung und ein gelungener Abschluss der knapp halbstündigen CD.
Stilistische Brüche gibt es kaum. Daum hat seine Film Music Suites so gediegen und ausgewogen zusammengestellt, dass man als Hörer am Ende mehr an ein Konzeptalbum als an eine reine filmmusikalische Retrospektive denken mag. Ein großer Unterschied zwischen Film- und Eigenkompositionen lässt sich ohnehin kaum ausmachen. Den Hörqualitäten tut das aber natürlich keinen Abbruch. Im Gegenteil: Derart gelungene Zusammenstellungen wünschte man sich in der deutschen Filmmusiklandschaft viel häufiger. Schon jetzt zählen die Film Music Suites zu den erfreulichsten deutschen Filmmusik-Veröffentlichungen des Jahres.
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Vielen Dank an WildKat PR für die Bereitstellung des Bildmaterials.