The Great Escape – Elmer Bernstein

Mit Gesprengte Ketten schuf John Sturges (Die glorreichen Sieben) 1963 einen Klassiker des Kriegabenteuerfilms. Basierend auf wahren Begebenheiten wird darin die Geschichte einer von alliierten Offizieren initiierten Massenflucht aus einem deutschen Gefangenenlager während des zweiten Weltkriegs erzählt. Sturges besetzte The Great Escape, so der Originaltitel, mit zahlreichen Stars, darunter Steve McQueen, Richard Attenborough, James Garner, Charles Bronson sowie James Coburn. Er setzte ganz auf den Unterhaltungswert der spannenden Handlung. Mit vollem Erfolg, denn der fast dreistündige Film wurde zum großen Kassenschlager und Publikumsliebling. Doch über das reine Starkino hinaus schafft es Gesprengte Ketten nicht hinaus. Dafür spiegelt der Film die realen Ereignisse zu oberflächlich, interessiert sich zu wenig für die psychologische Dimension der Geschichte. Wenn der „Ausbrecher-König“ Hilts (Steve McQueen) mehrfach wochenlange Einzelhaft ohne Folgen übersteht oder der Sinn des verlustreichen Unterfangens praktisch zu keinem Zeitpunkt hinterfragt wird, offenbaren sich die inhaltlichen Grenzen der Produktion. Auch viele Details des Lagerlebens und der Fluchtvorbereitung wirken unglaubwürdig. Woher zum Beispiel die zahlreichen für den Ausbruch benötigten Werkzeuge und Utensilien stammen, wird bestenfalls nur angedeutet. Ebenso enttäuscht, wie wenig der Film auf das politische Klima der Zeit eingeht. Symptomatisch für den reinen Unterhaltungscharakter steht die Tatsache, dass sich McQueen als Motorradliebhaber eine spektakuläre Verfolgungsjagd ins Drehbuch schreiben ließ.

Elmer Bernstein hatte mit Sturges zum ersten Mal beim Westernklassiker Die Glorreichen Sieben (1960) zusammengearbeitet. Es folgten drei weitere gemeinsame Projekte: The Great Escape (1963), The Hallelujah Trail (1965) sowie McQ (1974). The Great Escape gehört vor allem wegen seinem markanten, patriotischen Marschthema zu den populärsten Arbeiten im Werk des 2004 verstorbenen Komponisten. Das Hauptthema ist mittlerweile fest in der Popkultur verankert, wurde unlängst in Chicken Run (2000) gekonnt von John Powell und Harry Gregson-Williams parodiert. Der Marsch bleibt über die vollen neunzig Minuten Laufzeit zentraler melodischer Gedanke der Komposition und taucht immer wieder in den zahlreichen Actionsequenzen motivisch auf. Dazu treten verschiedene Spannungsmotive, die die Bedrohung durch die Lageraufseher spiegeln, und melancholische Streicherstücke, die Freundschaft und Zusammenhalt zwischen den Männern unterstreichen.

Bernstein bedient sich einer schlanken Orchestrierung, in der Schlagwerk und Blech naturgemäß eine gewichtige Rolle spielen, aber Streicher, Flöten und Harfe die lyrischen Zwischentöne setzen. Trotz moderner Einflüsse in Stil von Aaron Copland bedient sich Bernstein einer einfachen, aber äußerst effektvollen Orchestersprache. Obwohl gelegentliche Redundanzen vorkommen, überrascht die abwechslungsreiche Gestaltung. Hier stehen Marsch, atmosphärisch-dichte Suspense-Stücke, dezentes Mickey Mousing und schöne Streichermelodik wirkungsvoll nebeneinander. Insgesamt erreicht die Bernstein-Musik allerdings nicht ganz die Qualität der besten Arbeiten des Komponisten wie Die Glorreichen Sieben, Die Zehn Gebote (1956) oder Wer die Nachtigall stört (1962). Dennoch handelt es sich um eine packende, spannungsgeladene Vertonung, die auch heute noch zu begeistern vermag.
Die Musik auf CD:

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Bereits 1997 veröffentlichte das heute nicht mehr existierende Label Ryko den rund 33 Minuten langen LP-Schnitt von 1963, inklusive dreier Dialogsequenzen. Nachdem diese Edition lange Zeit vergriffen war, brachte Varèse Sarabande 2004 eine inhaltsgleiche und klangtechnisch aufpolierte Neuauflage auf den Markt, verzichtete dabei aber auf die Dialogsequenzen. Der LP-Schnitt – und das dürfte den wenigsten bekannt sein – folgt allerdings der in den 60er und 70er Jahren gängigen Praxis, die Musik für das Album neu einzuspielen. Dies tat man hauptsächlich deshalb, weil die an die amerikanische Musician Union (Musikervereinigung) für das Original zu entrichtenden Gebühren zu kostspielig waren. Im Falle von The Great Escape führte dies zu einer Aufnahme mit einem deutlich reduzierten Orchester (etwa die Hälfte der originalen 63köpfigen Besetzung). Zwar ist diese Version der Musik keinesfalls schlecht und von durchaus beachtlichem Klang, doch die Reduzierung des Orchesters macht sich bemerkbar, lässt die Aufnahme etwas flachbrüstig und insgesamt seltsam blass erscheinen.

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Bis vor wenigen Jahren galt die eigentliche Originalaufnahme als verschollen bzw. vernichtet. Bei seinen Recherchen für die Wiederveröffentlichung der Ryko-CD stieß Varèse Sarabande-Produzent Robert Townson in den MGM-Archiven auf zwei unbeschriftete Boxen mit den verschollen geglaubten Mastern. Dieser glückliche und völlig überraschende Fund führte zu einer auf 3000 Exemplare limitierten Club-Edition mit der nahezu vollständigen Musik auf 2 CDs. Diese Veröffentlichung macht den LP-Schnitt praktisch überflüssig. The Great Escape erstrahlt auf ihr in völlig neuen Glanz, wirkt vitaler und besitzt deutlich mehr Biss als die von Bernstein selber vorgenommene und dabei geglättete Nachspielung. Auch klanglich ist die Deluxe Edition überlegen, offenbart mehr Details und wirkt durchgängig frischer. Eigentlich ein Fall für eine klare Kaufempfehlung für die mit einem informativen Booklet ausgestattete Doppel-CD. Doch leider war die limitierte Fassung in nur wenigen Monaten komplett vergriffen. Dem interessierten Käufer bleibt deshalb nur der Griff zur schwächeren, regulären Veröffentlichung. Bei The Great Escape offenbart sich damit die Schattenseite limitierter Editionen. Denn was einmal weg ist, dürfte für lange Zeit vom Markt verschwunden und bestenfalls zu horrenden Preisen bei ebay-Auktionen zu ersteigern sein.