Lost in Space – Christopher Lennertz

Gleich mit den ersten Takten der Filmmusik zur Netflix-Serie Lost in Space fühlt man sich mitten in die 90er Jahre zurückversetzt. Der heroische Main Title weckt Erinnerungen an eine Zeit, in der Komponisten wie David Arnold, Jerry Goldsmith oder Bruce Broughton regelmäßig große Orchesterpartituren schrieben und ihre Kinohelden mit strahlenden Fanfaren begleiteten. Das unverblümte Pathos der sinfonischen Filmmusik von Christopher Lennertz wirkt in Zeiten allgegenwärtiger Drumloops und wabernder Sound-Kollagen sogar geradezu anachronistisch. Und das hat natürlich vor allem mit der Vorlage zu tun, die als Remake die naive Erzählhaltung der Originalserie aus den 60er Jahren aufgreift und mit zeitgemäßen CGI-Tricks ins neue Jahrtausend holt. Das Hohelied auf die im Weltraum gestrandete Familie Robinson, die auch in größten Notsituationen immer erfolgreich zusammenhält, die klar gezeichneten Grenzen zwischen Gut und Böse – das verlangt auf musikalischer Ebene nach ebenso eindeutigen Zuschreibungen. Lennertz, der zuletzt ein wenig in der Komödien-Schublade feststeckte, nutzt die Chance für eine kurzweilige orchestrale Tour de Force, deren Ambition für eine unter Zeitdruck entstehende Fernsehserie erstaunt.

Da tritt ein effektvolles Heldenthema auf, begleitet eine Fuge die Arbeit der Familie am Raumschiff und hört man in Illumination elegische Streichermelodik, die gut und gerne auch aus Legenden der Leidenschaft stammen könnte. Und natürlich gibt es auch jede Menge robuste Action-Piecen. Dass wir uns doch nicht mehr in den 90ern befinden, hört man an den wohl unvermeidlichen (aber sehr dezent eingesetzten) elektronischen Effekten. Die stören aber kaum. Und so gerät die Musik äußerst unterhaltsam. Dass sie am Ende dennoch
nicht restlos überzeugt, liegt daran, dass die Vorbilder von Horner bis Williams (dessen Hauptthema der Ur-Serie Lennertz im Main Title kurz zitiert) zu allgegenwärtig sind. Gut geklaut, ist halb gewonnen, heißt es. Aber eben nur halb. Was der Musik zu Lost in Space bei aller Klangschönheit abgeht, ist eine eigene Handschrift und das gewisse Etwas, welches ein solides Pastiche in eine packende Filmmusik verwandeln würde.

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