Die Gewinner-Filme

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The Paradise Suite (Niederlande 2015)

Ihr Schicksal führt sie alle nach Amsterdam: der illegal in einem Blumengroßhandel arbeitende Yaya, die junge Bulgarin Jenya, die ihr Glück als Model sucht und eine ältere Frau, deren Anliegen es ist, einen serbischen Kriegsverbrecher hinter Gitter zu bringen. Ihre Wünsche und Illusionen werden jedoch jäh zerstört. Dazu lebt in der Stadt ein Schuljunge, der unter dem extremen Leistungsdruck seiner Eltern leidet. Der Vater ist ein berühmter Dirigent, die Mutter als Geigenvirtuosin ständig unterwegs.

Kunstvoll und raffiniert verwebt Joost van Ginkel in seinem Episodenfilm The Paradise Suite die verschiedenen Handlungsstränge zu einem eindringlichen Porträt der Schattenseiten unserer Wohlstandsgesellschaft. Er zeigt barbarische Parallelwelten, in denen Unmenschlichkeit und Brutalität jenseits jeder Rechtsstaatlichkeit regieren. Vor allem der bittere Abstieg Jenyas in die Hölle des Frauenhandels wird zur Triebfeder des Dramas. Dabei setzt die eigentlich zurückhaltende und klug beobachtende Inszenierung immer wieder scharfe Akzente: Der brutale Schnitt, nachdem der Zuhälter den jungen Frauen befiehlt, sich auszuziehen, ist nur einer von mehreren Schlägen in die Magengrube des Zuschauers.

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Joost van Ginkel inszeniert die menschlichen Tragödien erstaunlich stilsicher und mit so großer Präzision, dass ein filmischer Sog entsteht, der einem beim Sehen nicht mehr loslässt. Besonderes Augenmerk verdient dabei auch die Musik. Das Lacrimosa aus Mozarts Requiem wird zu einem bitteren Kommentar zur Handlung. Der Einsatz von Orgelmusik verleiht im letzten Filmdrittel einer leise aufkeimenden Hoffnung Ausdruck. In einer poetischen Kameraeinstellung sehen wir am Ende die afrikanische Familie auf dem Hausdach beten. Die Unschuld dieser Szene im Kontrast zur vorangegangenen Unmenschlichkeit besitzt hohe Symbolkraft. The Paradise Suite wurde beim 30. Braunschweig International Filmfestival mit dem Publikumspreis, dem Heinrich, ausgezeichnet. Eine gute Wahl.  Denn sowohl formal als auch inhaltlich lässt der niederländische Spielfilm die Konkurrenz weit hinter sich.

A Taste of Ink – Compte tes Blessures (Frankreich 2015)

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Wenn der wütende Vincent auf seinen Vater trifft, fliegen die Fetzen. Da wird auch schon einmal der komplette Essenstisch auf dem Boden verteilt. Es ist der klassische Generationenkonflikt, den sich das französische Drama A Taste of Ink – Compte tes Blessures zum Thema macht. Auf der einen Seite steht der von Tattoos übersäte Vincent, der in einem Nachtklub als Sänger einer Hardcore-Band auftritt. Ihm gegenüber agiert der seriöse Fischhändler, der seinem Sohn nur wenig Verständnis entgegenbringt. Als sich beide auch noch in die gleiche Frau verlieben, verändert sich alles.

Morgan Simons Kinodebüt – dessen Originaltitel „Zähle Deine Wunden“ treffender erscheint – ist ein psychologisch ausgefeiltes Psychogramm einer komplizierten Dreiecksbeziehung abseits offensichtlicher Gut-Böse-Stereotypen. Während Vincents „Schrei nach Aufmerksamkeit“ beim Vater unerkannt verhallt, blickt dieser auf die Scherben seines eigenen Lebens zurück. Aber auch Vincent ist nicht allein nur Opfer. Wenn er seinem Vater letztlich die Freundin ausspannt, bedient er sich genau der Mittel, gegen die er eigentlich zu rebellieren vorgibt. Weniger glaubhaft ist freilich die Rolle von Julia „als Frau in der Mitte“ angelegt. Dass sie sowohl mit dem Vater als auch dem Sohn anbandelt, erscheint wenig wahrscheinlich. Geradezu absurd wirkt die Liebesszene gegen Ende des Filmes, in der die ménage à trois ihr Ende findet.

Solche übertriebenen Zuspitzungen beschädigen den Film zwar nicht. Dafür sorgen allein schon die exzellenten Darsteller und die lebensnahe Inszenierung. Sie nehmen dem kraftvollen Drama aber dennoch viel von seiner Wirkung und Überzeugungskraft. Und das ist schade, denn Morgan Simon ist im Großen und Ganzen dennoch ein mehr als ordentliches Regiedebüt geglückt. Dies sah auch die aus jungen Erwachsenen bestehende Jury beim Filmfestival in Braunschweig ähnlich und verlieh A Taste of Ink mit der Kinema den deutsch-französischen Jugend-Preis.