Obi-Wan Kenobi, Natalie Holt & John Williams – „Schwächelnde Jedi“

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Erzählerische Notwendigkeit spielt im Star Wars-Universum schon lange keine Rolle mehr. Spätestens seit der Gründung der eigenen Streaming-Plattform geht es dem Disney-Konzern vor allem darum, Content zu schaffen, der zahlende Abonnenten bei der Stange hält. Wenn es aber nicht mehr so sehr darauf ankommt, was eigentlich erzählt wird, fällt dem wie eine immer größere Bedeutung zu. Und zumindest in dieser Hinsicht wusste die erste Star Wars-Serie auf Disney+, The Mandalorian, zu überzeugen. Mit vielen liebevoll inszenierten Querverweisen in die Filmgeschichte, sympathischen Figuren und tollen Schauplätzen hauchte die Serie dem nach den letzten Kinofilmen ausgelutscht wirkenden Franchise frischen Wind ein. Die neue Serie, Obi-Wan Kenobi, die zeitlich direkt an die Prequel-Episoden 1–3 anknüpft, enttäuscht dagegen auf ganzer Linie. Der Plot um die Entführung der jungen Leia ist gänzlich banal und leidet unter seiner geringen Fallhöhe. Jeder im Star Wars-Kosmos halbwegs bewanderte Zuschauer weiß bereits vorher, dass Obi Wans Mission, um die kleine Prinzessin zu befreien, glücken wird (sonst könnten beide nicht in der zeitlich später angesiedelten Episode IV – A new Hope auftreten). Schlimmer noch als diese ermüdende Vorhersehbarkeit wiegen aber die unfassbaren Drehbuch-Löcher, die in den letzten beiden Folgen im Subplot um die Inquisitorin Reva für Kopfschütteln sorgen. Doch es ist auch das Wie, an dem Obi Wan Kenobi krankt. Hölzernes Schauspiel hat im Franchise eine gewisse Tradition und ist auch hier vorhanden. Das kennt man. Doch die ungelenke Kamera-Arbeit, die einfallslos im Dunkeln gefilmten Lichtschwert-Duelle und die öden CGI-Kulissen – so uninspiriert wirkte Star Wars bislang selten.

Möglich, dass die Produzenten die Probleme der Produktion nach Ende der Dreharbeiten erkannt haben. Und wenn nichts mehr geht, dann wird oft auf musikalischer Ebene versucht, zu retten, was zu retten ist. Ob das auch hier der Fall war? Es scheint ein wenig so, denn die Filmmusik zur Serie listet gleich drei kreative Köpfe: Die Newcomerin Natalie Holt wird als zentrale Komponistin geführt. Das Hauptthema der Serie stammt dagegen von Altmeister John Williams, der es sich nicht hat nehmen lassen, für die Figur des Obi Wan Kenobi ein letztes Mal ein neues Leitmotiv beizusteuern. Und für die orchestralen Adaptionen dieses Leitmotivs wurde schließlich sein langjähriger Mitstreiter Williams Ross verpflichtet. Das Ergebnis der eigentümlichen „Zusammenarbeit“ wirkt zerfahren: Natalie Holt setzt auf elektronische Sounds und Rhythmen und orientiert sich damit in ihrem Beitrag hauptsächlich an den gegenwärtigen Standards des modernen Action-Scorings, wie man sie aus vielen aktuellen Marvel-Serien kennt. Das visiert zwar ein junges Zielpublikum an, lässt aber so gut wie keine Anknüpfungspunkte zum restlichen Star Wars-Universum erkennen. Konträr dazu sind die Musikstücke von Williams/Ross weitgehend im vertrauten sinfonischen Gewand der Kinofilme gehalten. Daraus resultiert eine stilistische Zweiteilung, die irritiert und den ohnehin schon durchwachsenen Gesamteindruck der Produktion nur noch verstärkt. Bemerkenswert ist zudem, dass das Kenobi-Hauptthema in den Musikstücken von Natalie Holt überhaupt keine Rolle spielt. Ob nun Ross und Williams zu einem späten Zeitpunkt zum Projekt gerufen wurden, um der Serie dringend benötigtes Star Wars-Feeling zu verleihen, bleibt bloße Spekulation. Ganz abwegig erscheint dieser Gedanke aber nicht. Für eine solche These spricht aber, dass Natalie Holt bereits ein eigenes Hauptthema für die Serie geschrieben hatte (zu hören in Hold Hands), bevor Williams an Bord kam.

Was unter dem Strich bleibt, ist eine triviale Serie mit einer blassen heterogenen Vertonung. Gerade Natalie Holt hat ihre Chance nicht nutzen können. Abgesehen vom reizvollen Scherzo für die junge Leia (Young Leia) wirkt ihre Arbeit erstaunlich ambitionslos und generisch. Viel zu selten setzt sie thematische Akzente und wenn doch, dann bleiben diese kurzatmig. Das elegische Hauptthema von John Williams ist dagegen markant und eine willkommene Ergänzung im Kanon seiner Star-Wars-Leitmotive. Immer wenn William Ross dieses Thema (leider ohne große Variation) zitiert und verarbeitet, wird etwas vom Glanz der Kinofilme spürbar. Doch auch das rettet die Serie nicht. Der Zeitdruck und die widrigen Produktionsbedingungen in Pandemie-Zeiten zeigen sich dafür zu allgegenwärtig: Seltsam etwa, dass Williams nur in der letzten Episode bereit war, grünes Licht für die Verwendung seine klassischen Leitmotive zu geben. Erstaunlich ist auch, dass im Finale nur ein synthetischer Chor als blasser Nachhall des Duel of the Fates aus The Phantom Menace zum Einsatz kommt. Doch vielleicht ist das auch symptomatisch für eine banale Serie, die ungelenk versucht, Lücken in der Krieg der Sterne-Erzählung zu schließen, die gar nicht hätten geschlossen werden müssen. Notwendig war das alles ganz gewiss nicht. Am Ende darf man sich aber zumindest über vier neue Minuten mit Musik von John Williams freuen. Immerhin etwas.

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