Mit Pan’s Labyrinth – El Laberinto del Fauno hat der in Hollywood hauptsächlich für düstere, effektgeladene Horrorkost wie Mimic, Blade II und Hellboy bekannte spanische Regisseur Guillermo del Toro vielleicht den Überraschungsfilm des Kinojahres 2006 inszeniert. Die schaurig-schöne Fantasy-Mär, die mit 3 Oscars ausgezeichnet (Kamera, Maske, Ausstattung) wurde, erzählt von der zehnjährigen Ofelia, die während der Franco-Diktatur 1944 in Spanien mit ihrer schwangeren Mutter dem neuen Stiefvater, einem ranghohen Offizier beim Militär, in ein abgeschiedenes Dorf nachreist. Dort erlebt sie die brutale, unbarmherzige Verfolgung der letzten, sich in den Bergen versteckt haltenden, Partisanen. Parallel dazu gerät das junge Mädchen in ein bizarr-surreales Märchenland voller Fabelwesen, in der es von einem zwielichtig scheinenden Faun vor drei Aufgaben gestellt wird – die als Metapher für die Verbrechen des Regimes stehen. Ob sich Ofelia in diese Traumwelt hineinflüchtet oder sie aber wirklich erlebt, bleibt dabei offen. Del Toros Film (übrigens zweiter Teil einer sich mit der Franco-Diktatur befassenden Fantasy-Trilogie nach The Devils Backbone von 2002) besticht durch faszinierende Bilderwelten, deren Anziehungskraft sich der Zuschauer kaum entziehen kann, die aber immer wieder auch durch explizit gezeigte Brutalitäten abstoßen.
Großen Anteil an der eigentümlichen Wirkung des Filmes hat die Vertonung des Spaniers Javier Navarrete, der bereits für The Devils Backbone (eher eine düstere Geistergeschichte) die Musik geschrieben hat. Seine neueste, völlig überraschend für den Oscar nominierte Komposition (bekanntlich gewann Gustavo Santaolalla für Babel) birgt eine lyrische, in ihrer Ausgestaltung geradezu versponnen wirkende, sinfonische Reise in das titelgebende Labyrinth, das eine faszinierende (alb-)traumhafte Atmosphäre entfaltet. Trotz gelegentlicher Querverweise (siehe unten) hat sie kaum etwas mit den gängigen Fantasymusiken in Hollywood (etwa eines Danny Elfman) gemeinsam. Navarrete orientiert sich in seiner üppigen Tonsprache weniger an der spanischen Musiktradition oder zeitgenössischer Musik der 40er-Jahre. Vielmehr spiegelt sie illustrativ die Stimmungsbilder des Filmes, bildet quasi ein eigenes musikalisches Labyrinth und kann – wenn man so will – als wirkungsvolle Allegorie auf die bizarren, verwunschenen Filmwelten verstanden werden. Zentraler thematischer Gedanke ist ein einfaches mysteriöses Wiegenlied – ein eleganter Walzer, den die Magd der jungen Ofelia zur Beruhigung vorsummt (Track 1). Es wird von Navarrete raffiniert motivisch verarbeitet, sowie in zahllosen Variationen (wunderschön von der Solovioline im Schlussstück interpretiert) und Klangfarben durch die Partitur geführt. Der Walzer bestimmt die wichtigsten zentralen Themen: Neben dem Wiegenlied erklingen auch das pastorale Streicherthema für die Magd Mercedes und die Beerdigungsmusik (The Funeral) im Dreiviertel-Takt. Doch es gibt immer wieder auch dissonant-sperrige Spannungstücke mit zum Teil monotoner militärischer Rhythmik (sicher auch ein Verweis auf die starrsinnige Verblendung der Häscher des Regimes). Beim Eintritt in das Labyrinth erlaubt sich Navarrete zudem einen kleinen Querverweis nach Amerika: Hier ertönt ein stark an den Herr der Ringe erinnerndes Chorraunen.
Doch damit enden bereits die Parallelen zu Howard Shores populärem Ring-Opus. Denn Pan’s Laybrinth ist eine absolut eigenständige, charismatische Komposition mit einem feinsinnigen Komplex aus motivischen Einfällen und schillernden Klangwirkungen. Auch die vielfältige Orchestrierung (u.a. Harfe, Celesta und Klavier) mit ihren reizvollen Instrumentsoli (u.a. Violine, Cello, Trompete) weiß zu begeistern. Trotzdem handelt es sich aber um eine Musik, die sich dem Hörer keinesfalls auf Anhieb erschließt und deshalb trotz des wunderschönen Wiegenlied-Themas weitaus weniger eingängig ist, als sich aufgrund der vordergründigen Fantasy-Thematik vielleicht vermuten ließe. Wirkt sie anfangs noch spröde und undurchdringlich, entwickelt sie aber wie der Film mit jedem neuen Hördurchgang eine immer größere Sog- und Anziehungskraft. Eine Seltenheit in der heutigen Kinosinfonik. Die Vertonung von Pan’s Labyrinth gehört zusammen mit Thomas Newmans The Good German – In den Ruinen von Berlin zu den einsamen Höhepunkten des abgelaufenen Filmmusikjahres 2006. Für Javier Navarrete bedeutet sie ein so eindrucksvolles wie vielversprechendes Debüt auf der internationalen Filmbühne.