„Nicht aufgeben“ – Girl

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Beyond: No Surrender – Das ist der Titel einer speziellen Programmreihe des Braunschweiger Filmfestivals, die sich in diesem Jahr starken Frauen und ihren individuellen Schicksalen widmet. Für die 14jährige Lara im Drama Girl gilt das Motto „Nicht kapitulieren, nicht aufgeben“ in besonderem Maße: Denn sie wurde im Körper eines Jungen geboren und wünscht sich nichts sehnlicher als die Angleichung des Geschlechts. Doch der Weg dahin gestaltet sich alles andere als einfach. Unzählige Termine mit Ärzten und Psychologen, dazu eine Hormontherapie, die für Lara nicht schnell genug die gewünschten Veränderungen bringt. Und als wäre das nicht allein schon schwer genug, kämpft sie zeitgleich um einen der begehrten Plätze an einer staatlichen Ballettschule, unterwirft sich mit bedingungsloser Hingabe dem strapazierenden Drill. Doch die Dreifachbelastung von Hormonbehandlung, Pubertät und intensivem Training fordert ihren Tribut.

Der belgische Regisseur Lukas Dhont vermeidet es in seinem Filmdebüt sehr bewusst, seine Hauptfigur irgendeiner Form von Diskriminierung auszusetzen. Lara wächst in einem überraschend verständnisvollen Umfeld auf: Der Vater begleitet sie rührend in der für sie so schweren Lebensphase. Selbst Freunde und Klassenkameraden begegnen ihr mit erstaunlicher Toleranz. Lara wird akzeptiert wie sie ist. Doch selbst unter solchen fast idealen Rahmenbedingen erinnert der Alltag sie ständig daran, „anders“ zu sein: beim Umziehen nach dem Sport oder auf einer Party, bei der ihre nicht weniger pubertierenden Mitschülerinnen sie nötigen, sich auszuziehen. Und nicht zuletzt in der Begegnung mit einem Jungen, mit dem sie erste sexuelle Erfahrungen sammelt.

Es ist die große Leistung von Girl, den langen Leidensweg von jungen Menschen, die mit dem falschen Geschlecht geboren wurden, in ihren vielen Facetten zu veranschaulichen und Verständnis zu wecken. Lukas Dhont erzählt die Geschichte Laras einfühlsam und mit kluger Beobachtungsgabe. Allein im unnötig drastischen Finale scheint der belgische Regisseur der Wirkung seines lebensnahen Filmes nicht mehr ganz vertraut zu haben. Durchgehend sensationell ist hingegen sein Hauptdarsteller: Victor Polster, der für seine Leistung in Cannes in der Kategorie „Un Certain Regard“ ausgezeichnet wurde, meistert selbst schwierige Szenen mit einer für das Alter unglaublichen Natürlichkeit. Vor allem seinem Spiel ist es zu verdanken, das viele Zuschauer nach dem Kinobesuch von Girl Transmenschen mit ganz anderen Augen sehen werden.

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