Inkheart – Javier Navarrete

Mit Cornelia Funkes Tintenherz-Trilogie hat die deutsche Buchwelt nun ihren eigenen „Harry Potter“ bekommen. Die Abenteuer der kleinen Maggie mit ihren Eltern in einer Welt, in der es möglich ist, Fabelwesen, Menschen und Tiere aus Büchern „herauszulesen“, haben international – nicht zuletzt auch in den USA – ein großes Publikum gefunden. So war es zwangsläufig nur eine Frage der Zeit, bis zumindest die Adaption des ersten Romans auf der großen Leinwand zu sehen sein würde. Die Verfilmung startete im Dezember 2008 in den deutschen Kinos als deutsch-britisch-amerikanische Koproduktion, besetzt allerdings ausschließlich mit englischsprachigen Schauspielern. Obwohl die Vorlage eine immense Popularität genießt, wurde der Film nicht nur erst vom späten Frühling 2008 in den Winter verschoben, sondern im Vorfeld auch noch kaum beworben, als glaubten die Produzenten selber nicht ganz an einen möglichen Kinoerfolg. So kam es, wie es kommen musste – der Film wurde zum Flop. In dieses Bild passt, dass die Musik bislang ausschließlich als digitaler Download angeboten wird. Wie eine filmische Fortsetzung ist damit wohl auch eine CD-Veröffentlichung vorerst in weite Ferne gerückt.

Die farbenprächtige Vertonung wurde vom Spanier Javier Navarrete komponiert, der bereits vor zwei Jahren mit seiner opulenten Fantasymusik zu Guillermo del Toros bildgewaltigen Pan’s Labyrinth viel Aufsehen in der Filmmusikszene erregte und für seine Arbeit schließlich vollkommen zurecht eine Oscar-Nominierung erhielt. Seine Tintenherz-Vertonung könnte man spontan als „Pan-Light“ umschreiben. Tatsächlich steht sie in ihrer fabulierend-versponnenen Sinfonik, die erfreulicherweise rein orchestral bleibt, in der Tradition der Pan-Musik. Navarrete betont vor allem das Magisch-Märchenhafte der Vorlage und vermeidet abgesehen weniger theatralischer Chorpassagen die schwermütige Opulenz der Herr der Ringe-Musiken. Große Stärke der leichtfüßigen Tintenherz-Vertonung bildet die liebevolle Orchestrierung, die mit dem Spiel von Glockenspiel, Celesta, Gitarre und ethnischem Instrumentarium ein ganzes Panoptikum funkelnder Klangwirkungen erzeugt. Als besonders attraktiv erweist sich dabei das schwungvolle Spiel mit orientalischer Ornamentik (mit Farid wird eine Figur aus den Märchen aus 1001 Nacht „herausgelesen“), die den klanglichen Kosmos um eine reizvolle Facette bereichert.

Weniger geglückt erscheint Tintenherz allerdings von der thematischen Seite: Auch wenn Navarrete seine Partitur lose leitmotivisch konzipiert hat – es gibt z.B. ein lakonisches Gitarrenmotiv für den zwielichtigen, aber liebenswürdigen Gaukler Staubfinger und ein streicherseliges Familienthema – bleiben die melodischen Einfälle zwar nett, aber doch auch etwas unscheinbar. Dies ist besonders schade, da sich der Spanier nach Kräften müht, mit motivischen Parzellen zu arbeiten und immer wieder reizvolle thematische Variationen in seine Musik integriert. So steht sich Navarrete mit seiner Musik am Ende fast ein wenig selbst im Wege. Die hübschen Scherzi mit ihren Zierrat aus Flötensoli, Harfenbegleitung sowie Streicherpizzikati und die perkussiven Actionstücke geraten zwar stets gekonnt und abwechslungsreich, aber nie besonders mitreißend. Und das liegt wohl nicht zuletzt an dem für eine Fantasymusik erstaunlichen Mangel an zündenden melodischen Einfällen. Es fehlt oftmals das letzte Quäntchen Pfiff und Prägnanz. Eine Beschreibung, die gleichermaßen auf den Film zutrifft, der trotz guter Ansätze seltsam halbherzig wirkt. Unterhaltsam ist die Musik aber dennoch. Es ist die feine Orchestrierung, die Navarretes Tintenherz ein gutes Stückchen über den Durchschnitt im Genre hebt.