Jurassic World – Fallen Kingdom- Michael Giacchino – „Gefangen im Franchise“

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Immer höher und weiter. Dieses Prinzip galt bei Fortsetzungsreihen im Kino schon immer. Und so ist es kein Wunder, dass im zweiten Teil des Dinosaurier-Spektakels Jurassic World  gut getrickste Urzeittiere längst nicht mehr ausreichen, um den richtigen Kick zu liefern. Führte der Vorgänger bereits gentechnisch hochgezüchtete Killer-Saurier ein, wird die berüchtigte Insel Isla Nublar in der unvermeidlichen Fortsetzung nun von einem spektakulären Vulkanausbruch heimgesucht. „Das gefallene Königreich“ lautet der Untertitel und könnte sich im übertragenen Sinne auch auf die Menschheit beziehen. Die steht nämlich vor der ethischen Frage, ob sie die wiedererweckten Tiere retten (und notgedrungen mit ihnen leben) oder einfach ihrem Schicksal überlassen sollte.  Windige Kriegstreiber und Geschäftemacher treffen die fällige Entscheidung auf ihre ganz eigene Weise: Sie bringen die vor der Naturkatastrophe geretteten Dinos nach Amerika. Damit folgt die Handlung lose Spielbergs Lost World, in dem einst ein T-Rex die Straßen New Yorks unsicher machte. In „Fallen Kingdom“ sollen die Dinosaurier dagegen meistbietend versteigert werden. Die Auktion findet auf einem abgelegenen Anwesen statt, das in seinem herrschaftlichen „gothic“-Stil bestens ins Harry Potter-Universum gepasst hätte. Wer auch nur einen der Jurassic Park-Filme gesehen hat, ahnt natürlich an dieser Stelle bereits, dass in dem alten Gemäuer über kurz oder lang kein Stein auf dem anderen stehen bleiben wird.

Naturkundemuseum mit echten Dinos

Vulkanausbruch, rasante Dinosaurier-Hatz  in Natur und Zivilisation: Jurassic World – Fallen Kingdom zieht alle Register des Franchise und befreit sich gleichzeitig völlig von jeglicher Logik und etwaigem Realismus. Wusste Michael Crichton mit seinem Roman von 1991 noch geschickt Science Fiction mit einer schlüssig erzählten Abenteuer-Geschichte zu verknüpfen, gleichen die neuen Filme als mit viel Geld aufgeblähte B-Movies in erster Linie trivialen Vergnügungspark-Spektakeln. Glücklicherweise gibt der Reboot aber zu keinem Zeitpunkt vor mehr als das zu sein. Und so funktioniert der neue Film durchaus als altmodisch anmutender Kintopp mit spektakulären CGI-Effekten auf Höhe der Zeit – auch wenn der Reihe erzählerisch unzweifelhaft die Ideen ausgegangen sind und ihm die selbstreferentielle Ironie des Vorgängers leider abgeht.

Der Soundtrack zum Film.

Als aufgebläht ließe sich auch die Filmmusik von Michael Giacchino charakterisieren, die mit Volumen und opulenter Theatralik den Zuschauer zu beeindrucken sucht. Giacchino, der mittlerweile mit den Reboots von Star Trek, dem Planet der Affen, Star Wars und Jurassic World,  vier der aktuell größten Film-Franchise-Reihen in Hollywood betreut hat, gehört zu den gefragtesten Komponisten der Traumfabrik. Und das nicht ohne Grund: Es gibt nur wenige Komponisten der A-Liga, die derzeit imstande sind, unter engen Zeitvorgaben so versiert und routiniert groß besetzte Partituren zu stemmen wie der Amerikaner.

Wer bietet mehr für dieses Musterexemplar?

Auch bei Jurassic World – Fallen Kingdom hat Giacchino abgeliefert, fährt großes Orchester und Chor auf, um die apokalyptische Dinosaurier-Action zu begleiten. Abermals gelingen ihm prägnante Leitmotive. Neben der Wiederkehr des episch-lyrischen Hauptthemas des Vorgängers sind es dieses Mal ein zackiger Militärmarsch, ein ruhiges Thema für die Dino-Retter und ein schicksalshafter Choral für die dem Untergang geweihten Urzeittiere. Und trotz des Fokus auf rasante Action gibt es auch erstaunliche Momente des Innehaltens inmitten des Tumults. Da zitiert die Komposition dann gerne mal reizvoll die Originalthemen von John Williams und zelebriert quasi das Gedenken an Spielbergs Original. Solche ruhigen Momente sind im gegenwärtigen Blockbuster-Kino selten geworden. Und so währen sie auch hier nur kurz. Schnell wechselt die Vertonung wieder in den Modus des groben akustischen Pinselstrichs.

Viel anderes bleibt Giacchino auch gar nicht übrig, denn die Vorlage verlangt nach einer Klangkulisse, die sich gegenüber den in der zweiten Hälfte rastlosen Action-Sequenzen mit Volumen behaupten kann. Dennoch liegt daran vielleicht auch das Problem der Komposition. Von so viel undifferenzierter Überwältigungsstrategie fühlt man sich als Hörer trotz mitreißender Momente bisweilen erschlagen. Dieser Eindruck ist aber nicht zuletzt auch dem Fehlen einer übergeordneten musikalischen Grundidee geschuldet: Der Film legt durch seinen seltsamen Wechsel vom Katastrophenfilm zum „gothic horror“ keine sinnvolle konzeptuelle Klammer nah. Giacchino versucht zwar nach Kräften, das Archaische und Ungebändigte der Dinosaurier zu spiegeln.  Doch erscheint die Musik darin seinen anderen großorchestralen Arbeiten viel zu ähnlich. Ein echtes Alleinstellungsmerkmal will ihm dieses Mal kaum gelingen. Und weil die Handlung selbst nicht mehr ernst zu nehmen ist, wirkt die überbordende Tonsprache mit den Bildern merkwürdig übersteuert, erscheint geradezu selbstzweckhaft. Der Film erzählt, weil er es im Sinne der kommerziellen Notwendigkeit tun muss. Und die Musik begleitet, weil sie dem Film folgen muss. Immer lauter und immer weiter. Doch wird man dabei das Gefühl nicht los, dass in allem Trubel die Verbindung von Bild und Ton mitunter verloren geht.

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